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„Stoppt die Rechten“ ist eine unabhängige, antifaschistische Plattform, die Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich sichtbar macht, analysiert und dokumentiert – mit dem umfassendsten öffentlich zugänglichen Online-Archiv zu rechtsextremen Entwicklungen und Vorfällen in Österreich.

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Zum Begriff des Rechtsextremismus (Andreas Peham)

Die Dis­kus­sio­nen rund um die Ein­ord­nung von poli­ti­schen Strö­mun­gen bzw. Grup­pie­run­gen wer­den immer wie­der neu geführt.  Dass dabei mit Begriff­lich­kei­ten – von „rechts­ra­di­kal” zu „rechts­extrem” und „rechts­po­pu­lis­tisch”, von „(neo)faschistisch” zu „(neo)nazistisch” – zum Teil unter­schieds­los her­um­ge­wor­fen wird, ist nicht hilf­reich und schon gar nicht wis­sen­schaft­lich begrün­det. Andre­as Peham, Rechts­extre­mis­mus­exper­te des DÖW, hat 2016 den Begriff „rechts­extrem” defi­niert. Er geht auch auf die nach Rechts abge­rutsch­te sog. „poli­ti­sche Mit­te” ein.

25. Aug. 2021
Zum Begriff des Rechtsextremismus

Vor­be­mer­kung: Die fol­gen­den Aus­füh­run­gen sind von der Not­wen­dig­keit getra­gen, dass ins­be­son­de­re sich anti­fa­schis­tisch ver­ste­hen­de Grup­pen und Per­so­nen von der Über­nah­me der deut­schen (ver­fas­sungs­schüt­ze­ri­schen) Begriff­lich­keit wie­der abrü­cken mögen. Statt die­ser for­ma­len Begriff­lich­keit, nach wel­cher Rechts­extre­mis­mus durch Gewalt und die Ableh­nung der libe­ra­len Par­tei­en­de­mo­kra­tie bestimmt ist, wäre ein Zurück zur inhalt­li­chen Defi­ni­ti­on von Wil­li­bald I. Hol­zer (1993) anzu­stre­ben. Die­se steht auch im Ein­klang mit der öster­rei­chi­schen Ver­fas­sung, die nur das NS-Ver­bot (und eben kei­nen „Anti-Extre­mis­mus“) kennt. So steht in Öster­reich nur der Neo­na­zis­mus (als radi­ka­li­sier­ter Rechts­extre­mis­mus, ver­bun­den mit Gewalt­tä­tig­keit und NS-Apo­lo­gie) unter Straf­an­dro­hung, der Rechts­extre­mis­mus ist wenn, dann nur als lega­les Vor­feld Gegen­stand ver­fas­sungs­schüt­ze­ri­scher Tätig­keit. Damit ver­bun­den wäre, dass die FPÖ wie­der als das bezeich­net wird, was sie – mit einer kur­zen Unter­bre­chung rund um die Jahr­tau­send­wen­de – seit 1986 ist, näm­lich rechtsextrem.

Oft wird der Rechts­extre­mis­mus, der sich noch im ver­fas­sungs­recht­li­chen Rah­men der Demo­kra­tie arti­ku­liert und bei Wah­len erfolg­reich ist, als Rechts­po­pu­lis­mus bezeich­net. Dies gilt vor allem für Deutsch­land, wo eine enge defi­ni­to­ri­sche Bin­dung des Begrif­fes Rechts­extre­mis­mus an die gewalt­tä­ti­ge Front­stel­lung gegen die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung (FDGO) besteht. Dem­ge­gen­über steht ein Ver­ständ­nis von Rechts­extre­mis­mus, wel­ches die­sen in ers­ter Linie inhalt­lich und als Syn­drom­phä­no­men bestimmt.1

Rechts­extre­mis­mus wird dem­nach begrif­fen als ein gan­zes Bün­del von Merk­ma­len, darunter

  • die Behaup­tung natür­li­cher Ungleich­heit: ein bio­lo­gis­tisch, im Rück­griff auf die nicht wei­ter hin­ter­frag­ba­re Instanz Natur argu­men­tie­ren­der Anti­uni­ver­sa­lis­mus und Antie­ga­li­ta­ris­mus, der sich gegen sozia­le Eman­zi­pa­ti­ons­be­stre­bun­gen (u.a. Femi­nis­mus) und die Idee einer Mensch­heit rich­tet (Bio­lo­gis­mus)2,
  • das Den­ken und Han­deln in Völ­kern, in natür­li­chen oder orga­ni­schen Gemein­schaf­ten, die mit einer unver­än­der­li­chen Eigen­art (Iden­ti­tät) aus­ge­stat­tet wer­den und dem Indi­vi­du­um als Trä­ger von Rech­ten min­des­tens gleich­ge­stellt, in man­cher Hin­sicht sogar über­ge­ord­net sind (Anti­li­be­ra­lis­mus),
  • völ­ki­scher, auf gemein­sa­me Abstam­mung zie­len­der oder inte­gra­ler Natio­na­lis­mus; Volks­ge­mein­schafts­ideo­lo­gie3, in wel­chem die (homo­ge­ne) Gemein­schaft gegen die hete­ro­ge­ne Gesell­schaft und oft in Oppo­si­ti­on zu den poli­ti­schen, sozia­len und kul­tu­rel­len Eli­ten gebracht und immer von Frem­denbedroht (zer­setzt) wird,
  • Hyper-Patrio­tis­mus: ein zur „Selbst­über­hö­hung nei­gen­des Wir-Gefühl“ (Hol­zer 1993, 38),
  • dau­ern­der Pro­test und auto­ri­tä­re Rebel­li­on gegen das herr­schen­de Sys­tem oder demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen (Grund­rechts-/Min­der­hei­ten­schutz, Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot usw.), gegen die ein angeb­li­cher Mehr­heits­wil­le in Wider­spruch gebracht wird (direk­te oder iden­ti­tä­re Demo­kra­tie),
  • extre­mes Ticketdenken/Dichotomisierung der Gesell­schaft: star­res Den­ken in fes­ten und ant­ago­nis­ti­schen Grup­pen wie z.B. Wir (unten) und Die (da oben) bzw. Volk und Eli­te, Freund-Feind-Schematisierungen,
  • rigi­der Geschlech­ter­dua­lis­mus4 und Ableh­nung jeder Abwei­chung von einer behaup­te­ten Norm (Homo- und Transphobie),
  • natio­na­li­sie­ren­de (deutsch­na­tio­na­le) Geschichts­be­trach­tung bis hin zu wei­chen For­men des Revi­sio­nis­musund der NS-Apo­lo­gie5,
  • (kul­tu­rel­ler) Ras­sis­mus und (oft codier­ter) Anti­se­mi­tis­mus, ein­ge­bet­tet in einen all­ge­mei­nen Deka­denz-/Ka­ta­stro­phen­dis­kurs, Behaup­tung einer dro­hen­den Zer­set­zung der Eigen­grup­pe und eines per­ma­nen­ten Not­stan­des zur Errei­chung dau­ern­der Mobilisierung,
  • „tota­li­tä­re Nor­men­ver­ständ­nis­se“ (Heit­mey­er 2002, 503), auto­ri­tä­re Ein­stel­lun­gen und anti­li­be­ra­le (rigi­de) Ord­nungs­vor­stel­lun­gen (star­ker Staat/Law & Order),
  • Beru­fung auf den All­tags­ver­stand, hier­zu­lan­de oft immer noch als „gesun­des Volks­emp­fin­den“ bezeich­net (Anti­in­tel­lek­tua­lis­mus, Antie­li­ta­ris­mus6),
  • eine spe­zi­fi­sche, von Gewalt­me­ta­phern durch­setz­te, aggres­si­ve Spra­che (vgl. Bott 1969) und ein bestimm­ter mili­tan­ter, abwer­ten­der Stil in der poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung (Dif­fa­mie­run­gen, Patho­lo­gi­sie­run­gen, Tier­me­ta­phern, Namens­po­le­mi­ken usw.),
  • sys­te­ma­ti­sche Per­so­na­li­sie­rung und Mora­li­sie­rung7 des Politischen,
  • ein Dis­kurs, der weni­ger ratio­na­le Argu­men­te, son­dern vor allem „Begriffs­fe­ti­sche“ (Lenk 1971, 85) und poli­ti­sche Mythen gene­riert (Irra­tio­na­lis­mus),
  • Sicher­heits­ver­spre­chen durch die Auf­lö­sung von Ambi­va­lenz (durch Dicho­to­mi­sie­rung) und die Reduk­ti­on von Komplexität,
  • Sün­den­bock­men­ta­li­tät und Nei­gung zu per­so­na­li­sie­ren­den und ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen (para­no­iden) Welt­erklä­run­gen, in wel­chen man sich ger­ne zum Opfer macht (Täter-Opfer-Umkehr),
  • Kult der (phal­li­schen) Stärke/Hypermaskulinismus.

Nicht zuletzt ange­sichts der Tat­sa­che, dass ein­zel­ne Ele­men­te des Rechts­extre­mis­mus sich auch in ande­ren Ideo­lo­gien und als Ein­stel­lun­gen in der poli­ti­schen Mit­te fin­den las­sen, soll­ten zumin­dest drei von ihnen vor­han­den sein, um von Rechts­extre­mis­mus zu spre­chen. (vgl. Schwa­gerl 1993) Gegen­wär­ti­ger Rechts­extre­mis­mus wäre dem­nach vor­ran­gig zu bestim­men durch den dem­ago­gi­schen Rück­griff auf die Natur (ins­be­son­de­re zur Legi­ti­ma­ti­on sozia­ler Ungleich­heit), ver­bun­den mit der Tri­as (Volks-)Gemeinschaftsdünkel, Auto­ri­ta­ris­mus und (kul­tu­rel­ler) Rassismus/(codierter) Anti­se­mi­tis­mus. Ver­fas­sungs­feind­lich­keit und die for­ma­le Ableh­nung der libe­ra­len Par­tei­en­de­mo­kra­tie gel­ten nach die­ser Defi­ni­ti­on nicht als not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung, um eine Grup­pe oder Posi­ti­on als rechts­extrem zu charakterisieren.

Wäh­rend also in Deutsch­land ent­lang des Ver­hält­nis­ses zur FDGO eine Dif­fe­ren­zie­rung in rechts­extre­mis­tisch und rechts­po­pu­lis­tisch oder rechts­ra­di­kal durch­aus Sinn ergibt, dient in Öster­reich, des­sen Ver­fas­sung das Rechts­gut FDGO nicht kennt, die Ver­wen­dung des Begrif­fes Rechts­po­pu­lis­mus oft nur der Ver­harm­lo­sung. Neben die­ser häu­fig von poli­ti­scher Oppor­tu­ni­tät moti­vier­ten Begriffs­wahl gibt es aber auch wis­sen­schaft­li­che Grün­de, um in bestimm­ten Fäl­len von Rechts­po­pu­lis­mus zu spre­chen, etwa in der ver­glei­chen­den Par­tei­en­for­schung, wo der Begriff für dif­fe­ren­zie­ren­de Klas­si­fi­zie­run­gen durch­aus brauch­bar ist. (vgl. Betz 2002) Als ein Kri­te­ri­um der Abgren­zung von Rechts­extre­mis­mus und Rechts­po­pu­lis­mus soll hier neben der Exis­tenz meh­re­rer Agi­ta­ti­ons­the­men8 und einer mög­lichst kohä­ren­ten und umfas­sen­den Ideo­lo­gie mit einem bestimm­ten Tra­di­ti­ons­be­zug das jewei­li­ge, ent­we­der klar distan­zie­ren­de oder zumin­dest ambi­va­len­te Ver­hält­nis zum his­to­ri­schen Faschis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus betrach­tet wer­den.9 Als rechts­po­pu­lis­tisch las­sen sich unter die­sem Aspekt und in einer Moment­auf­nah­me10 die Nor­we­gi­sche Fort­schritts­par­tei, die Däni­sche Volks­par­tei,die Lega Nord, oder die Par­ty Voor de Vri­jheid (Geert Wil­ders) cha­rak­te­ri­sie­ren, als rechts­extrem die FPÖ (spä­tes­tens wie­der ab 2005), die Front Natio­nal, die Schwe­den­de­mo­kra­ten oder der Vlaams Belang.11 Dane­ben zielt der Begriff des Rechts­po­pu­lis­mus oder „auto­ri­tä­rer Popu­lis­mus“ bzw. Popu­lis­mus von oben vor allem auf den poli­ti­schen Stil, die For­men der Agi­ta­ti­on und eine spe­zi­fi­sche Orga­ni­sa­ti­on von Zustim­mung, der Begriff des Rechts­extre­mis­mus aber vor­ran­gig auf Welt­an­schau­ung und Inhal­te. (vgl. Amesberger/Halbmayr 2002, 28f)

Rechtsextremismus und Demokratie

Auch wenn der moder­ni­sier­te Rechts­extre­mis­mus sich heu­te nicht mehr gegen die, son­dern in der Demo­kra­tie arti­ku­liert, so ist er noch lan­ge nicht demo­kra­tisch gewor­den. (Igna­zi 1992, 12; vgl. Wei­din­ger 2014) Den­noch wäre es falsch, den Rechts­extre­mis­mus als unde­mo­kra­tisch zu bezeich­nen, da er sich mit der reprä­sen­ta­ti­ven Demo­kra­tie als Form längst arran­giert hat. Er will „die Demo­kra­tie nicht abschaf­fen, aber im Sin­ne von ‚Eth­no­kra­tie‘ umdeu­ten“ (Min­ken­berg 2011, 117). Die­se Umdeu­tungs­be­stre­bun­gen ste­hen im Wider­spruch zu den Ideen der Gleich­heit und des Indi­vi­du­ums als allei­ni­gen Trä­gers von Men­schen­rech­ten und zur unein­ge­schränk­ten Akzep­tanz von Rechts­staat­lich­keit, des Grund­rechts- und Min­der­hei­ten­schut­zes sowie des Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­tes.12

Dem Rechts­extre­mis­mus nach der Holzer’schen Defi­ni­ti­on ist ein instru­men­tel­les Ver­hält­nis zur Demo­kra­tie zu attes­tie­ren. Die Wahl­er­fol­ge die­nen Rechts­extre­men dazu, sich selbst und ande­re rechts­extre­me bis neo­fa­schis­ti­sche Par­tei­en wie die unga­ri­sche Job­bik als „demo­kra­tisch legi­ti­miert“ dar­zu­stel­len. (vgl. Möl­zer 2010) Und immer wie­der ver­lan­gen auch Frei­heit­li­che eine Aus­wei­tung der direk­ten Demo­kra­tie, in wel­cher dann über alles, also auch über die Rech­te von (reli­giö­sen) Min­der­hei­ten abge­stimmt wer­den kön­ne. Mit Hol­zer ist hier von einer zumin­dest „strukturelle[n] Wie­der­kehr jener schon his­to­risch ein­ge­schlif­fe­nen Stra­te­gie“ der extre­men Rech­ten aus­zu­ge­hen, „die mit­tels begriff­li­cher Ver­ein­nah­mung von Demo­kra­tie und der hier­über ent­wor­fe­nen Ziel­per­spek­ti­ve ‚wirk­li­cher‘ oder gar ‚wah­rer‘ Demo­kra­tie deren Gegen­teil betrieb“ (Hol­zer 1993, 45).

Ein wich­ti­ger Indi­ka­tor demo­kra­ti­scher Gesin­nung ist neben der Akzep­tanz der Gleich­heits­prä­mis­se der Umgang mit Dif­fe­renz und Abwei­chung, mit Anders­den­ken­den und poli­ti­schen Gegner_innen. An zahl­rei­chen Äuße­run­gen frei­heit­li­cher Politiker_innen wird jedoch eine weit über die poli­ti­sche Gegner_innenschaft hin­aus rei­chen­de auto­ri­tä­re Ableh­nung von gesell­schafts­po­li­ti­schem und kri­ti­schem Enga­ge­ment deut­lich, etwa wenn Heinz-Chris­ti­an Stra­che ange­sichts laut­star­ker Pro­tes­te bei einer Wahl­kund­ge­bung in Linz sich zur Dro­hung ver­steigt: „Wenn wir bestim­men, wer­den die, anstatt zu pfei­fen, arbei­ten müs­sen.“13

Arti­kel aus: Albert Stein­hau­ser, Harald Wal­ser (Hg.): Rechts­extre­mis­mus­be­richt 2016. Wien 2016, S. 6–12.

Fußnoten

1  Vgl. Hol­zer (1993) und die ähn­li­che Defi­ni­ti­on bei Jasch­ke (1994, 31). Um die Distanz zur poli­zei­na­hen Ver­wen­dung des Begrif­fes noch deut­li­cher zu machen, wird im Fol­gen­den von der FPÖ stets als rechts­extrem und nicht als rechts­extre­mis­tisch die Rede sein (Arzhei­mer 2008, 39).

2  Das Sicher­heits­ver­spre­chen des Bio­lo­gis­mus kann neben der Ver­ant­wor­tungs­ab­schie­bung auf
Sün­den­bö­cke als bedeu­tends­ter Pull-Fak­tor des Rechts­extre­mis­mus ange­se­hen werden.

3  Die Tat­sa­che, dass sich die FPÖ seit 2011 auch in ihrem Par­tei­pro­gramm wie­der zur „deut­schen Volks­ge­mein­schaft“ bekennt, stellt ein wich­ti­ges Argu­ment für deren Cha­rak­te­ri­sie­rung als rechts­extrem dar.

4  Gemäß sei­ner bio­lo­gis­ti­schen Grund­hal­tung ver­wirft der Rechts­extre­mis­mus die Unter­schei­dung zwi­schen bio­lo­gi­schem (sex) und sozia­lem Geschlecht (gen­der).

5  Offe­ner Revi­sio­nis­mus (etwa in Form der Leug­nung der Gift­gas­mas­sen­mor­de in den Lagern) und unver­blüm­te Gut­hei­ßung des Natio­nal­so­zia­lis­mus kenn­zeich­nen den Neo­na­zis­mus, was ihn auch in die­sem Fall als radi­ka­li­sier­ten Rechts­extre­mis­mus ausweist.

6  Die­ser basiert jedoch nicht auf einer ega­li­tä­ren Posi­ti­on, viel­mehr ist er als instru­men­tell (gegen die gera­de herr­schen­den Eli­ten gerich­tet) zu cha­rak­te­ri­sie­ren (vgl. Pries­ter 2012).

7  Die­se Mora­li­sie­rung steht jedoch unter a- oder anti-mora­li­schem Leit­mo­tiv, wie es sich etwa in der per­ma­nen­ten Abwer­tung von Gut­men­schen ausdrückt.

8  Klas­si­sche (rechts-)populistische Par­tei­en sind – ide­al­ty­pisch betrach­tet – soge­nann­te sin­gle issue par­ties; sie haben in der Regel nur einen Punkt auf ihrer Agen­da (Zen­tra­lis­mus, Steu­ern, Migra­ti­on etc.), aktu­ell den Islam bzw. die angeb­li­chen Gefah­ren, die von ihm aus­ge­hen („Isla­mi­sie­rung“). Ein wei­te­res Unter­schei­dungs­kri­te­ri­um wäre im Grad von Anti­se­mi­tis­mus und Anti­ame­ri­ka­nis­mus zu fin­den, auch die dif­fe­ren­ten wirt­schafts- und sozi­al­po­li­ti­schen Posi­tio­nen (neo­li­be­ral vs. natio­nal-sozi­al) bie­ten sich zur hier­zu an. Betz (2001) unter­schei­det jedoch nicht zwi­schen rechts­extrem und rechts­po­pu­lis­tisch, son­dern zwi­schen „libe­ra­lis­ti­schem“ und „natio­na­lis­ti­schem“ Rechtspopulismus.

9  Die­se Dif­fe­renz zwi­schen Rechts­extre­mis­mus und ‑popu­lis­mus brach­te etwa Umber­to Bos­si (Lega Nord) auf den Punkt: „Er [Jörg Hai­der, Anm. A. P.] ist ein Sohn von Nazis, wir sind Söh­ne von Par­ti­sa­nen“ (Bos­si 2000).

10  Um der Dyna­mik und Trans­for­mier­bar­keit des Poli­ti­schen gerecht zu wer­den, sol­len die­se Klas­si­fi­zie­run­gen kei­ne end­gül­ti­gen Urtei­le dar­stel­len, son­dern immer wie­der auf ihre Gül­tig­keit über­prüft wer­den (vgl. Schie­del 2011, 9f).

11  Als neo­na­zis­tisch oder neo­fa­schis­tisch sol­len jene (extre­mis­ti­schen) Anti-Sys­tem-Par­tei­en gel­ten, die in Welt­an­schau­ung und Sym­bo­lik deut­li­che Anlei­hen bei ihren jewei­li­gen his­to­ri­schen Vor­bil­dern neh­men, offen anti­se­mi­tisch sind und eine gewis­se Mili­tanz in der poli­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung an den Tag legen wie z. B. Job­bik, For­za Nuo­va, Natio­nal­de­mo­kra­ti­sche Par­tei Deutsch­lands (NPD) oder Gol­de­ne Morgenröte.

12  Spä­tes­tens nach den Erfah­run­gen mit Faschis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus kann Demo­kra­tie nicht län­ger nur mit frei­en Wah­len gleich­ge­setzt wer­den. Viel­mehr braucht sie zur ihrer Ergän­zung und zu ihrem Schutz ver­brief­te poli­ti­sche Frei­heits­rech­te, Gewal­ten­tei­lung und Rechts­staat­lich­keit, wobei ins­be­son­de­re Letz­te­re im Kon­flikt­fall dem Prin­zip der Volks­sou­ve­rä­ni­tät über­ge­ord­net sein kann und soll (vgl. Mül­ler 2012, 39). Die Bereit­schaft zur Ver­tei­di­gung des demo­kra­ti­schen Sta­tus quo ist aber nicht mit der Affir­ma­ti­on der bür­ger­li­chen Gleich­heits­ideo­lo­gie und demo­kra­ti­scher Herr­schafts­for­men zu ver­wech­seln (vgl. Schie­del 2012).

13  Stra­che (2008); vgl. Schie­del (2014).

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Stra­che, Heinz-Chris­ti­an, zit. nach Mein­hart, Geor­gia: Stra­ches Abrech­nung mit der „Eis­kas­ten­po­li­tik“. In: Die Pres­se vom 29.8.2008, online: http://diepresse.com/home/politik/neuwahlen/410214/Straches-Abrechnung-mit-der-Eiskastenpolitik [12.4.2016]

Wei­din­ger, Bern­hard: Zwi­schen Kri­tik und kon­ser­va­ti­ver Agen­da. Eine Ver­tei­di­gung des Rechts­extre­mis­mus­be­griffs gegen sei­ne Proponent*innen. In: For­schungs­grup­pe Ideo­lo­gien und Poli­ti­ken der Ungleich­heit (Hg.): Rechts­extre­mis­mus. Ent­wick­lun­gen und Ana­ly­sen – Bd. 1. Wien 2014, S. 69–87.

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