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FPÖ: Zwanghafte Erregungssymptome

Hef­ti­ge Sym­pto­me zwang­haf­ter Stö­run­gen sind bei der FPÖ zu bemer­ken: Gleich drei Aus­sen­dun­gen inner­halb von zwei Tagen wid­met die FPÖ dem Ver­ein SOS-Mit­­mensch und sei­nem Obmann. Die Argu­men­ta­ti­on der FPÖ ist dabei von einer der­ar­ti­gen Belie­big­keit und Absur­di­tät gekenn­zeich­net, dass sie eher einem Krank­heits­bild denn einer poli­ti­schen Äuße­rung ent­spricht. Eine erfun­de­ne Behaup­tung wird in die […]

18. Mrz 2012

Die Fach­grup­pe Gas­tro­no­mie der Wirt­schafts­kam­mer hat ihren Mit­glie­dern emp­foh­len, Spei­se­na­men mit mög­li­cher­wei­se ver­let­zen­den Inhalt zu ver­än­dern. Als Bei­spiel dien­ten etwa „Mohr im Hemd“ oder das Zigeu­ner­schnit­zel: „Wir sind uns der Tat­sa­che bewusst, dass sich die Figur des Moh­ren in zahl­rei­chen Fir­men­lo­gos und sich der Begriff ‚Mohr’ auch in Fir­men­be­zeich­nun­gen wie­der fin­det. Die Gas­tro­no­mie soll­te als Bran­che, die sich der Gast­freund­schaft ver­schrie­ben hat, hier aber mit gutem Bei­spiel vor­an­ge­hen und auf der­ar­ti­ge Bezeich­nun­gen ver­zich­ten”, emp­fiehlt die Fach­grup­pe. Und: „Machen wir es zu einem Güte­sie­gel öster­rei­chi­scher Gas­tro­no­mie­be­trie­be, dass kei­ne belei­di­gen­den Spei­se­be­zeich­nun­gen mehr ver­wen­det wer­den.“ Alex­an­der Poll­ak, Spre­cher von SOS-Mit­mensch, in einer Pres­se­aus­sendung dazu: „Wir sind hoch­er­freut, dass der Gas­tro­no­mie­fach­ver­band nun in einer Emp­feh­lung an sei­ne Mit­glie­der zum Aus­druck bringt, dass es im Inter­es­se einer tra­di­ti­ons­be­wuss­ten Gas­tro­no­mie ist, auf her­ab­wür­di­gen­de Bezeich­nun­gen und Fir­men­lo­gos zu ver­zich­ten.“ Mehr hat er nicht gebraucht aus Sicht der FPÖ.

Kam­pa­gnen­haft macht die FPÖ seit Bekannt­wer­den der WKÖ-Emp­feh­lung mobil, und zwar gegen SOS Mit­mensch und Alex­an­der Poll­ak. FPÖ-Bun­des­rat und Lan­des­par­tei­se­kre­tär Jene­wein etwa kam auf die hoch­o­ri­gi­nel­le Idee, in guter Tra­di­ti­on von Goeb­bels, Hai­der und Stra­che Wit­ze über die Fami­li­en­na­men sei­ner Ziel­schei­be zu machen: „Die angeb­lich belei­di­gen­den Begrif­fe Zigeu­ner­schnit­zel und Mohr im Hemd will aus­ge­rech­net ein Mann abschaf­fen, des­sen Nach­na­me klingt wie die Beschimp­fung eines gan­zen Vol­kes?”, so Jene­wein zu Alex­an­der Poll­ak. Und damit selbst der letz­te Bur­schen­schaf­ter und FPÖ-Sym­pa­thi­sant im Alko­hol­rausch noch ver­steht, dass er wit­zig sein will, fügt Jene­wein hin­zu: „Um in sei­nen poli­tisch kor­rek­ten, lin­ken, poten­zi­ell lei­der sogar gewalt­tä­ti­gen Krei­sen nicht frü­her oder spä­ter unter die Räder zu kom­men soll­te er raschest sei­nen Namen ändern — Alex­an­der Mgom­bo etwa wäre sicher karrierefördernd.”

Min­des­tens eben­so niveau­voll wie Jene­wein zeig­te sich auch der FPÖ-Men­schen­rechts­spre­cher Rie­mer, der in einer Aus­sendung (7.3.2012) die Namen „Wie­ner Schnit­zel”, „Frank­fur­ter Würst­chen” und „Spa­ghet­ti Put­ta­ne­s­ca” als dis­kri­mi­nie­rend oute­te, um zu for­dern: SOS-Mit­mensch­spre­cher Poll­ak sol­le „sei­nen Namen ändern, denn ‚Poll­ak’ sei ein übles Schimpf­wort für Men­schIn­nen aus Polen”.

Das Stö­ckerl des Lan­des­par­tei­se­kre­tärs auf­ge­grif­fen hat eine Woche spä­ter der sieb­te Zwerg von Rechts im Wie­ner FPÖ-Land­tags­klub, Domi­nik Nepp. Am 15. Märzz 2012 ent­deck­te er eine angeb­lich intel­li­genz­be­lei­di­gen­de Unlo­gik in einer For­de­rung des SOS-Mit­mensch-Spre­chers, die Nepp aber erst selbst kon­stru­ie­ren muss:

Spei­sen wie etwa „Neger­brot” oder „Mohr im Hemd” sei­en böse, ras­sis­ti­sche Begrif­fe, erklärt per­ma­nent und nicht min­der pene­trant Alex­an­der Poll­ak, Spre­cher des mit Steu­er­geld sub­ven­tio­nier­ten Ver­eins SOS-Mit­mensch. Auf die Fra­ge eines Bür­gers mit dem Namen Neger, ob er sich jetzt umbe­nen­nen las­sen müs­se, ant­wor­tet Poll­ak aber plötz­lich mit „Nein!” Wiens FPÖ-Gemein­de­rat Domi­nik Nepp: „Wer soll sich da bei dem selbst­er­nann­ten Sprach­po­li­zis­ten Poll­ak noch aus­ken­nen? Er ver­hed­dert sich in sei­ner eige­nen poli­ti­schen Kor­rekt­heit. Sei­ne Aus­sa­gen sind eine Belei­di­gung der Intelligenz.

Um es auf den Punkt zu brin­gen: Der FPÖ-Lan­des­par­tei­se­kre­tär for­dert den Spre­cher von SOS-Mit­mensch auf, sei­nen Namen zu ändern. Eine Woche spä­ter kommt eine ande­re FPÖ-Intel­li­genz­bes­tie daher und kri­ti­siert den SOS-Mit­mensch­spre­cher, weil er einem Drit­ten gegen­über erklärt habe, es gin­ge selbst­ver­ständ­lich nicht dar­um, Fami­li­en­na­men zu ändern. Da baut also wer ein Welt­bild auf einem Gerücht auf, das er selbst in die Welt gesetzt hat.


Öster­reich, aus der Sicht der FPÖ

Der frei­heit­li­che Natio­nal­rats­hin­ter­bänk­ler Höbart nutzt das von der FPÖ selbst in die Welt gesetz­te Kli­schee der Sprach­po­li­zei eben­falls am 15. März 2012, um sich als stand­fes­ten Ver­tei­di­ger der öster­rei­chi­schen Kul­tur zu insze­nie­ren: „Die Bezeich­nun­gen ‚Zigeu­ner­schnit­zel’ oder ‚Mohr im Hemd’ sind tra­di­tio­nel­le und alt­her­ge­brach­te Bezeich­nun­gen, an denen die FPÖ natür­lich fest­hal­ten wird.” Und um in der Fol­ge eine Ver­schwö­rungs­theo­rie zu spin­nen: „Anstatt sich mit sol­chen absur­den For­de­run­gen zu Wort zu mel­den, soll­te man lie­ber die wirk­li­chen Pro­ble­me der Öster­rei­cher ange­hen. Dazu gehö­ren stei­gen­de Jugend­ar­beits­lo­sig­keit, Mas­sen­zu­wan­de­rung und die Belas­tun­gen durch immer neue Steu­er- und Belas­tungs­pa­ke­te der schwarz-roten Regie­rung. Die lin­ken Gut­men­schen wol­len mit absur­den For­de­run­gen nach Wort­än­de­run­gen ledig­lich die Bevöl­ke­rung von den wich­ti­gen poli­ti­schen Fra­gen der Zeit ablenken.”

Eine ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche Erklä­rung, war­um SOS-Mit­mensch ein Inter­es­se haben soll­te, „die Bevöl­ke­rung von den wich­ti­gen poli­ti­schen Fra­gen der Zeit ablen­ken“ zu wol­len, lie­fert am 16. März 2012 die wegen Ver­het­zung straf­recht­lich ver­ur­teil­te FPÖ-Abge­ord­ne­te Susan­ne Win­ter: „Die ohne­hin mil­lio­nen­schwe­re Asyl­lob­by hängt auch am staat­li­chen Steu­er­tropf”, behaup­tet Win­ter in einer Pres­se­aus­sendung. „Bewie­sen sei nun­mehr klar und deut­lich, dass ‚SOS Mit­mensch’ durch Inse­ra­te aus öffent­li­cher Hand im ‚MO — Maga­zin für Men­schen­rech­te’ Steu­er­gel­der lukrie­re“. € 9.000,- habe etwa das Sozi­al­mi­nis­te­ri­um im Jahr 2011 für Inse­ra­te („Wir sind Män­ner ohne Gewalt”, „Armut” sowie „Euro­päi­sches Jahr der Frei­wil­lig­keit 2011”) an die Zeit­schrift bezahlt, die von SOS-Mit­mensch her­aus­ge­ge­ben wird.

Das ist eini­ger­ma­ßen vor­laut für die Abge­ord­ne­te einer Par­tei, die im Ver­dacht steht, im Jahr 2003 Geld­ge­schenk ohne Gegen­leis­tung ange­nom­men zu haben (mehr als 760.000 Euro von der Agen­tur Rum­pold, die zuvor für den Euro­figh­ter-Kon­zern EADS tätig war). Aber Sach­lich­keit ist nicht der FPÖ Ding: Hier geht es um zwang­haf­tes Hoch­zie­hen eines Nicht­the­mas, um das Erfin­den einer Ver­schwö­rung, einer angeb­li­chen Sprach­po­li­zei und eines inexis­ten­ten Zwan­ges. Die FPÖ erfin­det einen Miss­stand und macht sich selbst zur Jean­ne d’Arc im Kampf gegen das nicht exis­tie­ren­de Pro­blem (oder eigent­lich zum Don Qui­jot­te, wenn der FPÖ nicht jeder Anflug von sym­pa­thi­scher Erschei­nung, die Don Qui­jot­te inne­wohnt, feh­len wür­de): Eine erprob­te Stra­te­gie, als es gegen die Auf­nah­me des Wor­tes „Töch­ter“ in die Bun­des­hym­ne ging oder um das von der FPÖ erfun­de­ne Niko­lo-Ver­bot in Kindergärten.

Gerüch­te in die Welt set­zen und ande­ren in den Mund legen, dann die selbst pro­du­zier­ten Gerüch­te als Angriff auf die Bevöl­ke­rung „ent­lar­ven“, angeb­lich „Schul­di­ge“ kon­stru­ie­ren und dif­fa­mie­ren; und schließ­lich mög­lichst oft und laut her­um­schrei­en. Übli­cher­wei­se ein Krank­heits­bild, aber eben auch typi­sche Merk­ma­le einer FPÖ-Kampagne.

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