Wiener Neustadt: Verbotsprozess mit und ohne FPÖ

Zu dem Schwurg­ericht­sprozess gegen den Jugendlichen, der am 26. Sep­tem­ber wegen Wieder­betä­ti­gung, gefährlich­er Dro­hung und pornografis­ch­er Darstel­lung Min­der­jähriger beim Lan­des­gericht Wiener Neustadt stat­tfand, haben wir einen sehr inter­es­san­ten Kor­re­spon­den­ten­bericht erhal­ten. Nach Ansicht der Vertei­di­gung hätte eigentlich auch die FPÖ auf der Anklage­bank Platz nehmen müssen. Da wollen wir nicht widersprechen.

 

Die Poli­tik der Zeit ist das Vor­bild für die heutige Jugend

Mit dieser Grun­daus­sage bat der Vertei­di­ger die Geschwore­nen im Prozess gegen Sascha, geboren 2001, darum, bei ihrer Urteils­find­ung „die Kirche im Dorf“ und Milde wal­ten zu lassen. Wenn einem jun­gen Men­schen Tag für Tag vorgelebt werde, dass recht­sex­tremes Ver­hal­ten in Ord­nung sei, dürfe man nicht den Jugendlichen dafür zur Ver­ant­wor­tung ziehen.

Sascha besucht eine HTL. Nach Aus­sage ein­er Lehrerin, die als Zeu­g­in gehört wurde, fiel er zwar durch mil­i­taris­tis­ches Auftreten auf, indem er z.B. Cam­ou­flage-Klei­dung trug und großen Wert auf Diszi­plin und Organ­i­sa­tion legte. Er sei aber tech­nisch begabt und motiviert, die Schule abzuschließen. Es wer­den Pas­sagen aus einem Englis­chauf­satz zitiert, in denen er aus­drückt, dass er stolz auf den Besitz eines Stahlhelms und ein­er Gas­maske sei. Es wird erwäh­nt, dass er ein­mal ein Mess­er mit in die Schule gebracht habe, das ihm abgenom­men wer­den musste. Ein Klassenkol­lege erzählte der Lehrerin, dass der Angeklagte Waf­fen zu Hause habe, was aber nicht ver­i­fiziert wer­den konnte.

Aus­lös­er für die Anklage in drei Punk­ten war eine Unter­richtsstunde bei der als Zeu­g­in gelade­nen Lehrerin, die dem Angeklagten dur­chaus pos­i­tiv geson­nen war und ihr Bestes tat, um den Jugendlichen nicht vorzu­verurteilen. Vor dem Tag der offe­nen Tür an der Schule bat sie die Klasse während ihres Unter­richts, „die Schule würdig zu vertreten“. Sascha fühlte sich durch diese Aus­sage provoziert, da ja bekan­nt sei, dass es sich bei dieser Klasse um eine „schlimme Klasse“ han­dle, und er stellte die Aus­sage in den Raum, dass sie die „Besuch­er nie­der­ma­chen“ wür­den, begleit­et von der pan­tomimis­chen und laut­lichen Darstel­lung eines Maschi­nengewehrs. Dieser Vor­fall führte zu ein­er Anzeige bei der Polizei wegen gefährlich­er Dro­hung mit Bitte um Polizeis­chutz und in weit­er­er Folge zu ein­er Auswer­tung sein­er Handy­dat­en mit darauf fol­gen­der Haus­durch­suchung, aus der sich die Anklagepunk­te gemäß § 3g Ver­bots­ge­setz und § 207a Abs.3, pornografis­che Darstel­lung Min­der­jähriger, ergab – neben der Anzeige wegen gefährlich­er Drohung.

Sascha hat­te über What­sApp in zumin­d­est zwölf Fällen Bilder ver­sandt, die das Naziregime und Hitler als Per­son ver­her­rlichen und anti­semi­tis­che und asyl­wer­ber­feindliche Inhalte ver­trat­en. Zusät­zlich fand die Polizei auf seinem Handy pornografis­che Darstel­lun­gen Min­der­jähriger, die nach Ansicht der Staat­san­waltschaft über das nor­mal akzept­able Inter­esse eines Her­anwach­senden an Sex­u­al­ität hin­aus­gin­gen. (In diesem Punkt wurde die Öffentlichkeit von der Ver­hand­lung ausgeschlossen.)

Begrün­det wurde die Versendung ver­het­zen­der Inhalte mit einem „unkon­trol­lierten Hass gegen Aus­län­der“, da diese Öster­re­ich­ern gegenüber immer bevorzugt wür­den. Auch in der Schule seien es die Schüler mit Migra­tionsh­in­ter­grund, die immer Unruhe stifteten, denen aber nie etwas passieren würde, während er selb­st immer für alles, was er tat, zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen würde. Im gegen­ständlichen Fall ver­ste­he er abso­lut nicht, warum ihm bei der Haus­durch­suchung „alles, was mich inter­essiert“, weggenom­men wurde.

Eine Befra­gung seines Betreuers im Rah­men der Jugend­in­ten­siv­be­treu­ung und der Sozialar­bei­t­erin der Kinder- und Jugend­hil­fe ergibt ein nicht unbekan­ntes Bild: Dem jun­gen Mann fehlt ein väter­lich­es Vor­bild, da sein Vater schon früh ver­stor­ben ist. Er lebt mit sein­er Mut­ter und sein­er Schwest­er und deren Kind in einem Haushalt in ein­er ländlichen Gemeinde. Die Sozialar­bei­t­erin attestiert mul­ti­ple Belas­tun­gen in der Familienstruktur.

Im Lichte dieser per­sön­lichen Voraus­set­zun­gen müssen wir jet­zt wieder auf die Vertei­di­gungslin­ie des rechtlichen Vertreters des Jugendlichen zurück­kom­men. Er erwäh­nt die von Regierungs­seite vorgeschla­gene Bestel­lung eines Bun­desver­wal­tungs­gericht­srichters mit recht­sex­tremem Hin­ter­grund, die zurück­ge­zo­gen wurde; die Lieder­buch-Affäre; die Anpö­belung und Ver­leum­dung eines afghanis­chen Asyl­wer­bers, der als Lehrling zu Unrecht ein­er Nähe zu ter­ror­is­tis­chen Vere­ini­gun­gen verdächtigt wurde; den Pinkafelder FPÖ-Gemein­de­v­ertreter, der seine Rasse und das Blut sein­er Ahnen schützen wollte; die steirische FPÖ-Abge­ord­nete, die wegen Ver­het­zung verurteilt wurde. Er nen­nt keine Namen, aber er benen­nt die Partei: FPÖ.

Die Geschwore­nen nehmen ihren Auf­trag ernst. Nach vier­stündi­ger Beratung erge­ht ihr Urteil: Schuldig in Punkt 1 der Anklage: Ver­het­zung und Wieder­betä­ti­gung. Schuldig in Punkt 2: Pornografis­che Darstel­lung Min­der­jähriger. Freis­pruch in Punkt 3: Gefährliche Dro­hung, da die bewusste Absicht nicht vorhan­den war.

Das recht­skräftige Urteil ergibt zehn Monate bed­ingt auf drei Jahre, mit der Auflage ein­er Weit­er­führung der Jugend­in­ten­siv­be­treu­ung, ein­er Psy­chother­a­pie, und ein­er Bewährung­shil­fe. Dass dieses Urteil nicht ganz im Sinne des Angeklagten ist, zeigt eine vom Berichter­stat­ter aufgeschnappte Bemerkung während der Pause: „Wenn das mit der Bewährung­shil­fe durchge­ht, hab ich ja jeden Tag irgen­deinen Termin.“

Die FPÖ saß lei­der nicht mit auf der Anklagebank.