Ungarn: Jobbik für Judenzählung

Es ist so in keinem anderen europäis­chen Land denkbar: ein Abge­ord­neter meldet sich zur Geschäft­sor­d­nung und fordert in einem Antrag den Par­la­mentspräsi­den­ten auf, festzustellen, wie viele Juden im Par­la­ment und in der Regierung vertreten sind, da sich wegen der Gaza-Krise daraus ein nationales Sicher­heit­srisiko ergebe. So geschehen am Mon­tag im ungarischen Parlament.

Nach­dem der Job­bik- Abge­ord­nete Mar­ton Gyöngyösi seine skan­dalöse Wort­mel­dung been­det hat­te, passierte zunächst ein­mal – nichts! Den Vor­sitz im Par­la­mentsprä­sid­i­um führte zu diesem Zeit­punkt näm­lich ein Job­bik-Mann. Der Pester Llloyd, der aus­führlich über den Vor­fall berichtet, schreibt auch nichts von einem empörten Auszug oder ein­er son­sti­gen deut­lichen Reak­tion der anderen Frak­tio­nen auf die anti­semi­tis­che Ent­gleisung des Abge­ord­neten und die eben­so skan­dalöse Kumpanei des stel­lvertre­tenden Präsi­den­ten. Die staatlichen Medi­en – so der Lloyd – ließen den Skan­dal zunächst eben­falls „unter den Tisch fall­en“.

Erst am Dien­stag, einen Tag später, bequemte sich die ungarische Regierung zu ein­er Verurteilung „in höch­stem Maße“ — vom Par­la­mentspräsi­den­ten Köver, den die Regierungspartei Fidesz stellt, ist noch immer nichts zu hören.

Wie die ungarischen Medi­en und die Regierungspartei mit Kri­tik am anti­semi­tis­chen poli­tis­chen Kli­ma üblicher­weise umge­hen, macht ein Beitrag von Pusz­taranger deut­lich, in dem zunächst aus einem Pressege­spräch der Lit­er­aturnobel­preisträgerin Her­ta Müller bzw. ihrer Besorg­nis über die ungarischen Ver­hält­nisse zitiert und der ver­stüm­melten Wieder­gabe regierungsna­her Medi­en gegenübergestellt wird.


Mar­ton Gyöngyösi und die AFP-Akademie
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Für Dien­stag nach­mit­tags wurde zu ein­er Protes­tak­tion vor dem Par­la­ment aufgerufen: „Erlauben wir nicht die Vergif­tung des Par­la­mentes mit faschis­tis­ch­er Ide­olo­gie! Erlauben wir nicht die Wiedere­in­führung von „Juden­lis­ten” neun­zig Jahre nach den ersten Judenge­set­zen! (…) Erlauben wir den Parteien nicht, dazu zu schweigen! (…) — Jed­er ungarische Demokrat sollte einen Gel­ben Stern tragen!”

Eben­falls am Dien­stag nach­mit­tags eröffnete der stel­lvertre­tende sozial­is­tis­che Par­la­mentspräsi­dent die Par­la­mentssitzung mit einem Juden­stern am Anzug – aus Protest gegen Job­bik und aus Sol­i­dar­ität mit den Angegriffenen.


Mar­ton Gyöngyösi und der Frei­heitliche Seniorenkurier
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Der Anti­semit Gyöngyösi ist in ein­schlägi­gen Kreisen Öster­re­ichs übri­gens kein Unbekan­nter: 2010 durfte er bei der Poli­tis­chen Akademie der AFP in Offen­hausen (OÖ) über den „Weg der Ungarn zur nationalen Selb­st­bes­tim­mung“ schwätzen und schon vorher, im Jahr 2005, verkün­dete der frei­heitliche „Wiener Seniorenkuri­er“ Nr. 9 /2005 des FPÖ-Senioren­ringes, dass Gyöngyösi im Cafe Zuck­er­goscherl in Wien-Land­straße über die „katas­trophalen Auswirkun­gen der Oster­weiterung in Ungarn“ fab­u­lieren durfte. Die Schlagzeile des „Seniorenkuri­ers“ lautete damals beze­ich­nen­der­weise: „Unser Apfel fällt sich­er nicht vom Stamm“.


Anti­semit Gyöngyösi und der fal­l­ende Apfel
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