Schwangerschaften der in Industriebetrieben, aber auch in der Landwirtschaft eingesetzten Zwangsarbeiterinnen waren für das NS-Regime ein großes Problem. Ökonomisch betrachtet „unterliefen schwangere und stillende Frauen die Politik des ‚Arbeitseinsatzes’, die auf maximale Ausbeutung der Arbeitskraft ausgerichtet war. Geburten und Kleinkinder verursachten zudem zusätzliche Kosten“ (Gabriella Hauch, Nationalsozialismus – Zwangsarbeit – Weiblich).
Bevölkerungspolitisch waren Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die nicht der NS-Rassenideologie entsprachen, ohnehin unerwünscht. Die Spitzen des NS-Regimes schwankten, wie mit dem Problem der „fremdvölkischen“ Kinder umzugehen sei: Es gab pragmatische Lösungen wie das Heimschicken der schwangeren Frauen bis hin zur Forcierung von Zwangsabtreibungen.
August Eigruber, Gauleiter des Gaus Oberdonau (Oberösterreich), ein besonders strammer Nazi, drängte den Chef der SS, Heinrich Himmler, zu einer klaren Lösung. Die Historikerin der Universität Linz, Gabrielle Hauch, hat sich mit diesem wenig beforschten Aspekt der NS-Herrschaft beschäftigt (1) und dabei auch die Vorreiterrolle des Gaus Oberdonau, in dem die ersten „fremdvölkischen Kinderheime“ eingerichtet wurden, herausgearbeitet.
Nach Hauch wurden in Oberösterreich bisher dreizehn derartige Einrichtungen identifiziert, in denen die Kleinkinder von Zwangsarbeiterinnen unter katastrophalen Bedingungen dahinvegetieren bnzw. sterben mussten:
Zum Beispiel „Waldschlössel“ in Gattern Nr. 22 bei Schärding.1 24 Eine überzeugte Nationalsozialistin stellte der NSV den ersten Stock ihres nicht in Betrieb befindlichen Gasthauses zur Verfügung und genehmigte dem „Fremdvölkischen die Nationalsozialisten vor rund 70 Jahren“ die Benützung der Küche. Nicht viel später zog sie mit ihrem kleinen Sohn aus. Alle 30–40 in einem Raum untergebrachten Babys waren krank und sie fürchtete um die Gesundheit ihres Buben. In einem Brief an die NSV formulierte sie ihr Entsetzten über die im fremdvölkischen Kinderheim herrschenden Zustände: „so etwas rachitisches und krankes habe ich noch nie gesehen“. Auch die notwendige Grundausstattung mit Babykleidung, Windeln etc. würde fehlen. (Hauch)
Nach Matthias Huber (2) starben im Schardenberger Waldschloss zumindest fünf der untergebrachten Kinder aufgrund der katastrophalen Versorgung.
1 Gabriella Hauch, Nationalsozialismus – Zwangsarbeit – Weiblich: NS-Bevölkerungs – und Sexualpolitik, S 49–58. In: Von der NS-Ostpolitik zur Europäischen Integration. Beiträge anlässlich der Tagung der ZeitzeugInnen 2002, Hrsg. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, 2003, S. 51
2 Das Schardenberger Waldschloss als „Ausländerkinder-Pflegestätte” des Dritten Reiches. In: Der Bundschuh. Schriftenreihe des Museums Innviertler Volkskundehaus. (Nr. 11) Ried i.I. 2008, S. 79 ff
➡️ Wikipedia zu den „Ausländerkinder-Pflegestätten”