Rechter Terror in Europa (I)

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Eigent­lich soll­te hier nur ein Bericht über das geplan­te Atten­tat auf Frank­reichs Staats­prä­si­dent Macron erschei­nen, das eine rech­te Grup­pe aus­füh­ren woll­te. Bei der Recher­che muss­ten wir fest­stel­len, dass allein im letz­ten Jahr rech­ter Ter­ror in Frank­reich schon mehr­fach in Erschei­nung getre­ten ist. In omi­nö­sen klan­des­ti­nen Struk­tu­ren, die schein­bar aus dem Nichts ent­stan­den sind. Dann gab es in der Vor­wo­che den Bericht über den geplan­ten Anschlag auf den spa­ni­schen Minis­ter­prä­si­den­ten durch einen spa­ni­schen Rechtsextremisten.

Der spa­ni­sche Atten­tä­ter ist mut­maß­lich ein „Lone Wolf“, eine Erschei­nungs­form von rechts­extre­mem Ter­ror, die stark zuge­nom­men hat in den letz­ten Jah­ren (Anders Beh­ring Brei­vik, Peter Mangs, der Mal­mö-Sni­per).

Der Mord an der ukrai­ni­schen Anti­kor­rup­ti­ons­ak­ti­vis­tin Katery­na Gan­ds­juk hin­ge­gen geht ver­mut­lich auf das Kon­to von Akti­vis­ten des Rech­ten Sek­tor, die offen­sicht­lich eine Auf­trags­ar­beit hin­ge­legt haben – staat­lich indu­zier­ter Terror?

Vie­les ist noch im Unkla­ren, aber eines steht fest: Der rech­te Ter­ror hat sich in etli­chen Län­dern Euro­pas zurück­ge­mel­det. Auch in Deutsch­land, wo der NSU bis 2007 poli­tisch und ras­sis­tisch moti­vier­te Mor­de durch­führ­te. Und wie schaut’s in Öster­reich aus? Das erör­tern wir im Teil II.

Frank­reich: Der rechts­extre­me Ter­ror ist zurück

Sechs Per­so­nen, zwi­schen 22 und 62 Jah­re alt, wur­den in der Vor­wo­che in Frank­reich fest­ge­nom­men, weil sie ver­däch­tigt wer­den, einen Anschlag auf Staats­prä­si­dent Macron geplant zu haben. Gegen ihren Anfüh­rer, Jean-Pierre B. (62), der in den fran­zö­si­schen Medi­en als „iden­ti­tä­rer Akti­vist“ bezeich­net wird, und wei­te­re drei Rechts­extre­me wird wegen Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung ermittelt.

Die Infor­ma­tio­nen über die Anschlags­plä­ne der Grup­pe sind sehr knapp und vage. Soweit bekannt, soll der als Iden­ti­tä­rer bezeich­ne­te Jean-Pierre B., ein pen­sio­nier­ter Holz­händ­ler aus der Gegend um Gre­no­ble, nach Bou­zon­ville (Regi­on Loth­rin­gen) gezo­gen sein, um dort gemein­sam mit Kom­pli­zen einen Anschlag auf Prä­si­dent Macron aus­zu­füh­ren, der sich in der Vor­wo­che zu Gedenk­fei­ern für die Toten des Ers­ten Welt­kriegs in der Regi­on aufhielt.

In sei­ner Wohn­hei­mat, in Saint-Geor­ges-de-Com­miers (Isè­re) in der Nähe von Gre­no­ble, war Jean –Pierre B. auch in der rechts­extre­men und ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen Face­book-Grup­pe „Les Bar­jols“ aktiv , aber ziem­lich frus­triert über die gerin­ge Reso­nanz sei­ner Appel­le. Er suche „ech­te“ Patrio­ten, die ihr Leben geben und nicht bloß Sta­tis­ten sind, erklär­te er in einem sei­ner letz­ten Pos­tings. Die Behör­den dürf­ten über abge­hör­te Tele­fo­na­te von den geplan­ten Akti­vi­tä­ten der Grup­pe erfah­ren haben und dann am 6. Novem­ber zuge­schla­gen haben.

Mouvement patriotique "Les Barjols"

Mou­ve­ment patrio­tique „Les Barjols”

Die Fest­nah­men und Ermitt­lun­gen sind bereits die drit­ten gegen rechts­extre­me ter­ro­ris­ti­sche Grup­pie­run­gen inner­halb eines Jah­res. Zuvor fand die letz­te Ver­haf­tungs­ak­ti­on gegen eine rechts­extre­me Grup­pe im Jahr 2002 statt.

Im Okto­ber 2017 wur­den zehn Per­so­nen wegen mut­maß­li­cher Anschlags­plä­ne gegen Flücht­lin­ge, Poli­ti­ker und Moscheen fest­ge­nom­men. Sie sol­len im Rah­men der Grup­pe „OAS“ (Orga­ni­sa­ti­on der gehei­men Armee) Anschlä­ge gegen Jean- Luc Mel­en­chon, den Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­ten der Lin­ken, und gegen Innen­mi­nis­ter Chris­to­phe Casta­ner, damals Spre­cher von Ema­nu­el Macron, geplant haben. Ihr Anfüh­rer Logan Nis­in , ein Brei­vik-Fan, war schon Mona­te zuvor ver­haf­tet wor­den. (spiegel.de, 11.11.18)

Im Juni 2018 ging der Inlands­ge­heim­dienst gegen Akti­vis­ten der Grup­pe „Action des forces opé­ra­ti­on­nel­les“ (AFO) mit Ver­haf­tun­gen vor. Der Grup­pe wur­den eben­falls Anschlags­plä­ne vor­ge­wor­fen, wobei ihre Zie­le Ima­me, aber auch ein­fach Frau­en mit Schlei­er sein soll­ten. Geplant war auch die Ver­gif­tung von Halal-Fleisch in Super­märk­ten. Gegen ins­ge­samt 13 Ver­däch­ti­ge wur­den Ver­fah­ren wegen Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung ein­ge­lei­tet – nur zwei davon waren der Poli­zei zuvor als rechts­extre­me Akti­vis­ten bekannt. Bei der Raz­zia gegen die Grup­pe wur­den zahl­rei­che Schuss­waf­fen und Muni­ti­on gefunden.

Logo Action Forces Operational AFO

Logo Action Forces Ope­ra­tio­nal AFO

Spa­ni­en: Rechts­extre­mer Anschlag auf Minis­ter­prä­si­den­ten vereitelt

Die kata­la­ni­sche Poli­zei Mos­sos d’Esquadra (nicht die spa­ni­sche) hat am 19. Sep­tem­ber einen rechts­extre­men „Waf­fen­nar­ren“ und „ein­sa­men Wolf“ (63) ver­haf­tet, der einen Mord­an­schlag auf sei­nen Namens­vet­ter, den sozia­lis­ti­schen Minis­ter­prä­si­den­ten San­chez geplant hat­te. Grund: San­chez hat­te die Exhu­mie­rung von Spa­ni­ens faschis­ti­schem Dik­ta­tor Fran­cis­co Fran­co ange­ord­net, der in einem rie­si­gen Mau­so­le­um in der Nähe von Madrid bei­gesetzt war. Der Minis­ter­prä­si­dent woll­te so ver­hin­dern, dass das Mau­so­le­um eine Wall­fahrts­stät­te für Rechts­extre­mis­ten und Faschis­ten bleibt.

Die Ver­haf­tung des fana­ti­schen Fran­co-Anhän­gers, der für einen pri­va­ten Sicher­heits­dienst gear­bei­tet hat­te, wur­de erst jetzt öffent­lich bekannt­ge­ge­ben, nach­dem der Unter­su­chungs­rich­ter das Ermitt­lungs­ge­heim­nis auf­ge­ho­ben hat­te. In einer Whats­App-Grup­pe hat­te der Ver­däch­ti­ge nach Kom­pli­zen gesucht, um den „roten Scheiß“ zu been­den. „Ich bin bereit, mich für Spa­ni­en zu opfern“, hat­te er dort erklärt, was einen Chat-Leser dazu brach­te, die Kon­ver­sa­ti­on an die Poli­zei weiterzuleiten.

Die beim Verdächtigen S. gefundenen Waffen

Die beim Ver­däch­ti­gen S. gefun­de­nen Waffen

Ukrai­ne: Mit Säu­re ermordet

Am 4. Novem­ber starb die ukrai­ni­sche Anti­kor­rup­ti­ons­ak­ti­vis­tin Katery­na Gan­ds­juk an den Fol­gen eines Säu­re­an­schlags, durch den sie offen­sicht­lich schon vier Mona­te zuvor ermor­det wer­den hät­te sol­len. Am 31. Juli die­ses Jah­res ist die 33-jäh­ri­ge Frau, die als Bera­te­rin des Bür­ger­meis­ters von Cher­son tätig war und sich mit kor­rup­ten Poli­ti­kern , Beam­ten und Behör­den ange­legt hat­te, von einer unbe­kann­ten Per­son mit einem Liter Schwe­fel­säu­re über­gos­sen wor­den, sodass an die 40 Pro­zent ihrer Haut ver­ätzt wur­den. Gan­ds­juk hat­te nach dem Säu­re­an­schlag erklärt:

Ich weiß, dass ich jetzt schlimm aus­se­he. Aber ich wer­de von ukrai­ni­schen Ärz­ten behan­delt. Ich bin sicher, dass ich viel bes­ser aus­se­he als die ukrai­ni­sche Jus­tiz. Denn die­se wird von nie­man­dem behan­delt.“ (diepresse.com, 8.11.18)

Die ukrai­ni­schen Behör­den klas­si­fi­zier­ten den Mord­an­schlag zunächst als Hoo­li­ga­nis­mus und blo­ße Kör­per­ver­let­zung und muss­ten erst durch öffent­li­chen Pro­test dazu gezwun­gen wer­den, die Säu­re­at­ta­cke als Mord­ver­such, dann nach ihrem Tod als vor­sätz­li­chen Mord zu behan­deln und gegen die Ver­däch­ti­gen vorzugehen.

Proteste gegen die Ermordung von Katerina Gandsjuk

Pro­tes­te gegen die Ermor­dung von Kate­ri­na Gandsjuk

Als Draht­zie­her gilt Ser­gej Tor­bin, ein ehe­ma­li­ger Poli­zist, der im Krieg im Don­bass für den bewaff­ne­ten Arm der ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Par­tei „Rech­ter Sek­tor“ gekämpft hat. Laut Behör­den habe er die ande­ren vier Män­ner zu dem Ver­bre­chen ange­stif­tet. Er habe sei­nen Mit­tä­tern Gan­ds­juk als pro­rus­si­sche, kor­rum­pier­te Beam­tin beschrie­ben. Den Betei­lig­ten ver­sprach er ein Hono­rar von 500 Dol­lar, einen Betrag, den die Män­ner nach der Durch­füh­rung des Ver­bre­chens auch erhiel­ten.“ (diepresse.com, 8.11.18)

Gan­ds­juk, die kei­nes­wegs pro­rus­sisch ein­ge­stellt war, ver­mu­te­te die Auf­trag­ge­ber für ihre Ermor­dung eini­ge Eta­gen höher. Tor­bins Kom­pli­zen haben mitt­ler­wei­le anschei­nend die Geld­be­trä­ge auch zuge­ge­ben und Tor­bin bezich­tigt sich selbst als Draht­zie­her – ein star­kes Indiz dafür, dass es noch ande­re gibt. Der „Rech­te Sek­tor“, der zunächst nur als rechts­extre­me para­mi­li­tä­ri­sche For­ma­ti­on auf­ge­tre­ten war, ist für kri­mi­nel­le Akti­vi­tä­ten, dar­un­ter auch die Ermor­dung von poli­ti­schen Geg­nern ver­ant­wort­lich. 2014 hat sich der „Rech­te Sek­tor“ auch als Par­tei kon­sti­tu­iert, war bei der Par­la­ments­wahl 2014 aller­dings wenig erfolg­reich. Im Staats­ap­pa­rat und in der Armee sind Rechts­extre­me aller­dings so stark ver­tre­ten, dass Exper­ten zuneh­men­de Kor­rup­ti­on befürch­ten. (blankmagazin.at, 4.2.17).