Die Gletscher kommen schon wieder zurück!?
Wenn einer wie Kickl sich mit der „Klimasache“ beschäftigt, dann natürlich nur mittels der Hegelschen Dialektik: „Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen.“ (Hegel, nicht Kickl) Damit ist für Kickl eigentlich schon alles gesagt, wenn auch in anderen Worten: „Gerade die Bauern“, betonte Kickl in seiner Antwort auf Lou Lorenz-Dittlbacher, die ihn mit der Frage „Ist [die Klimakrise] eh nicht so schlimm?“ natürlich provozieren wollte, „gerade die Bauern, und das sind ja meistens Familien, die das über viele Generationen schon machen, wissen sehr gut, dass es solche Phasen unterschiedlicher Klimaausprägungen oder Klimaextreme immer wieder gegeben hat. Und die stellen sich sehr, sehr gut darauf ein.“
Wir haben es also, wenn Starkregen, Dürreperioden, Orkane und Hitzewellen deutlich zunehmen, nicht mit einer Klimakrise oder ‑katastrophe zu tun, sondern, so Kickls Klarblick, mit einer Phase von Klimaausprägung, auf die sich die mit über Jahrhunderte tradiertem Familienwissen ausgestatteten Bauern sehr, sehr gut einstellen.
Sonst noch offene Fragen zu Kickls Klimaanalyse? Ach ja, wie ist das mit den Gletschern? Also da bewegt sich Kickl auch in ganz großen Zeiträumen:
… wenn wir über die Klimasache reden, dann müssen wir wissen, dass wir die Bilder, die wir von der Gletscher-Ausdehnung alle kennen, und ich kenne die alle sehr gut, weil das ist die Zeit, wo dann die Fotografie massiver eingesetzt hat und wo all diese Führer-Literatur zum Beispiel im Zusammenhang mit den hohen Gebirgen entstanden ist, dass diese Gletscher-Ausdehnung dann in einer Zeit entstanden ist, als wir quasi das Ende … einer Eiszeit gehabt haben.
Damit wir hier folgen können: Die Gletscher-Ausdehnung und die Bilder davon kennt Kickl also sehr gut, weil das die Zeit war, wo die Fotografie massiver eingesetzt hat und die – sorry Kickl, nicht unsere Diktion! – „Führer-Literatur“ entstanden ist, und wir „quasi das Ende der Eiszeit“ gehabt haben. Oder so. Irgendwie. Kurz und gut: Am Ende der Eiszeit haben sich die Gletscher ausgedehnt? Aber wann ging diese Eiszeit zu Ende? Laut Wissenschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Fotos von damals, die Kickl gut kennt, gab’s zwar nicht wirklich, aber sei’s drum, denn für Kickl ist was anderes wesentlich: „… das war eine Phase der Klimaentwicklung, und es gibt andere Phasen der Klimaentwicklung. Der Gletscher hat sich wieder zurückgezogen, und möglicherweise wird es wieder Phasen geben, wo sich der Gletscher ausdehnt.“
Möglicherweise zwar erst in 50.000 Jahren, aber erstens denkt ein Kickl in sehr langen Zeiträumen und nicht in kurzen Wahlperioden, und zweitens kann es sowieso anders und viel früher kommen: „Ich darf nur daran erinnern, in den 70er-Jahren – auch das weiß ich noch sehr gut – haben die Klimaforscher weltweit vor einer neuen Eiszeit und vor einem Vorstoß der Gletscher gewarnt.“
Spätestens jetzt müssen wir allerdings vor dem Wissen Kickls, der 1968 geboren wurde, und seinen kindlichen Erinnerungen warnen: Fast alle Wissenschafter*innen gingen damals schon in ihren Analysen von einer drohenden Klimaerwärmung aus (Stichwort „Club of Rome“). Aber selbst wenn es um einige Grad heißer werden sollte, spendet Kickl Trost und Rat: „Ich glaube, eine vernünftige Umweltpolitik besteht zunächst einmal darin, sich jetzt in Österreich an diese Gegebenheiten möglichst gut anzupassen.“ Da wird von bösartigen Medien immer ein rebellischer, widerständiger Kickl beschrieben. Völlig falsch! Wenn‘s darum ginge, etwas zu bewegen, zu verändern, die Klimakrise zu bekämpfen, dann wird ein Kickl ganz klein und demütig und will nur die Anpassung an die Gegebenheiten: „möglichst gut“. Brav, sehr brav, Herbert!
Die Geimpften sind das Problem!?
Kickl kennt Corona, keine Frage. Vor allem die Impfung. Jeden Tag bekomme er Post von Ärzten, die ihn, den unbestrittenen Kenner, über „diese Nebenwirkungen informieren. Da rede ich von körperlicher Abgeschlagenheit, da rede ich von Fieber und Schüttelfrost, da rede ich von Leuten, die plötzlich Probleme mit ihrem Sehvermögen haben, da reden wir von Thrombosen, da reden wir von Dingen.“
Von „Dingen?“ „Sie wissen das alles ganz genau!“, entfährt es ihm noch. Die Interviewerin weiß es aber nicht, schon gar nicht genau. Woher denn auch? Aber Kickl kennt sich auch in Israel aus: „Jetzt sehen wir dort eine Situation, dass die Hälfte der Leute, die hospitalisiert sind, dass die dort doppelt geimpft sind.“ Den Einwand von Lou Lorenz-Dittlbacher, wonach das auf die sehr frühen Impfungen (und den nachlassenden Impfschutz) zurückzuführen sei, kontert Kickl maximal elegant: „Sie kommen immer mit irgendwas daher.“
Das ist nämlich ziemlich ärgerlich für einen so großen Denker wie Kickl, wenn da wer anderer, noch dazu eine Frau, mit irgendetwas daherkommt! Jetzt kommt nämlich Kickl mit etwas Großem daher. Schließlich hat Corona-Kenner Kickl „gerade vor zwei Tagen eine Statistik des Israelischen Gesundheitsministeriums bekommen, wo glaube ich, seit Beginn Mai bis Anfang August, die Zahl der COVID-Toten angesehen wurde und siehe da, zwei Drittel derer, die an COVID gestorben sind in Israel, sind doppelt Geimpfte.“
Da müssen jetzt wir mit irgendetwas daherkommen. Mit Zahlen und Fakten nämlich: Bis zum 1.5.2021 sind in Israel 6.386 Menschen an COVID-19 verstorben. Am 1.8.2021 waren es 6.487 Menschen. Innerhalb der drei Monate gab es also nur 101 Tote. Allein im Jänner 2021 – Israel stand damals am Beginn der Impfkampagne – waren es 1.410 Menschen, die an COVID-19 verstorben sind, im September 2020 – damals gab es noch gar keine Impfungen – waren es 977. Gibt es einen besseren Beweis für die Wirksamkeit der Impfungen in Israel als die stark sinkenden Zahlen an Corona-Toten, vor allem im 2. Quartal 2021? Im Juni 21 gab es insgesamt nur sieben Corona-Tote!
Gut möglich also, dass von den 101 COVID-Toten im Zeitraum Mai bis Anfang August zwei Drittel doppelt Geimpfte waren. Warum das so sein kann, das erklärt übrigens der „Spiegel“ in diesem Beitrag bzw. der Biostatistiker Jeffrey Morris anhand der Zahlen aus Israel. Sehr vereinfacht, wenn in einem Land mit zehn Millionen alle – ausgenommen zwei Personen – geimpft wären und von den beiden Ungeimpften stirbt einer und von den fast 10 Millionen Geimpften sterben zwei, dann hätten wir zwar auch das von Kickl konstatierte Verhältnis von zwei Dritteln geimpften Corona-Toten zu einem Drittel ungeimpfte, aber eine Wirksamkeit des Impfstoffes, die fast auf 100 Prozent ginge, während die Wirksamkeit der von Kickl gegen eine Corona-Erkrankung propagierten Bitterstoffe doch eher bescheiden ausfiele. Bitter für Kickl!