Ausgerechnet ein Grüner verteidigt das Recht auf Privatsphäre, das auch für eine blaue Politikerin gelten muss? Die blauen Poster in den diversen Foren von Facebook sind kurzfristig etwas irritiert, dann besinnen sie sich auf ihre angestammte Rolle und beklagen die Frau als Opfer der politischen Gegner. Dass kein Tag vergeht, an dem nicht irgendwo auf Facebook von einem Blauen der Wiener Bürgermeister als ewiger Trunkenbold verhöhnt wird, kommt ihnen dabei nicht in den Sinn. Dabei sollte für alle gelten, was Steinhauser einfordert: „Über den Durst trinken ist nicht gesund und klug – das wissen wir alle – aber jedenfalls auch nicht gesetzwidrig. Das soll und muss jeder/jede mit sich ausmachen.“ Es gilt aber auch dieser Satz von Steinhauser: „Es wäre jedenfalls ein Witz, wenn die Chefin der FPÖ-Gänserndorf zurücktreten müsste bzw. würde, aber ihr rassistischer Parteikollege Höbart („Asylwerber sind Erd- und Höhlenmenschen“) weiter bleiben darf.“
Zurück zum Video: Es zeigt, wie eine Person aus einem ruhenden PKW heraus die alkoholisierte Frau filmt. Dann bewegt sich der PKW langsam vorwärts (dabei wird weiter gefilmt), der PKW überholt die Frau, wird geparkt, und in der Folge bewegt sich der Fahrer zu Fuß und filmend auf die betrunkene Frau und ihren Begleiter zu und bietet „Hilfe“ an (seine Stimme wird dabei ausgeblendet). Klar ist aus dem Ablauf: Dem Filmer, der anonym bleiben will, geht es nicht um Hilfe, sondern um Bloßstellung der Frau. In einer kurzen Sequenz schwenkt die Kamera über die Armatur des PKW. Dabei sind auch zwei Stofftiere erkennbar: Es sind anscheinend die bei blauen Fans sehr beliebten HC-Bären.
Der Fahrer ein Fan von HC Strache, der die Stadtparteivorsitzende durch ein Video bloßstellt? Ist sogar sehr gut denkbar, denn die FPÖ Stadtpartei von Gänserndorf hat gerade einige aufregende Wochen mit Spaltung und Parteiaustritten hinter sich. Im Oktober trat die gesamte FPÖ-Fraktion im Gänserndorfer Gemeinderat aus der Partei aus, wenige Tage später wurde Sabine S. zur Stadtparteivorsitzenden gewählt. Die Ausgetretenen, die ihre Mandate behalten, wollen bei den Gemeinderatswahlen am 25. Jänner als Bürgerliste antreten. Die FPÖ, die bisher mit fünf Mandaten im Gemeinderat vertreten war, muss zur Wahl ohne ein einziges Mandat im Gemeinderat antreten.
Hässlich und hellbraun, aber beliebt bei Blauen: der HC-Bär
Dementsprechend schlecht ist die Stimmung zwischen den blauen Kontrahenten, die sich gegenseitig vorwerfen, aus der Stadtpartei einen Familienbetrieb gemacht zu haben. Wie so oft bei den Blauen sind keine politischen Bruchlinien erkennbar. Der Streit dürfte tatsächlich in erster Linie um Pfründe und Posten getobt haben. Innerparteilich ist der Streit entschieden, aber die nächsten Wochen geben den Ausschlag, wer bei den Wahlen die Nase vorn haben wird. Da kann so ein Video wichtige Punkte bringen. Das ist jedenfalls auch ein Aspekt.