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Wiener Neustadt (NÖ): Das Bündnis gegen Kinderschänder

Am 2. Mai wird bei Erich F. (46) eine Haus­durch­su­chung durch­ge­führt und dabei kin­der­por­no­gra­phi­sches Mate­ri­al sicher­ge­stellt. Auf Bil­dern bzw. Vide­os sol­len auch sexu­el­le Über­grif­fe auf Jugend­li­che zu sehen sein. Der eigent­li­che Skan­dal liegt aber in der Vor­ge­schich­te. Erich F. wur­de schon im Jahr 2008 wegen sexu­el­len Miss­brauchs und ver­such­ter Ver­ge­wal­ti­gung zu vier Jah­ren Haft verurteilt. […]

11. Mai 2011

Erich F. muss­te sei­ne Haft­stra­fe nicht antre­ten, weil ihm ein Gut­ach­ten eine orga­nisch beding­te Per­sön­lich­keits­stö­rung und Klaus­tro­pho­bie attes­tier­te. Als die­se Vor­ge­schich­te publik wird, mel­det sich das BZÖ mit einer etwas hek­tisch for­mu­lier­ten Pres­se­aus­sendung zu Wort:

„Ange­sichts des aktu­el­len Kin­der­schän­der-Fal­les aus Nie­der­ös­ter­reich stellt das BZÖ klar, dass Herr Erich F. kein Mit­glied des BZÖ ist oder jemals war, ansons­ten F. bei bekannt wer­den [sic!] der Vor­wür­fe selbst­ver­ständ­lich sofort aus­ge­schlos­sen wor­den wäre.“ (APA OTS, 10.5.2011)

Nun, Mit­glied des BZÖ war Erich F. viel­leicht nicht, aber Kan­di­dat für die Natio­nal­rats­wah­len 2008. F., der sich zuletzt als Per­so­nal-Moti­va­tions- und Men­tal­trai­ner vor­stell­te und auch „Pri­vat­un­ter­richt für Kin­der und Jugend­li­che, Heil- und Sport­mas­sa­ge“ anbot, kan­di­dier­te damals auf einer nicht beson­ders aus­s­sichts­rei­chen Posi­ti­on für das BZÖ in Niederösterreich.

Anfang Sep­tem­ber 2008 dürf­te das BZÖ NÖ von den Vor­wür­fen gegen Erich F. erfah­ren haben. Da war schon zwei Jah­re gegen F. ermit­telt wor­den. Der Pro­zess fand dann Anfang Okto­ber 2008, weni­ge Tage nach der Natio­nal­rats­wahl, statt. Das BZÖ ver­such­te noch, F. von der Wahl­lis­te strei­chen zu las­sen. Ohne Erfolg, Erich F. blieb auf der Wahl­lis­te, erhielt aller­dings nur eine Vorzugsstimme.

Inter­es­sant ist, wie das BZÖ damals mit dem bevor­ste­hen­den Pro­zess gegen F. umging: „Es muss ein Kuckucks­ei sein, das uns gelegt wur­de“, erklär­te die dama­li­ge Lan­des­ge­schäfts­füh­re­rin des BZÖ, Chris­ti­ne Döt­tel­may­er (Kurier, 11.9.08). Weni­ge Tage zuvor, in der TV-Debat­te zur Natio­nal­rats­wahl, atta­ckier­te BZÖ-Chef Jörg Hai­der den Spit­zen­kan­di­da­ten der Grü­nen, Alex­an­der van der Bel­len damit, dass für die Grü­nen Tie­re offen­sicht­lich wich­ti­ger sei­en als Men­schen: „Die Grü­nen haben immer dage­gen gestimmt, wenn wir här­te­re Stra­fen für Kin­der­schän­der gefor­dert haben.“ (Öster­reich, 5.9.2008)

Die Vor­gangs­wei­se erin­nert an den Natio­nal­rats­wahl­kampf 2006. Damals hat­te das BZÖ wäh­rend des Wahl­kampfs (BZÖ-Slo­gan „Wir sind die Kin­der­schutz­par­tei“) erfah­ren, dass es Vor­wür­fe bzw. Vor­er­he­bun­gen der Jus­tiz wegen Unzucht mit Unmün­di­gen und Miss­brauch eines Auto­ri­täts­ver­hält­nis­ses gegen einen halb­pro­mi­nen­ten Wahl­kampf­hel­fer des BZÖ gibt: „In einer Kri­sen­sit­zung des ‚Wahl­kampf­auss­schus­ses‘ des BZÖ“ (News, 30.4.2008) wur­de der Hel­fer damals zur Rede gestellt, leg­te, so der dama­li­ge BZÖ-Gene­ral­se­kre­tär Gerald Grosz, ein Doku­ment vor, „das die Vor­wür­fe wider­leg­te“, wor­auf der Wahl­kampf mit dem Hel­fer fort­ge­setzt wur­de. Die öffent­li­che Reak­ti­on des BZÖ erfolg­te unmit­tel­bar nach der ver­trau­li­chen Kri­sen­sit­zung: eine dring­li­che Debat­te im Par­la­ment zum The­ma Kin­der­schän­dung und Pädo­phi­lie, bei der vor allem SPÖ und Grü­ne wegen ihrer angeb­lich laxen Hal­tung ange­grif­fen wurden.

Der dama­li­ge Wahl­kampf­hel­fer des BZÖ wur­de zuletzt Ende Jän­ner 2011 vom Vor­wurf des Miss­brauchs nach einem lang­wie­ri­gen und kom­pli­zier­ten Ver­fah­ren frei­ge­spro­chen, weil „begrün­de­te Zwei­fel“ an der Dar­stel­lung des fünf­jäh­ri­gen Opfers bestün­den. Wegen Betrugs und Untreue war er zu einer Geld­stra­fe ver­ur­teilt wor­den. Die Staats­an­walt­schaft hat sich damals wei­te­re Rechts­mit­tel vor­be­hal­ten. (Stan­dard, 1.2.2011)

Die Schuld oder Unschuld des Wahl­kampf­hel­fers von 2006 bzw. des ver­ur­teil­ten Kan­di­da­ten von 2008 ist nicht unser The­ma, son­dern wie das BZÖ in bei­den Fäl­len damit umge­gan­gen ist. Das Wis­sen um mög­li­che Ver­feh­lun­gen wur­de sofort in eine Atta­cke („Kuckucks­ei“, Kam­pa­gne für här­te­re bzw. lebens­lan­ge Stra­fen für Kin­der­schän­der) umgemünzt.

Sie­he auch: FPÖ & Kri­mi­na­li­tät – Die Par­tei der „Sau­ber­män­ner”

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