Im Interview mit Armin Wolf nennt Norbert Hofer VdB mehrmals einen Kommunisten. Als Wolf ihn fragt „Warum machen Sie das“, holt Hofer zu einer langatmigen Erklärung aus, die bezeichnenderweise mit der Flucht der Eltern von VdB vor den Kommunisten beginnt. Ursula Stenzel und andere Freiheitliche hatten da schon vorher die Eltern von VdB ins Nazi-Eck gerückt. Völlig falsch und wahrheitswidrig, aber laut. Für Hofer reicht es daher aus zu erzählen: „Seine Eltern sind von den Kommunisten geflohen ins, ins Deutsche Reich. Er hat dann kommunistisch gewählt.“
In diesen zwei Hofer-Sätzen ist alles drinnen, was Blaue über VdB erzählen möchten: die Lüge von den Nazi-Eltern und die Lüge vom Kommunisten VdB. Für Rechte ist das die Geschichte vom Sohn, der seine Eltern verrät, für Linke soll damit der Sohn, der die angebliche Nazi-Vergangenheit seiner Eltern verschweigt, angepatzt und für alle anderen soll damit der „Wechselbalg“ VdB vorgeführt werden. Ein echter Hofer!
Aber damit nicht genug. Hofer, der in der ersten Wahlkampfphase VdB als „faschistischen grünen Diktator“ bezeichnet und diese Beschimpfung nie zurückgenommen hat, holt im ZIB 2‑Interview noch weiter aus, um VdB als Kommunisten zu denunzieren. Er bezieht sich dabei nicht bloß auf dessen Erinnerung, vor rund 50 Jahren bei einer Gemeinderatswahl aus Frust einmal die KPÖ gewählt zu haben, sondern wärmt ein Gerücht auf, das auch schon mehr als 30 Jahre alt ist: „Und es gibt auch ein interessantes Buch vom ehemaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, wo er genau diese Verbindungen, Kommunismus, Peter Pilz, Van der Bellen auch aufzeigt. Und das kann man nicht wegwischen.“ (Norbert Hofer in ZIB2, 16.11.16)
Das Buch stammt aus dem Jahr 2000, wurde vom früheren Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Michael Sika, verfasst und trägt den Titel „Mein Protokoll“. In einem einzigen Absatz beschreibt Sika, dass Anfang der 1980er-Jahre Peter Pilz damals als Sozialwissenschafter an einem Projekt über Rüstungskonversion, also dem Umstieg von Waffen- auf Zivilprodukte mitgearbeitet hat, das in einem Teil von Alexander Van der Bellen betreut wurde. Sika erwähnt auch, dass „Abgeordnete nicht ausschließen wollten, dass es [das Projekt, Anmk. SdR] nachrichtendienstliche Interessen verfolge” (S. 152). Es gab Anfang der 1980er-Jahre tatsächlich in der ÖVP-Abgeordnete wie den Industriellen Leopold Helbich, die im Versuch von Rüstungskonversion schon ein kommunistisches Projekt und in Peter Pilz einen kommunistischen Spion sehen wollten. Der Kalte Krieg war noch in einigen Köpfen konserviert.
Sika, ein (v)erbitterter Feind aller Grünen und Linken, resümiert jedenfalls in seinem geschwätzigen Büchlein: „Wie dem auch sei, Beweise für eine nachrichtendienstliche Tätigkeit des Friedenszentrums konnten damals nicht erbracht werden. Es blieb, wie in den meisten Fällen, beim Verdacht, der freilich einen schalen Nachgeschmack hinterließ.“ Diesen schalen Nachgeschmack wollte nach Erscheinen des Buches ausgerechnet Martin Graf, der FPÖ-Rechtsausleger, noch einmal auskosten und stellte 2001 eine parlamentarische Anfrage an den ÖVP-Innenminister Ernst Strasser, in der er den kompletten Absatz aus Sikas Buch zitierte – allerdings ohne Sikas Resümee samt Nachgeschmack.
Die Antwort Strassers auf die denunziatorischen Fragen von Martin Graf fiel sehr eindeutig aus. Der Innenminister der schwarzblauen Koalition wollte den Anwürfen und Untergriffen von Graf (etwa in Frage 3) nicht folgen und antwortete auf die Unterstellung von Stasi-Kontakten durch Peter Pilz (und in der Konsequenz auch VdB) mit einem dreifachen glatten Nein.
2016 wärmt Norbert Hofer in denunziatorischer Absicht das Gerücht neuerlich auf und unterstellt, dass das Buch von Sika „genau diese Verbindungen, Kommunismus, Peter Pilz, Van der Bellen“ aufgezeigt habe. Das Gegenteil ist der Fall: Sika hat ein Gerücht aufgewärmt, es letztendlich als unbewiesen beiseite gelegt, Strasser hat es 2001 begraben. Warum gräbt Hofer 2016 das längst widerlegte Gerücht noch einmal aus? Nicht nur, weil es ihm wunderbar in sein Wahlkampfkonzept passt, VdB als Extremisten („faschistischer grüner Diktator“, „Kommunist“) zu denunzieren, sondern weil ihm Armin Wolf eine Frage nach seinem Büroleiter gestellt hat, der Hofer unbedingt ausweichen wollte.