Laura Rudas, Bundesgeschäftsführerin der SPÖ, hat vor wenigen Tagen die Wiedereinführung des Rechtsextremismus-Berichts gefordert. Allerdings wird dazu kein Antrag im Parlament eingebracht, sondern eine Anfrage an die Innenministerin. Eine der zwanzig Fragen können wir schon jetzt beantworten.
Frage 9 in der parlamentarischen Anfrage von Rudas lautet: „Weshalb wurde 2002 der Rechtsextremismusbericht eingestellt und bisher nicht wieder aufgenommen?“
Im Jahr 2002 gab es eine schwarzblaue Koalition aus ÖVP und FPÖ, deren Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) war. Damals wurde der Rechtsextremismusbericht für das Jahr 2001 zwar erstellt, aber nicht dem Parlament zugeleitet. Der damalige Sicherheitssprecher der SPÖ, Rudolf Parnigoni, protestierte zwar dagegen, doch es half nichts: Einen Rechtsextremismusbericht gibt es seither nicht mehr. Die Erklärung des damaligen Sicherheitssprechers der ÖVP, Paul Kiss, war zwar listig, aber falsch: Der Rechtsextremismusbericht sei seit dem Vorjahr im „umfassenden Verfassungsschutzbericht“ aufgegangen.
Den Verfassungsschutzbericht gibt es tatsächlich, aber nicht erst seit 2001. Vorher hieß er Staatsschutzbericht und war auf der Website des Innenministeriums (jetzt auf der Website des BVT) abrufbar. Im Unterschied zum Rechtsextremismusbericht enthält er nur sehr allgemeine Feststellungen.
Der Sicherheitssprecher der SPÖ hatte schon Recht, als er auch im Jahr 2003 die „sofortige Herausgabe“ des seit dem vergangenen Jahr nicht mehr veröffentlichten Rechtsextremismusberichts kritisierte und dafür den Koalitionspartner der ÖVP, die FPÖ, verantwortlich machte. Parnigoni vermutete damals die ÖVP in der Geiselhalft der FPÖ. Im Oktober 2002 warf der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, dem Innenministerium den Schutz des Rechtsextremismus vor und führte dabei zwei Beispiele an: Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2000 sei von allen Hinweisen auf die FPÖ und die Wochenzeitung Zur Zeit gesäubert worden und der nicht veröffentlichte Rechtsextremismusbericht enthalte Passagen über die Burschenschaft Olympia und deren Verbindungen zum Rechtsextremismus.
Faksimile der Website zurzeit.at
Mittlerweile schreiben wir allerdings das Jahr 2013! Österreich wird nicht mehr von einer Koalition aus ÖVP und FPÖ regiert, sondern von SPÖ und ÖVP – und es gibt nach wie vor keinen Rechtsextremismusbericht, obwohl ihn Laura Rudas, die SPÖ und die Grünen schon zum wiederholten Mal einfordern. Und der Verfassungsschutzbericht, der nach Auffassung des Innenministeriums ein vollwertiger Ersatz für den Rechtsextremismusbericht ist, enthält sich nach wie vor jeder Erwähnung von rechtsextremen Burschenschaften und Aktivitäten im Umfeld der FPÖ.
Die Wochenzeitschrift „Format“ berichtete 2001, welche Passagen des Rechtsextremismusberichts den Zorn der FPÖ und in der Folge die Nichtveröffentlichung bzw. Einstellung verursacht hatten. Da war zu lesen:
Bei Veranstaltungen mehrerer schlagender Studentenverbindungen traten ausländische — insbesondere deutsche — Rechtsextremisten als Teilnehmer und Referenten in Erscheinung. (…) Der von diesen Burschenschaften unterschwellig ausgehenden rechtsextremen Ideologieverbreitung wird im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes weiterhin besonderes Augenmerk zugewendet. (Format 20/2001, 14.5.2001)
Das stand im Bericht, der 2001 veröffentlicht wurde. Und weil der Bericht für das Jahr 2002 die Aktivitäten der Burschenschaft Olympia direkt ansprach und aufzählte und außerdem den Standpunkt vertrat, dass „Burschenschaften des deutschnationalen oder nationalfreiheitlichen Korporationswesens“, bei denen „völkische Interessen“, ein „volkstumsbezogener Vaterlandsbegriff“, verbunden mit der „deutschen Nation“ oder „die Volksgemeinschaftsideologie des geschichtlichen Nationalsozialismus“ zum Ausdruck kommen, im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes beobachtet werden müssten, wurde dieser Bericht nicht mehr dem Parlament zugeleitet und eingestellt. Zur Draufgabe wurde die Staatspolizei binnen weniger Monate darauf durch das neu geschaffene Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ersetzt und parteipolitisch umgebaut.
Der Wunsch der FPÖ wurde damals von ÖVP-Innenminister Strasser umgesetzt. Das ist die Erklärung für die Einstellung des Berichts im Jahr 2002.