Statt jedoch nur die verkorksten Ermittlungen und die zwielichtige Politik der V‑Männer zu thematisieren, kann es in diesem Fall durchaus Sinn machen, sich mit den historischen Wurzeln des deutschen Inlandsgeheimdienstes zu beschäftigen.
Dass der Verfassungsschutz seine Feindbilder traditionell eher links statt rechts der politischen Mitte verortet, hat eine lange Tradition. Zurückführen kann man diese wohl am besten auf die personelle Besetzung zur Zeit der Gründung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) im Jahr 1950. Damals wurden etliche „Spezialisten“ auf dem Gebiet der Spionage und Spionageabwehr direkt aus dem Terrorapparat des Dritten Reiches übernommen.
Beispielsweise Albert Radke, der seit 1951 als Vizepräsident des BfV tätig war: Er diente während des Nationalsozialismus als Verbindungsoffizier des Amtes Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht. Neben der militärischen Spionage gehörte auch die Deportation der im besetzten Tschechien lebenden Juden und Jüdinnen in nationalsozialistische Konzentrationslager zu seinem Aufgabengebiet.
Auch Richard Gerken, Leiter der Abteilung IV des BfV, die für Spionageabwehr zuständig war, war im Spionageapparat der Wehrmacht tätig und für die Verfolgung und Ermordung niederländischer WiderstandskämpferInnen verantwortlich. Ende 1944 wurde er zum SS-Hauptsturmführer befördert und in das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) versetzt.
Beide waren aktiv daran beteiligt, alte „Kameraden“ in den Dienst des Verfassungsschutzes aufzunehmen. Zu ihren Günstlingen zählte beispielsweise Erich Wenger, der die Leitung der Gruppe „(Informations-)Beschaffung“ im BfV übernahm. Wenger war 1933 in die SS eingetreten und gehörte bis 1935 der „Leibstandarte Adolf Hitler“ an. Er wechselte zur Berliner Gestapo und kam vier Jahre später beim RSHA unter. Dort brachte er es ebenfalls zum SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat. Den Großteil des Krieges verbrachte er in der deutschen Botschaft im besetzten Paris, bevor er 1944 selbst ein Kommando zur Partisanenbekämpfung leiten durfte.
Erich Wenger zählte zu den Spitzenmännern des deutschen Verfassungsschutzes und wurde von seinem Kollegen Rudolf Toyka gar als „bestes Pferd im Stall“ angepriesen. Troyka wiederum war während des Krieges als Sicherheitsbeauftragter des polnischen Generalgouverneurs Hans Frank tätig. Auch er beteiligte sich in dieser Position aktiv an der Verfolgung und Ermordung von KommunistInnen, WiderstandskämpferInnen, Juden und Jüdinnen.
Dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hubert Schübbers, kann zwar keine direkte Beteiligung an Säuberungsaktionen oder dem Holocaust vorgeworfen werden, aber auch er begann seine Karriere während des Nationalsozialismus: Als ehemaliger NS-Staatsanwalt hatte er während der sogenannten „Hochverratsprozesse“ (1934–39) stets lange Freiheitsstrafen für angeklagte AntifaschistInnen gefordert.
Ein weiteres Beispiel für einen NS-„Experten“, der im Dienste des BfV unterkam, stellt der ehemalige Oberste Ermittler der „Sicherungsgruppe Bonn“, der vormalige SS-Hauptsturmführer Theodor Saevecke, dar. Er nahm mit einem Mordkommando am Überfall auf Polen teil und befehligte 1942 tunesische Juden und Jüdinnen zur Zwangsarbeit. Im August 1944 ordnete er als Gestapo-Chef von Mailand die öffentliche Erschießung von 15 Widerstandskämpfern an. Für dieses Verbrechen wurde er 1999 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt – die BRD verweigerte jedoch auch in seinem Fall eine Auslieferung.
Angesichts dieser personellen Überschneidungen zwischen dem NS-Terrorsystem und dem Verfassungsschutz der Bundesrepublik Deutschland mag es kaum verwundern, dass eben dieser seine Agitation seit je verstärkt gegen linke „Verfassungsfeinde“ führt. Währenddessen wurden und werden rechte und rechtsterroristische Gruppierungen schon immer eher verharmlost, wenn nicht gar finanziell durch das System der V‑Männer unterstützt.