Wiener Neustadt: Verbotsprozess mit und ohne FPÖLesezeit: 4 Minuten

Zu dem Schwur­ge­richts­pro­zess gegen den Jugend­li­chen, der am 26. Sep­tem­ber wegen Wie­der­be­tä­ti­gung, gefähr­li­cher Dro­hung und por­no­gra­fi­scher Dar­stel­lung Min­der­jäh­ri­ger beim Lan­des­ge­richt Wie­ner Neu­stadt statt­fand, haben wir einen sehr inter­es­san­ten Kor­re­spon­den­ten­be­richt erhal­ten. Nach Ansicht der Ver­tei­di­gung hät­te eigent­lich auch die FPÖ auf der Ankla­ge­bank Platz neh­men müs­sen. Da wol­len wir nicht wider­spre­chen.   Die Poli­tik der Zeit […]

28. Sep 2018

 

Die Poli­tik der Zeit ist das Vor­bild für die heu­ti­ge Jugend

Mit die­ser Grund­aus­sa­ge bat der Ver­tei­di­ger die Geschwo­re­nen im Pro­zess gegen Sascha, gebo­ren 2001, dar­um, bei ihrer Urteils­fin­dung „die Kir­che im Dorf“ und Mil­de wal­ten zu las­sen. Wenn einem jun­gen Men­schen Tag für Tag vor­ge­lebt wer­de, dass rechts­extre­mes Ver­hal­ten in Ord­nung sei, dür­fe man nicht den Jugend­li­chen dafür zur Ver­ant­wor­tung ziehen.

Sascha besucht eine HTL. Nach Aus­sa­ge einer Leh­re­rin, die als Zeu­gin gehört wur­de, fiel er zwar durch mili­ta­ris­ti­sches Auf­tre­ten auf, indem er z.B. Camou­fla­ge-Klei­dung trug und gro­ßen Wert auf Dis­zi­plin und Orga­ni­sa­ti­on leg­te. Er sei aber tech­nisch begabt und moti­viert, die Schu­le abzu­schlie­ßen. Es wer­den Pas­sa­gen aus einem Eng­li­sch­auf­satz zitiert, in denen er aus­drückt, dass er stolz auf den Besitz eines Stahl­helms und einer Gas­mas­ke sei. Es wird erwähnt, dass er ein­mal ein Mes­ser mit in die Schu­le gebracht habe, das ihm abge­nom­men wer­den muss­te. Ein Klas­sen­kol­le­ge erzähl­te der Leh­re­rin, dass der Ange­klag­te Waf­fen zu Hau­se habe, was aber nicht veri­fi­ziert wer­den konnte.

Aus­lö­ser für die Ankla­ge in drei Punk­ten war eine Unter­richts­stun­de bei der als Zeu­gin gela­de­nen Leh­re­rin, die dem Ange­klag­ten durch­aus posi­tiv geson­nen war und ihr Bes­tes tat, um den Jugend­li­chen nicht vor­zu­ver­ur­tei­len. Vor dem Tag der offe­nen Tür an der Schu­le bat sie die Klas­se wäh­rend ihres Unter­richts, „die Schu­le wür­dig zu ver­tre­ten“. Sascha fühl­te sich durch die­se Aus­sa­ge pro­vo­ziert, da ja bekannt sei, dass es sich bei die­ser Klas­se um eine „schlim­me Klas­se“ hand­le, und er stell­te die Aus­sa­ge in den Raum, dass sie die „Besu­cher nie­der­ma­chen“ wür­den, beglei­tet von der pan­to­mi­mi­schen und laut­li­chen Dar­stel­lung eines Maschi­nen­ge­wehrs. Die­ser Vor­fall führ­te zu einer Anzei­ge bei der Poli­zei wegen gefähr­li­cher Dro­hung mit Bit­te um Poli­zei­schutz und in wei­te­rer Fol­ge zu einer Aus­wer­tung sei­ner Han­dy­da­ten mit dar­auf fol­gen­der Haus­durch­su­chung, aus der sich die Ankla­ge­punk­te gemäß § 3g Ver­bots­ge­setz und § 207a Abs.3, por­no­gra­fi­sche Dar­stel­lung Min­der­jäh­ri­ger, ergab – neben der Anzei­ge wegen gefähr­li­cher Drohung.

Sascha hat­te über Whats­App in zumin­dest zwölf Fäl­len Bil­der ver­sandt, die das Nazi­re­gime und Hit­ler als Per­son ver­herr­li­chen und anti­se­mi­ti­sche und asyl­wer­ber­feind­li­che Inhal­te ver­tra­ten. Zusätz­lich fand die Poli­zei auf sei­nem Han­dy por­no­gra­fi­sche Dar­stel­lun­gen Min­der­jäh­ri­ger, die nach Ansicht der Staats­an­walt­schaft über das nor­mal akzep­ta­ble Inter­es­se eines Her­an­wach­sen­den an Sexua­li­tät hin­aus­gin­gen. (In die­sem Punkt wur­de die Öffent­lich­keit von der Ver­hand­lung ausgeschlossen.)

Begrün­det wur­de die Ver­sen­dung ver­het­zen­der Inhal­te mit einem „unkon­trol­lier­ten Hass gegen Aus­län­der“, da die­se Öster­rei­chern gegen­über immer bevor­zugt wür­den. Auch in der Schu­le sei­en es die Schü­ler mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, die immer Unru­he stif­te­ten, denen aber nie etwas pas­sie­ren wür­de, wäh­rend er selbst immer für alles, was er tat, zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wür­de. Im gegen­ständ­li­chen Fall ver­ste­he er abso­lut nicht, war­um ihm bei der Haus­durch­su­chung „alles, was mich inter­es­siert“, weg­ge­nom­men wurde.

Eine Befra­gung sei­nes Betreu­ers im Rah­men der Jugend­in­ten­siv­be­treu­ung und der Sozi­al­ar­bei­te­rin der Kin­der- und Jugend­hil­fe ergibt ein nicht unbe­kann­tes Bild: Dem jun­gen Mann fehlt ein väter­li­ches Vor­bild, da sein Vater schon früh ver­stor­ben ist. Er lebt mit sei­ner Mut­ter und sei­ner Schwes­ter und deren Kind in einem Haus­halt in einer länd­li­chen Gemein­de. Die Sozi­al­ar­bei­te­rin attes­tiert mul­ti­ple Belas­tun­gen in der Familienstruktur.

Im Lich­te die­ser per­sön­li­chen Vor­aus­set­zun­gen müs­sen wir jetzt wie­der auf die Ver­tei­di­gungs­li­nie des recht­li­chen Ver­tre­ters des Jugend­li­chen zurück­kom­men. Er erwähnt die von Regie­rungs­sei­te vor­ge­schla­ge­ne Bestel­lung eines Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts­rich­ters mit rechts­extre­mem Hin­ter­grund, die zurück­ge­zo­gen wur­de; die Lie­der­buch-Affä­re; die Anpö­be­lung und Ver­leum­dung eines afgha­ni­schen Asyl­wer­bers, der als Lehr­ling zu Unrecht einer Nähe zu ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gun­gen ver­däch­tigt wur­de; den Pin­ka­fel­der FPÖ-Gemein­de­ver­tre­ter, der sei­ne Ras­se und das Blut sei­ner Ahnen schüt­zen woll­te; die stei­ri­sche FPÖ-Abge­ord­ne­te, die wegen Ver­het­zung ver­ur­teilt wur­de. Er nennt kei­ne Namen, aber er benennt die Par­tei: FPÖ.

Die Geschwo­re­nen neh­men ihren Auf­trag ernst. Nach vier­stün­di­ger Bera­tung ergeht ihr Urteil: Schul­dig in Punkt 1 der Ankla­ge: Ver­het­zung und Wie­der­be­tä­ti­gung. Schul­dig in Punkt 2: Por­no­gra­fi­sche Dar­stel­lung Min­der­jäh­ri­ger. Frei­spruch in Punkt 3: Gefähr­li­che Dro­hung, da die bewuss­te Absicht nicht vor­han­den war.

Das rechts­kräf­ti­ge Urteil ergibt zehn Mona­te bedingt auf drei Jah­re, mit der Auf­la­ge einer Wei­ter­füh­rung der Jugend­in­ten­siv­be­treu­ung, einer Psy­cho­the­ra­pie, und einer Bewäh­rungs­hil­fe. Dass die­ses Urteil nicht ganz im Sin­ne des Ange­klag­ten ist, zeigt eine vom Bericht­erstat­ter auf­ge­schnapp­te Bemer­kung wäh­rend der Pau­se: „Wenn das mit der Bewäh­rungs­hil­fe durch­geht, hab ich ja jeden Tag irgend­ei­nen Termin.“

Die FPÖ saß lei­der nicht mit auf der Anklagebank.

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