Die Antifa Oberösterreich reagierte mit einer Aussendung am 1. April 2021:
Die Liste der blauen „Einzelfälle“ ist wieder um einen länger geworden. Denn der Welser FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl hat die „Venus von Wels“ nachbilden und in der Fußgängerzone Schmidtgasse aufstellen lassen. Oberflächlich betrachtet scheint das harmlos zu sein: Die handgroße antike Originalstatue der römischen Liebesgöttin war 1913 von einem Gunskirchner Bauern ausgegraben worden.
Doch nach dem „Anschluss“ machten die Nationalsozialisten die Venus zum Kultobjekt – wohl, weil sie ihrem „Rasseideal“ entsprach. Sie schufen nicht nur eine große Nachbildung der Statue, sondern auch mehrere kleine Nachbildungen. Mit der Übergabe von letzteren ehrte der Welser NS-Bürgermeister Josef Schuller „verdiente Männer der Bewegung“. „Der erste Empfänger war Hitlers Kampfgefährte Hermann Göring, damals Pate von Wels“, berichtet Günter Kalliauer, früherer Leiter des Stadtarchivs und einer der besten Kenner der Stadtgeschichte.
Ungeachtet der braunen Symbolik stand die große Nachbildung der Venus nach dem Krieg jahrzehntelang auf dem Messegelände. Doch dann änderte sich das öffentliche Bewusstsein: Als 2010 der damalige FPÖ-Vizebürgermeister Bernhard Wieser – er war u.a. durch eine Unterstützungsunterschrift für die neonazistische NVP aufgefallen – die NS-Statue vor dem Kulturzentrum Herminenhof wiederaufstellen wollte, stieß das auf breiten Widerstand. Nach Protesten der Welser Antifa durchkreuzten SPÖ und ÖVP den Plan.
Jetzt, gut zehn Jahre später, zollt Bürgermeister Rabl dem Kultobjekt seines Vorläufers Schuller Tribut: Ohne Einbindung von SPÖ-Kulturstadtrat Johann Reindl-Schwaighofer ordnete er eine neue Nachbildung der Venus an und platzierte sie nahe dem Stadtplatz.
„Dass Bürgermeister Rabl mitten in Corona-Krise keine anderen Sorgen hat, als um Steuergeld einen neuen braunen Fleck zu schaffen und dem Ruf von Wels zu schaden, ist ein Skandal“, übt Antifa-Vorsitzender Werner Retzl scharfe Kritik. „Wir fordern die sofortige Entfernung dieses überflüssigen FPÖ-Signals an alle Ewiggestrigen!“ (zit. nach dahamist.at)
Nachdem 91 Personen, darunter renommierte Historiker*innen und Politikwissenschafter*innen wie Margit Reiter, Michael John, Anton Pelinka, der Rechtsextremismusexperte Andreas Peham und eine Reihe weiterer bekannter Persönlichkeiten in einem Brief ihren Protest ausgedrückt hatten, der Welser Bürgermeister aber standhaft keinen NS-Bezug bei der Statue feststellen konnte, ersuchte das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) die Historikerin Birgit Kirchmayr, ein Gutachten zu erstellen. Und das scheint recht eindeutig ausgefallen zu sein, wie das MKÖ in einer Aussendung bekannt gab:
Birgit Kirchmayr ist Professorin für Zeitgeschichte an der Johannes-Kepler-Universität Linz. Ihre Schwerpunkte sind Nationalsozialismus, Kunst- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts sowie Stadt- und Regionalgeschichte. Sie gehört als wissenschaftliche Koordinatorin dem Kunstrückgabebeirat der Republik Österreich an. Publiziert hat Birgit Kirchmayr unter anderem zum Umgang mit der NS-Vergangenheit in österreichischen und deutschen Städten sowie zur „Aphrodite von Linz“. (…)
Birgit Kirchmayr (…) kommt in ihrem Gutachten zu einem eindeutigen Urteil: „Ein Objekt kann nicht losgelöst von seiner Geschichte betrachtet werden. Im Fall der Welser Venus besteht diese Geschichte nicht nur in ihrer altrömischen Herkunft, sondern eben auch in ihrer nationalsozialistischen Vereinnahmung. Eine heutige Annäherung an die Figur kann das nicht ausblenden. 80 Jahre nach Ende der NS-Zeit ist gesellschaftlich, politisch und wissenschaftlich in Österreich ein Level erreicht, in dem ein Verdrängen oder gar Verharmlosen von NS-Geschichte nicht mehr akzeptiert wird und national wie international einer Kommune nicht guttut.“
Die Historikerin stellt eine „nicht wegzudiskutierende NS-Belastung“ auch der neuen Venus-Nachbildung fest. Diese unkritische Form einer Nachbildung im öffentlichen Raum sei für die Auseinandersetzung ungeeignet, so Kirchmayr. Sie empfiehlt, die Figur im Museum aufzustellen und dort die gesamte Geschichte der Welser Venus inklusive ihrer NS-Belastung zu erörtern. Für den öffentlichen Raum würde es eine völlig neue Auseinandersetzung brauchen, betont die Historikerin. Dazu könnten beispielsweise Bildhauerinnen und Bildhauer eingeladen werden, eine zeitgemäße Variante der Venus zu gestalten.
Willi Mernyi: „Eine führende Expertin hat die Argumente geprüft und die Frage geklärt. Unsere Kritik an der braunen Venus ist also berechtigt. Jetzt liegt es am Welser Gemeinderat, die Stadt von dieser Belastung zu befreien.“
Werner Retzl, Vorsitzender der Welser Initiative gegen Faschismus, rechnet nicht mit der Einsicht des FPÖ-Bürgermeisters und seiner Stellvertreterin: „Höchstwahrscheinlich wird weiter geleugnet und gemauert. Deshalb müssen die anderen Parteien das Problem lösen. Frau Professorin Kirchmayr hat den Weg dazu gezeigt.“
Nun hat Rabl angekündigt, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Da böte sich doch Lothar Höbelt dafür an, damit Rabl das erhält, was er sich wünscht …
*Es wird in diversen Quellen auch das Jahr 1913 kolportiert.