Die Politik der Zeit ist das Vorbild für die heutige Jugend
Mit dieser Grundaussage bat der Verteidiger die Geschworenen im Prozess gegen Sascha, geboren 2001, darum, bei ihrer Urteilsfindung „die Kirche im Dorf“ und Milde walten zu lassen. Wenn einem jungen Menschen Tag für Tag vorgelebt werde, dass rechtsextremes Verhalten in Ordnung sei, dürfe man nicht den Jugendlichen dafür zur Verantwortung ziehen.
Sascha besucht eine HTL. Nach Aussage einer Lehrerin, die als Zeugin gehört wurde, fiel er zwar durch militaristisches Auftreten auf, indem er z.B. Camouflage-Kleidung trug und großen Wert auf Disziplin und Organisation legte. Er sei aber technisch begabt und motiviert, die Schule abzuschließen. Es werden Passagen aus einem Englischaufsatz zitiert, in denen er ausdrückt, dass er stolz auf den Besitz eines Stahlhelms und einer Gasmaske sei. Es wird erwähnt, dass er einmal ein Messer mit in die Schule gebracht habe, das ihm abgenommen werden musste. Ein Klassenkollege erzählte der Lehrerin, dass der Angeklagte Waffen zu Hause habe, was aber nicht verifiziert werden konnte.
Auslöser für die Anklage in drei Punkten war eine Unterrichtsstunde bei der als Zeugin geladenen Lehrerin, die dem Angeklagten durchaus positiv gesonnen war und ihr Bestes tat, um den Jugendlichen nicht vorzuverurteilen. Vor dem Tag der offenen Tür an der Schule bat sie die Klasse während ihres Unterrichts, „die Schule würdig zu vertreten“. Sascha fühlte sich durch diese Aussage provoziert, da ja bekannt sei, dass es sich bei dieser Klasse um eine „schlimme Klasse“ handle, und er stellte die Aussage in den Raum, dass sie die „Besucher niedermachen“ würden, begleitet von der pantomimischen und lautlichen Darstellung eines Maschinengewehrs. Dieser Vorfall führte zu einer Anzeige bei der Polizei wegen gefährlicher Drohung mit Bitte um Polizeischutz und in weiterer Folge zu einer Auswertung seiner Handydaten mit darauf folgender Hausdurchsuchung, aus der sich die Anklagepunkte gemäß § 3g Verbotsgesetz und § 207a Abs.3, pornografische Darstellung Minderjähriger, ergab – neben der Anzeige wegen gefährlicher Drohung.
Sascha hatte über WhatsApp in zumindest zwölf Fällen Bilder versandt, die das Naziregime und Hitler als Person verherrlichen und antisemitische und asylwerberfeindliche Inhalte vertraten. Zusätzlich fand die Polizei auf seinem Handy pornografische Darstellungen Minderjähriger, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft über das normal akzeptable Interesse eines Heranwachsenden an Sexualität hinausgingen. (In diesem Punkt wurde die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen.)
Begründet wurde die Versendung verhetzender Inhalte mit einem „unkontrollierten Hass gegen Ausländer“, da diese Österreichern gegenüber immer bevorzugt würden. Auch in der Schule seien es die Schüler mit Migrationshintergrund, die immer Unruhe stifteten, denen aber nie etwas passieren würde, während er selbst immer für alles, was er tat, zur Verantwortung gezogen würde. Im gegenständlichen Fall verstehe er absolut nicht, warum ihm bei der Hausdurchsuchung „alles, was mich interessiert“, weggenommen wurde.
Eine Befragung seines Betreuers im Rahmen der Jugendintensivbetreuung und der Sozialarbeiterin der Kinder- und Jugendhilfe ergibt ein nicht unbekanntes Bild: Dem jungen Mann fehlt ein väterliches Vorbild, da sein Vater schon früh verstorben ist. Er lebt mit seiner Mutter und seiner Schwester und deren Kind in einem Haushalt in einer ländlichen Gemeinde. Die Sozialarbeiterin attestiert multiple Belastungen in der Familienstruktur.
Im Lichte dieser persönlichen Voraussetzungen müssen wir jetzt wieder auf die Verteidigungslinie des rechtlichen Vertreters des Jugendlichen zurückkommen. Er erwähnt die von Regierungsseite vorgeschlagene Bestellung eines Bundesverwaltungsgerichtsrichters mit rechtsextremem Hintergrund, die zurückgezogen wurde; die Liederbuch-Affäre; die Anpöbelung und Verleumdung eines afghanischen Asylwerbers, der als Lehrling zu Unrecht einer Nähe zu terroristischen Vereinigungen verdächtigt wurde; den Pinkafelder FPÖ-Gemeindevertreter, der seine Rasse und das Blut seiner Ahnen schützen wollte; die steirische FPÖ-Abgeordnete, die wegen Verhetzung verurteilt wurde. Er nennt keine Namen, aber er benennt die Partei: FPÖ.
Die Geschworenen nehmen ihren Auftrag ernst. Nach vierstündiger Beratung ergeht ihr Urteil: Schuldig in Punkt 1 der Anklage: Verhetzung und Wiederbetätigung. Schuldig in Punkt 2: Pornografische Darstellung Minderjähriger. Freispruch in Punkt 3: Gefährliche Drohung, da die bewusste Absicht nicht vorhanden war.
Das rechtskräftige Urteil ergibt zehn Monate bedingt auf drei Jahre, mit der Auflage einer Weiterführung der Jugendintensivbetreuung, einer Psychotherapie, und einer Bewährungshilfe. Dass dieses Urteil nicht ganz im Sinne des Angeklagten ist, zeigt eine vom Berichterstatter aufgeschnappte Bemerkung während der Pause: „Wenn das mit der Bewährungshilfe durchgeht, hab ich ja jeden Tag irgendeinen Termin.“
Die FPÖ saß leider nicht mit auf der Anklagebank.