Die Publikation fußt auf einem am Wiener Institut für Konfliktforschung angesiedelten, ländervergleichenden Projekt. Die Zeithistorikerinnen Helga Amesberger und Brigitte Halbmayr bereiten in einem einleitenden Beitrag die theoretischen und begrifflichen Grundlagen der Studie auf. Auf dieser Basis erörtern die folgenden (Gast-)Beiträge die Situation in fünf Ländern anhand dort aktiver Parteien: Frankreich (Front National/FN), Italien (Alleanza Nazionale/AN), Slowakei (Slovenská Národná Strana/Slowakische Nationalpartei/SNS), Tschechien (Republikánská Strana Československa/Republikanische Partei der Tschechoslowakei/SPR-RSČ) und Österreich (FPÖ). Abschließend vergleichen die Herausgeberinnen die Situation in den einzelnen Ländern und ziehen „Konsequenzen für die (Frauen-)Politik – Gegenstrategien zum Rechtsextremismus“. Die Beiträge zu Frankreich und zur Slowakei sind auf Englisch abgefasst, die restlichen auf Deutsch.
Positiv hervorzuheben sind bereits die Einbindung zwei mittelosteuropäischer Fallstudien zu einer Zeit (vor der EU-Osterweiterung), als die Rechtsextremismusforschung in den EU-Ländern diesem Raum noch wenig Beachtung schenkte. Während dieser Umstand sich inzwischen doch geändert hat, ist ein weiterer Missstand nach wie vor gegeben: der Männerüberhang im Forschungsfeld. Hier setzt das Buch mit neun Frauen unter zehn StudienautorInnen bzw. ‑mitarbeiterInnen einen erfreulichen Kontrapunkt.
Die einzelnen Beiträge weisen eine einheitliche Struktur auf, was LeserInnen den eigenständigen Vergleich erheblich erleichtert: zunächst wird die jeweilige Partei hinsichtlich ihrer Geschichte, ideologischen Verortung, WählerInnen und Strukturen vorgestellt und dabei auch (über die Auseinandersetzung mit den von ihnen vorgefunden politischen „opportunity structures“) im größeren Kontext ihres gesellschaftlichen und politischen Umfelds verortet. Danach werden Daten zum Anteil von Frauen an WählerInnen, KandidatInnen und FunktionärInnen der Partei vorgestellt. Über die bloße Interpretation quantitativer Daten hinaus liefern die Beiträge auch eine Analyse der Parteiprogramme unter besonderer Berücksichtigung frauenpolitischer Aspekte. Informative Tabellen runden die Darstellung ab und verleihen den Analysen Erdung in harten Daten.
Der abschließenden Zusammenschau über die behandelten Fälle ist zu entnehmen, dass alle fünf Parteien stärker von Männern gewählt werden, wobei das Ausmaß das „gender gap“ erheblich differiert. Bestätigung findet die Vorannahme, dass die von den Parteien vertetenen Rollenbilder – trotz einer gewissen Modernisierung – „im Prinzip der biolog(isti)schen Argumentation verhaftet bleiben“ (S. 414). Rollen und geschlechtliche Arbeitsteilung werden von ihnen naturaliert – wobei Amesberger/Halbmayr festhalten, dass entsprechende Zugänge auch in (konservativen) Mitte-Parteien anzutreffen seien.
Einig sind die behandelten Parteien sich auch in der Propagierung eines konservativen Familienmodells unter Verteidigung der männlichen Ernährerrolle. Zum Teil würden dabei familien- mit bevölkerungspolitischen Erwägungen verknüpft – mehr „eigene“ Kinder sollen den Fortbestand der „autochthonen“ Gemeinschaft sichern. Überraschen mag der Befund, dass Frauen, die einem traditionellen Rollenverständnis anhängen, keine überdurchschnittliche FPÖ-Affinität hegen. Dies, obwohl die FPÖ mit den anderen untersuchten Parteien eine antifeministische Grundausrichtung teilt.
Eindrücklich geschildert wird die für den Rechtsextremismus typische Gleichsetzung von Frauen- und Familienpolitik. „Über Frauen wird nur als Ehefrauen und Mütter gesprochen.“ (S. 416) Gleichzeitig ließen zumindest einzelne Parteien ein verstärktes Bemühen um Wählerinnen erkennen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund würden Kandidatinnen bzw. Funktionärinnen verschiedentlich auch eingesetzt, um den üblicherweise „rauen, männlichen, aggressiven“ politischen Stil des Rechtsextremismus zu konterkarieren und ihn so für weibliche Stimmberechtigte attraktiver zu machen (S. 418). Der angesprochene Stil scheine Frauen als Wählerinnen auf Distanz zu halten – was auch erkläre, weshalb trotz geringer Geschlechterunterschiede auf der Einstellungsebene im Stimmverhalten häufig eine erhebliche Schieflage feststellbar sei. Die Motivation für Frauen, rechtsextreme Parteien zu wählen, unterscheide sich nämlich kaum von jener der Männer: geschlechtsübergeifend seien nationalistische und rassistische Einstellungen maßgebliche Motive.
Auch wenn inzwischen aktuellere Publikationen mit ähnlicher Themenstellung vorliegen (wie etwa diese online zugängliche, kompakte Broschüre der Amadeu-Antonio-Stiftung, bietet das Buch auch heute noch eine informative Lektüre nicht nur zu Geschlechteraspekten rechtsextremer Politik, sondern auch Aufschlüsse über andere soziostrukturelle, ideologische und polit-stilistische Merkmale des Rechtsextremismus.
Linktipp: Forschungsnetzwerk Frauen und Rechtsextremismus.