Das Waldschloss in der NS-Zeit

In dem Innviertler Hotel, in dem der Neon­azi Udo Voigt am 4. Jän­ner sein Gren­z­landtr­e­f­fen mit deutschen und öster­re­ichis­chen Kam­er­aden abhielt, unter­hiel­ten die Nation­al­sozial­is­ten vor rund 70 Jahren ein „fremd­völkisches Kinder­heim“. Die vom NS-Regime beschäftigten Zwangsar­bei­t­erin­nen mussten in solchen Ein­rich­tun­gen ihre neuge­bore­nen Kinder abliefern.

Schwanger­schaften der in Indus­triebe­trieben, aber auch in der Land­wirtschaft einge­set­zten Zwangsar­bei­t­erin­nen waren für das NS- Regime ein großes Prob­lem. Ökonomisch betra­chtet, „unter­liefen schwan­gere und stil­lende Frauen die Poli­tik des „Arbeit­sein­satzes“, die auf max­i­male Aus­beu­tung der Arbeit­skraft aus­gerichtet war. Geburten und Kleinkinder verur­sacht­en zudem zusät­zliche Kosten“ (Gabriel­la Hauch, Nation­al­sozial­is­mus — Zwangsar­beit — Weiblich).

Bevölkerungspoli­tisch waren Kinder von Zwangsar­bei­t­erin­nen, die nicht der NS- Rassenide­olo­gie entsprachen, ohne­hin uner­wün­scht. Die Spitzen des NS-Regimes schwank­ten, wie mit dem Prob­lem der „fremd­völkischen“ Kinder umzuge­hen sei: es gab prag­ma­tis­che Lösun­gen wie das Heim­schick­en der schwan­geren Frauen bis hin zur Forcierung von Zwangsabtreibungen.

Es war der Gauleit­er des Gaus Ober­donau (Oberöster­re­ich), August Eigru­ber, ein beson­ders stram­mer Nazi, der den Chef der SS, Hein­rich Himm­ler, zu ein­er klaren Lösung drängte. Die His­torik­erin der Uni­ver­sität Linz, Gabrielle Hauch, hat sich mit diesem wenig beforscht­en Aspekt der NS-Herrschaft beschäftigt (Nation­al­sozial­is­mus-Zwangsar­beit-Weib­lich: NS-Bevölkerungs- und Sex­u­alpoli­tik gegen Ostar­bei­t­erin­nen und Polin­nen ) und dabei auch die Vor­re­it­er­rolle des Gaus Ober­donau, in dem die ersten „fremd­völkischen Kinder­heime“ ein­gerichtet wur­den, herausgearbeitet.

Nach Hauch wur­den in Oberöster­re­ich bish­er dreizehn der­ar­tige Ein­rich­tun­gen iden­ti­fiziert, in denen die Kleinkinder von Zwangsar­bei­t­erin­nen unter katas­trophalen Bedin­gun­gen dahin­veg­etieren bnzw. ster­ben mussten:

„Zum Beispiel „Wald­schlös­sel“ in Gat­tern Nr. 22 bei Schärding.1 24 Eine überzeugte Nation­al­sozial­istin stellte der NSV den ersten Stock ihres nicht in Betrieb befind­lichen Gasthaus­es zur Ver­fü­gung und genehmigte dem „Fremd­völkischen die Nation­al­sozial­is­ten vor rund 70 Jahren“ die Benützung der Küche. Nicht viel später zog sie mit ihrem kleinen Sohn aus. Alle 30–40 in einem Raum unterge­bracht­en Babys waren krank und sie fürchtete um die Gesund­heit ihres Buben. In einem Brief an die NSV for­mulierte sie ihr Entset­zten über die im fremd­völkischen Kinder­heim herrschen­den Zustände: „so etwas rachi­tis­ches und krankes habe ich noch nie gese­hen“. Auch die notwendi­ge Grun­dausstat­tung mit Babyk­lei­dung, Windeln etc. würde fehlen.“

Nach Matthias Huber („Das Schard­en­berg­er Wald­schloss als „Aus­län­derkinder-Pflegestätte” des Drit­ten Reich­es. In: Der Bund­schuh. Schriften­rei­he des Muse­ums Innviertler Volk­skun­de­haus. (Nr. 11) Ried i.I. 2008 S. 79 ff“) star­ben im Schard­en­berg­er Wald­schloss zumin­d­est fünf der unterge­bracht­en Kinder an den Fol­gen dieser Unter­bringung in den offiziell und zynisch „Aus­län­derkinder-Pflegestät­ten“ genan­nten Einrichtungen.

Der Beitrag von Gabriel­la Hauch ist hier zu finden.

Wiki zu den „Aus­län­derkinder-Pflegestät­ten”.