Die Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer hat ihren Mitgliedern empfohlen, Speisenamen mit möglicherweise verletzenden Inhalt zu verändern. Als Beispiel dienten etwa „Mohr im Hemd“ oder das Zigeunerschnitzel: „Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass sich die Figur des Mohren in zahlreichen Firmenlogos und sich der Begriff ‚Mohr’ auch in Firmenbezeichnungen wieder findet. Die Gastronomie sollte als Branche, die sich der Gastfreundschaft verschrieben hat, hier aber mit gutem Beispiel vorangehen und auf derartige Bezeichnungen verzichten”, empfiehlt die Fachgruppe. Und: „Machen wir es zu einem Gütesiegel österreichischer Gastronomiebetriebe, dass keine beleidigenden Speisebezeichnungen mehr verwendet werden.“ Alexander Pollak, Sprecher von SOS-Mitmensch, in einer Presseaussendung dazu: „Wir sind hocherfreut, dass der Gastronomiefachverband nun in einer Empfehlung an seine Mitglieder zum Ausdruck bringt, dass es im Interesse einer traditionsbewussten Gastronomie ist, auf herabwürdigende Bezeichnungen und Firmenlogos zu verzichten.“ Mehr hat er nicht gebraucht aus Sicht der FPÖ.
Kampagnenhaft macht die FPÖ seit Bekanntwerden der WKÖ-Empfehlung mobil, und zwar gegen SOS Mitmensch und Alexander Pollak. FPÖ-Bundesrat und Landesparteisekretär Jenewein etwa kam auf die hochoriginelle Idee, in guter Tradition von Goebbels, Haider und Strache Witze über die Familiennamen seiner Zielscheibe zu machen: „Die angeblich beleidigenden Begriffe Zigeunerschnitzel und Mohr im Hemd will ausgerechnet ein Mann abschaffen, dessen Nachname klingt wie die Beschimpfung eines ganzen Volkes?”, so Jenewein zu Alexander Pollak. Und damit selbst der letzte Burschenschafter und FPÖ-Sympathisant im Alkoholrausch noch versteht, dass er witzig sein will, fügt Jenewein hinzu: „Um in seinen politisch korrekten, linken, potenziell leider sogar gewalttätigen Kreisen nicht früher oder später unter die Räder zu kommen sollte er raschest seinen Namen ändern — Alexander Mgombo etwa wäre sicher karrierefördernd.”
Mindestens ebenso niveauvoll wie Jenewein zeigte sich auch der FPÖ-Menschenrechtssprecher Riemer, der in einer Aussendung (7.3.2012) die Namen „Wiener Schnitzel”, „Frankfurter Würstchen” und „Spaghetti Puttanesca” als diskriminierend outete, um zu fordern: SOS-Mitmenschsprecher Pollak solle „seinen Namen ändern, denn ‚Pollak’ sei ein übles Schimpfwort für MenschInnen aus Polen”.
Das Stöckerl des Landesparteisekretärs aufgegriffen hat eine Woche später der siebte Zwerg von Rechts im Wiener FPÖ-Landtagsklub, Dominik Nepp. Am 15. Märzz 2012 entdeckte er eine angeblich intelligenzbeleidigende Unlogik in einer Forderung des SOS-Mitmensch-Sprechers, die Nepp aber erst selbst konstruieren muss:
Speisen wie etwa „Negerbrot” oder „Mohr im Hemd” seien böse, rassistische Begriffe, erklärt permanent und nicht minder penetrant Alexander Pollak, Sprecher des mit Steuergeld subventionierten Vereins SOS-Mitmensch. Auf die Frage eines Bürgers mit dem Namen Neger, ob er sich jetzt umbenennen lassen müsse, antwortet Pollak aber plötzlich mit „Nein!” Wiens FPÖ-Gemeinderat Dominik Nepp: „Wer soll sich da bei dem selbsternannten Sprachpolizisten Pollak noch auskennen? Er verheddert sich in seiner eigenen politischen Korrektheit. Seine Aussagen sind eine Beleidigung der Intelligenz.
Um es auf den Punkt zu bringen: Der FPÖ-Landesparteisekretär fordert den Sprecher von SOS-Mitmensch auf, seinen Namen zu ändern. Eine Woche später kommt eine andere FPÖ-Intelligenzbestie daher und kritisiert den SOS-Mitmenschsprecher, weil er einem Dritten gegenüber erklärt habe, es ginge selbstverständlich nicht darum, Familiennamen zu ändern. Da baut also wer ein Weltbild auf einem Gerücht auf, das er selbst in die Welt gesetzt hat.
Österreich, aus der Sicht der FPÖ
Der freiheitliche Nationalratshinterbänkler Höbart nutzt das von der FPÖ selbst in die Welt gesetzte Klischee der Sprachpolizei ebenfalls am 15. März 2012, um sich als standfesten Verteidiger der österreichischen Kultur zu inszenieren: „Die Bezeichnungen ‚Zigeunerschnitzel’ oder ‚Mohr im Hemd’ sind traditionelle und althergebrachte Bezeichnungen, an denen die FPÖ natürlich festhalten wird.” Und um in der Folge eine Verschwörungstheorie zu spinnen: „Anstatt sich mit solchen absurden Forderungen zu Wort zu melden, sollte man lieber die wirklichen Probleme der Österreicher angehen. Dazu gehören steigende Jugendarbeitslosigkeit, Massenzuwanderung und die Belastungen durch immer neue Steuer- und Belastungspakete der schwarz-roten Regierung. Die linken Gutmenschen wollen mit absurden Forderungen nach Wortänderungen lediglich die Bevölkerung von den wichtigen politischen Fragen der Zeit ablenken.”
Eine verschwörungstheoretische Erklärung, warum SOS-Mitmensch ein Interesse haben sollte, „die Bevölkerung von den wichtigen politischen Fragen der Zeit ablenken“ zu wollen, liefert am 16. März 2012 die wegen Verhetzung strafrechtlich verurteilte FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter: „Die ohnehin millionenschwere Asyllobby hängt auch am staatlichen Steuertropf”, behauptet Winter in einer Presseaussendung. „Bewiesen sei nunmehr klar und deutlich, dass ‚SOS Mitmensch’ durch Inserate aus öffentlicher Hand im ‚MO — Magazin für Menschenrechte’ Steuergelder lukriere“. € 9.000,- habe etwa das Sozialministerium im Jahr 2011 für Inserate („Wir sind Männer ohne Gewalt”, „Armut” sowie „Europäisches Jahr der Freiwilligkeit 2011”) an die Zeitschrift bezahlt, die von SOS-Mitmensch herausgegeben wird.
Das ist einigermaßen vorlaut für die Abgeordnete einer Partei, die im Verdacht steht, im Jahr 2003 Geldgeschenk ohne Gegenleistung angenommen zu haben (mehr als 760.000 Euro von der Agentur Rumpold, die zuvor für den Eurofighter-Konzern EADS tätig war). Aber Sachlichkeit ist nicht der FPÖ Ding: Hier geht es um zwanghaftes Hochziehen eines Nichtthemas, um das Erfinden einer Verschwörung, einer angeblichen Sprachpolizei und eines inexistenten Zwanges. Die FPÖ erfindet einen Missstand und macht sich selbst zur Jeanne d’Arc im Kampf gegen das nicht existierende Problem (oder eigentlich zum Don Quijotte, wenn der FPÖ nicht jeder Anflug von sympathischer Erscheinung, die Don Quijotte innewohnt, fehlen würde): Eine erprobte Strategie, als es gegen die Aufnahme des Wortes „Töchter“ in die Bundeshymne ging oder um das von der FPÖ erfundene Nikolo-Verbot in Kindergärten.
Gerüchte in die Welt setzen und anderen in den Mund legen, dann die selbst produzierten Gerüchte als Angriff auf die Bevölkerung „entlarven“, angeblich „Schuldige“ konstruieren und diffamieren; und schließlich möglichst oft und laut herumschreien. Üblicherweise ein Krankheitsbild, aber eben auch typische Merkmale einer FPÖ-Kampagne.