Der „Common Sense“ der FPÖ

Jet­zt ist schon wieder was passiert. Wolf Haas sollte ein Buch über die FPÖ schreiben, er kön­nte aus dem Vollen schöpfen angesichts dessen, was beina­he im Tages­rhyth­mus über die FPÖ pub­lik wird. Gestern am Menü: Schwere Vor­würfe gegen Ex-Vizekan­zler und Ex-Parteiob­mann Stra­che. Er soll sich aus dem Spe­sen­topf der Partei scham­los bedi­ent haben. In ille­galer Weise, wenn die Vor­würfe stimmen.

Her­bert Kickl hat es einiger­maßen voraus­geah­nt, als er – ger­ade frisch aus der Regierung geflo­gen – im Nation­al­rat geheimnisvolle Andeu­tun­gen machte: „Ich gehe davon aus, meine Damen und Her­ren, dass wir in den kom­menden Wochen und Monat­en vielle­icht Dinge erfahren wer­den, ja vielle­icht auch ein Sit­ten­bild zum Vorschein kom­men wird in den Zusam­men­hän­gen, wo ich Ihnen nur sagen kann, dass vielle­icht das, was wir auf den Bän­dern von Ibiza sehen, diese Dinge, die unter Alko­hole­in­fluss gesprochen wur­den, gegen die Wirk­lichkeit, die nüchtern ist, verblassen kön­nten.” Nun, es ist zwar kaum anzunehmen, dass Kickl damit seine eigene Partei gemeint hat, und es ist auch fraglich, ob die Inhalte des Ibiza-Videos, die Kickl indi­rekt als die Nicht-Wirk­lichkeit darstellen möchte, verblassen, aber stim­mig scheint schon alles zu sein. Ein im Som­mer 2017 noch ger­ade kein Vizekan­zler ver­spricht keineswegs nur im Suff, die Repub­lik für eigene Vorteile ver­schachern zu wollen. Und jet­zt kommt eine anonyme Anzeige von den „Ibiza-Hin­ter­män­nern“ (Stan­dard) an die Wirtschafts- und Kor­rup­tion­sstaat­san­waltschaft daher, in der dem mit­tler­weile tief gefal­l­enen Ex-Parte­ichef eine sys­tem­a­tis­che Verun­treu­ung von Parteigeldern vorge­wor­fen [wird]. Stra­che, seine Ehe­frau Philip­pa und ein ander­er FPÖ-Poli­tik­er sollen über die Partei auch ihre pri­vate Lebens­führung finanziert haben.“ (derstandard.at, 23.9.19)

Wir erin­nern uns in diesem Zusam­men­hang an eine Rech­nung, die der FPÖ-Par­la­mentsklub ange­blich beglichen haben soll. Die stammte, so „News“, von ein­er Zahlen­mys­tik­erin, mit der Stra­che aber nur befre­un­det gewe­sen sein will. Die FPÖ hat demen­tiert, „News“ behauptete, den Wahrheits­be­weis antreten zu kön­nen. Zu einem Prozess ist es unseres Wis­sens nach nie gekom­men, auch nicht zu einem Wider­ruf von „News“. Daher bleibt der Ver­dacht, dass Stra­che äußerst frag­würdi­ge Spe­sen über den blauen Par­la­mentsklub abgerech­net hat.

"News" in einer Anfrage an den FPÖ-Pressemitarbeiter Martin Glier (22.5.2015)

„News” in ein­er Anfrage an den FPÖ-Pressemi­tar­beit­er Mar­tin Gli­er (22.5.2015)

Nun heißt es, Stra­che habe sich nicht nur eines monatlich­es Spe­senkon­tos von schlap­pen 10.000.-, das ihm die FPÖ-Wien gewährt haben soll, bedi­ent, son­dern er habe darüber hin­aus auch noch für pri­vate Zwecke Geld aus der Parteikas­sa bezo­gen – es gilt die Unschuldsvermutung!

Wir hal­ten fest: Stra­che war Klubob­mann der FPÖ im Par­la­ment mit einem monatlichen Salär von mehr als 13.000 Euro (brut­to, 14x) und einem Spe­senkon­to des Par­la­ments, von dem er Aus­la­gen, die im Rah­men sein­er par­la­men­tarischen Tätigkeit ent­standen sind, abschöpfen kon­nte. Spe­sen hat er sich möglicher­weise auch über den frei­heitlichen Par­la­mentsklub bezahlen lassen. Und weil das offen­bar für jeman­den, der, wenn er zack-zack-zack drauf ist, auch noch Oli­garchen­nicht­en und der­gle­ichen beein­druck­en muss, nicht zu reichen scheint, gab’s auch noch ein anständi­ges Kör­berl­geld seit­ens der FPÖ Wien – übri­gens bis jet­zt, Monate, nach­dem Stra­che nur mehr ein ein­fach­es Parteim­it­glied ist. Die Woh­nungsmi­ete sei Stra­che zumin­d­est teil­weise bezahlt wor­den, weil er, so die Partei, in seinem Anwe­sen ‚Repräsen­ta­tionsverpflich­tun­gen nachge­gan­gen’“ sei (derstandard.at, 23.9.19).

Screenshot ZiB2 (23.9.19): aus der anonymen Anzeige gegen Strache und die FPÖ

Screen­shot ZiB2 (23.9.19): aus der anony­men Anzeige gegen Stra­che und die FPÖ

Jet­zt kön­nte man meinen, es sei innere Angele­gen­heit der Partei, was sie wem spendiert. Der Parteien­fi­nanzierung­sex­perte Hubert Sickinger schreibt dazu: Offen­bar wird in der Anzeige behauptet, dass Stra­che gegenüber der Partei falsche Angaben über die Ver­wen­dung der Mit­tel gemacht (sprich: pri­vate Aus­gaben als Repräsen­ta­tion­saus­gaben im Inter­esse der Partei deklar­i­ert) habe. Und das wäre dann schon strafbar.”

Hubert Sickinger zu den Spesenvorwürfen

Hubert Sickinger zu den Spesenvorwürfen

Die FPÖ Wien und die Bun­despartei, bericht­en die Medi­en, haben nun eine Son­der­prü­fung der Buch­hal­tung ver­an­lasst, was Sickingers Aus­sage zu bestäti­gen scheint. Das kann jedoch eben­falls nur heißen, dass Stra­che auch über die Bun­despartei Spe­sen bezo­gen haben wird. Somit stellt sich die Frage, wie es passieren kann, dass eine etwaige miss­bräuch­liche Spe­senabrech­nung über Jahre hin­weg wed­er in der Wiener Lan­despartei noch in der Bun­despartei aufge­fall­en ist, zumal, wie der Stan­dard schreibt, es [i]nnerhalb der frei­heitlichen Partei (…) rel­a­tiv bre­it bekan­nt gewe­sen [sei], dass Stra­che mit Parteigeldern auch seinen pri­vat­en Lebenswan­del finanziert. ‚Das war Com­mon Sense und hat nie jeman­den gestört’, erzählt ein Frei­heitlich­er. ‚Die Dimen­sion war aber nie­man­dem klar.’“

Die FPÖ wird daraus, soll­ten sich die Vor­würfe bestäti­gen, eine reine Stra­che-Affäre kon­stru­ieren, auch wenn in der Anzeige zusät­zlich von anderen FPÖ-Poli­tik­ern die Rede ist, die ange­blich ihren pri­vat­en Lebenswan­del durch die Partei mit­fi­nanzieren haben lassen. Das würde jeden­falls zum ange­sproch­enen „Com­mon Sense“ der Partei passen, die jene des „kleinen Mannes“ sein will, deren Obere selb­st aber eher auf großem Fuß leben. Ein Phänomen, das uns in recht­sex­tremen und recht­pop­ulis­tis­chen Parteien immer wieder begeg­net, dort also „Com­mon Sense“ zu sein scheint. Es ist ein „Sit­ten­bild“, das in aller Regelmäßigkeit – und keineswegs nur im Suff – zum Vorschein kommt. Her­bert Kickl sollte sich damit vielle­icht ein­mal genauer beschäftigen.