Wiederbetätigung pur
Die Äußerungen des FPÖ-Obmanns am WKR-Ball
Die IG Autorinnen Autoren und mit ihr der Österreichische P.E.N. Club und die Grazer Autorinnen Autorenversammlung haben sich gegen ihre sonstigen Gepflogenheiten an einer Plattform und Deklaration („Jetzt Zeichen setzen“) beteiligt, die sich gegen die Durchführung des Wiener Burschenschafterballs am Gedenktag der UNO für die Opfer des Nationalsozialismus in den Konzentrationslagern an der ersten Adresse der Repräsentationsräumlichkeiten der Republik Österreich ausgesprochen hat. Die Deklaration war mit Augenmaß verfaßt, die Kundgebung der Plattform am Heldenplatz ein Musterbeispiel an demokratischer Disziplin. Es gab bei der Kundgebung nicht einen einzigen Zwischenfall, das Verhalten der Polizei war vorbildlich. Das war offenbar nicht überall um den Ball herum der Fall, blieb jedoch auf – zwar nicht angenehme, aber doch von schweren Folgen freie – Zwischenfälle beschränkt.
Um so schlimmer fällt die Betrachtung der Ereignisse durch den FPÖ-Obmann aus, der zu einer besonders perfiden Form der Auschwitzlüge gefunden und die Burschenschaften als die neuen verfolgten Juden und Sachbeschädigungen an Burschenschafter-Buden als neue „Reichskristallnacht“ bezeichnet hat. Diese Äußerung stellt eine so große Ungeheuerlichkeit dar, daß ihr gar nicht heftig genug widersprochen werden kann.
Es hat zur Vernichtungsstrategie des Nationalsozialismus gehört, die jüdische Bevölkerung zu vertreiben, zu bestehlen und zu ermorden. Juden wurden aus Vereinen und dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, sogar das Ausruhen auf Parkbänken war ihnen verboten. In der „Reichskristallnacht“ wurden Hunderte Gebetshäuser, Synagogen, Wohnungen und Geschäftlokale von Juden zerstört. Ohne Unterschied wurden in den Konzentrationslagern Säuglinge umgebracht, Kinder, Buben, Mädchen, Schwangere, Mütter, Väter, Alte, Kranke. Diese Vernichtungsstrategie hat Millionen Juden das Leben gekostet.
Solche Äußerungen wie die durch den FPÖ-Obmann sind Wiederbetätigung pur. Da diese Äußerungen nicht in einer öffentlichen Rede an ein allgemeines Publikum, sondern unter Gleichgesinnten gefallen sind, entsprechen sie seiner tiefsten Überzeugung. Jeden Tag, den ein solcher einer solchen Überzeugung fähiger Politiker noch länger seine parlamentarische Vertretung der Zweiten Demokratischen Republik heucheln darf, stellt eine Verhöhnung des Staates dar, dessen Verfassung seine politischen Repräsentanten zu vertreten haben. Ein solcher Repräsentant ist untragbar. Er sollte die Charakterstärke haben, die angeblich die Vertreter seiner Fraktion kennzeichnet, und von sich aus das Mandat eines Repräsentanten der Republik Österreich zurücklegen, die er nicht zu vertreten gewillt ist.
Gerhard Ruiss
IG Autorinnen Autoren
Wien 30.1.2012