Für rassistische Hetze ist kein Argument zu dumm. Das zeigt zum wiederholten Mal ein rassistisches Hetzmail, das seit Februar 2015 kursiert: „Wird in Österreich von einer österreichischen Krankenkasse einer Muslime eine Kur genehmigt, so hat automatisch der Ehemann das Recht, mit zu gehen“, behaupten unbekannte Hetzer. Und quasi zur „Erläuterung“: „Aufgrund ihres Glaubens, [sic!] dürfen Muslime nicht ohne Begleitung ihres Gatten kuren“, so das Hassmail. Dann noch scheinbar beschwichtigend: „Nichts dagegen, wenn /solange er es selbst bezahlt, nur tun sie das eben nicht!“

Werden von österreichischen Krankenkassen also wirklich Menschen auf Grund ihrer Religion besser behandelt als andere? Selbstverständlich nicht.
Es beginnt schon beim Grundsätzlichen: Auf sogenannte „Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit“, wie Kuren im Gesetzessprech heißen, gibt es keinen Rechtsanspruch. Sie sind, im Unterschied zu den Pflichtleistungen wie Krankenhilfe oder Krankengeld, auf die Versicherte einen Rechtsanspruch haben, eine sogenannte Pflichtaufgabe der Versicherungsträger. Diese Pflichtaufgaben haben die Versicherungsträger „unter Bedachtnahme auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit zu erfüllen“ (§155 ASVG). Angesichts der angespannten Budgetlage der Kassen werden in den meisten Gebietskrankenkassen seit über zehn Jahren keine Reisekosten mehr für Kuraufenthalte im eigentlichen Sinn übernommen. Schon allein aus diesem Grund ist die im Hassmail aufgestellte Behauptung falsch.
Sie ist aber auch falsch, weil die (Reise-) Kostenübernahme für eine Begleitperson nur nach Maßgabe des Gesetzes aus medizinischen Gründen erfolgen kann. Das heißt: Unter bestimmten Umständen könnte eine derartige Unterstützung erfolgen: wenn etwa eine dauernde Pflege und Betreuung nötig ist, die in der jeweiligen Einrichtung nicht geleistet werden kann. Diese Situation tritt logischerweise so gut wie nicht ein, da Kureinrichtungen auf Pflege und Betreuung in der Regel eingerichtet sind. Obligatorisch ist die Unterbringung von Begleitpersonen ausschließlich bei Kindern, für die es jedoch so gut wie keine Kuren gibt.
Die im Hassmail erhobene Behauptung ist definitiv falsch und nicht nur gesetzlich, sondern auf Grund der Budgetprobleme der Krankenkassen auch praktisch ausgeschlossen. Gerade deshalb ist das Mail aber auch besonders perfid: Alle Menschen, die auf Kuren angewiesen sind, mussten in den letzten zehn Jahren die Kostenerhöhungen (in diesem Fall durch die Hintertür) erleben und sich darüber ärgern. Die Behauptung, dass eine ganz bestimmte Gruppe, wie es das Hassmail nahelegt, tatsächlich anders behandelt wird als andere, trifft also einen emotionalen wunden Punkt. Kurz: Das Hassmail zielt darauf ab, den ärgerlichen wunden Punkt zu aktivieren, ehe das Gehirn einsetzen kann.
Wir haben auch noch bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft nachgefragt, denn schließlich gibt es im Koran tatsächlich Passagen, die – wortwörtlich interpretiert – so verstanden werden könnten, dass Frauen nur in Begleitung ihrer Männer das Haus verlassen dürfen. Die kurze Antwort war: „So ein Blödsinn!“ Auf Nachfrage wurde uns dann erklärt, dass bisher niemand – weder Versicherte, noch Versicherung – um eine entsprechende Interpretation des Koran gebeten hätte, ja die in dem Mail erhobene Behauptung nicht einmal bekannt war.
➡️ So lügen die Rechten (I): Die Lüge vom niederösterreichischen Asylheim