SS-Kampfgemeinschaft Prinz Eugen (II): Kein Prozess, kein Urteil?

Lesezeit: 4 Minuten

Die DIAR (Döb­lin­ger Initia­ti­ve Auto­fah­rer Rech­te) war eine rechts­extre­me Platt­form von Ras­sis­ten, die den „grü­nen Rad­trot­teln und ver­bre­che­ri­schen Grün­bol­sche­wis­ten“ den „tota­len Krieg“ erklärt hat­te und den sieb­ten Wie­ner Gemein­de­be­zirk (Neu­bau) zum „Feind­ge­biet“ erklär­te, nach­dem dort ein grü­ner Bezirks­vor­ste­her gewählt wor­den war. In Neu­bau wür­de die „Bol­sche­wi­sie­rung der Innen­be­zir­ke“ vor­an­ge­trie­ben und „Kana­ken­treff­punk­te“ ein­ge­rich­tet. Die DIAR for­der­te des­halb im Nazi-Stil, nicht bei Geschäf­ten in Neu­bau ein­zu­kau­fen (pro­fil, 19.8.2002).

Die DIAR war so etwas wie der poli­ti­sche Arm oder auch Vor­läu­fer der SS Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen. Ihre poli­ti­schen For­de­run­gen sind schnell beschrie­ben: freie Fahrt für freie Bür­ger, freie Rede und natür­lich auch frei­er Waf­fen­be­sitz. Neben Georg Gas­ser und Rudolf H. waren noch eine Rei­he von poli­ti­schen Obsku­ran­ten wie Hans Georg P. in der DIAR aktiv. Um die Jahr­tau­send­wen­de begann sich die DIAR zu radi­ka­li­sie­ren. Gas­ser, der noch bis 2000 Mit­glied der FPÖ war, hetz­te ganz offen – nicht nur gegen die „Grün­bol­sche­wis­ten”, son­dern auch gegen die „Ver­rä­ter und Schleim­bat­zen“, die sich jetzt in der FPÖ breitmachten.

Anfang 2000 stie­ßen neue Mit­glie­der zur DIAR, Mat­thi­as B. und Her­bert T., die bis dort­hin poli­tisch unbe­schrie­be­ne Blät­ter waren. Eine nie­der­ös­ter­rei­chi­sche Lan­des­grup­pe wird gegrün­det, in den Wäl­dern um Wien wer­den Got­cha-Spie­le ver­an­stal­tet. Auf der Home­page der DIAR ver­schärft sich der Ton: „Auch Gas­pis­to­len 9 Mil­li­me­ter haben ihre Wir­kung. Das grü­ne Pack wird mit­un­ter sehr aggressiv.“

Den Bür­ger­meis­ter von Leobers­dorf (NÖ), Anton Bosch (SPÖ), las­sen die DIAR-Leu­te über einen Pri­vat­de­tek­tiv foto­gra­fie­ren und ver­tei­len Flug­blät­ter gegen ihn, weil er sich für schär­fe­re Ver­kehrs­kon­trol­len aus­ge­spro­chen hat­te: „Wir haben Ihre pri­mi­ti­ve Pro­le­ten­frat­ze gese­hen und wis­sen, dass sich irgend­wo ein Kanal­de­ckel geho­ben hat und Sie auf die Welt gekom­men sind.“ Einem Exe­ku­tiv­be­am­ten schrei­ben sie: „Wir ver­zich­ten auf jede Höf­lich­keits­an­re­de, denn sie sind kein Herr, bes­ten­falls ein kor­rup­tes, ver­kom­me­nes Polizistenschwein.”

Als im August 2002 dann die Haus­durch­su­chung statt­fand, stell­te sich zur Über­ra­schung aller her­aus, dass sich die Akti­vis­ten unter dem ein­deu­ti­gen Namen SS Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen eine gehei­me, bis zu die­sem Zeit­punkt nicht bekann­te Struk­tur gege­ben haben.

Neben dem bereits toten Georg Gas­ser ist noch Rudolf H. dem DÖW wegen sei­ner engen Kon­tak­te zu Gas­ser bekannt. Er dürf­te auch eine (ein­schlä­gi­ge?) Vor­stra­fe haben. Mat­thi­as B., der Elek­tro­nik-Spe­zia­list und Her­bert T. waren weder ein­schlä­gig vor­be­straft noch sonst­wie öffent­lich aufgefallen.

Über die drei wur­de Unter­su­chungs­haft ver­hängt. Der „Stan­dard“ (13.8.2002) berich­tet, dass gegen ein Dut­zend wei­te­rer Ver­däch­ti­ger in Wien, Nie­der­ös­ter­reich und der Stei­er­mark ermit­telt wer­de, „For­mat“, „pro­fil“ und „Fal­ter“ recher­chie­ren den Ermitt­lungs­stand und die Vor­ge­schich­te der Kampf­ge­mein­schaft, die „NÖN“ berich­ten über eine Haus­durch­su­chung in Pur­kers­dorf und einen Kon­takt­mann, der dort Muni­ti­on ein­ge­la­gert hat, die Abge­ord­ne­ten Dieta­ch­mayr und Par­ni­go­ni (SPÖ) stel­len eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an den Innen­mi­nis­ter und wer­den mit der Null-Ant­wort zu den Fra­gen 1–12 abge­speist: „Die Beant­wor­tung die­ser Fra­gen ist auf­grund der Gerichts­an­hän­gig­keit die­ser Cau­sa nicht möglich.“

Gerichts­an­hän­gig­keit? Ende August 2002 berich­ten die Medi­en, dass in mitt­ler­wei­le neun Haus­durch­su­chun­gen noch eini­ges mehr zu Tage geför­dert wur­de: 120 Waf­fen, dar­un­ter Maschi­nen­ge­weh­re (MG 42), Maschi­nen­pis­to­len, Sturm­ge­weh­re (StG 77), Pump­guns usw.. Unter den 50.380 Schuss Muni­ti­on befin­det sich auch Pfeil­mu­ni­ti­on, die schuss­si­che­re Poli­zei­wes­ten durchschlägt.

Die Staats­an­walt­schaft ermit­telt wegen des Ver­dachts der Ansamm­lung von Kampf­mit­teln (§ 280 StGB) und staats­feind­li­cher Ver­bin­dun­gen (§ 246 StGB). Das ist die ers­te Über­ra­schung. Im Fal­le einer SS Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen steht ja wohl die gan­ze Palet­te des § 3 Ver­bots­ge­setz zur Dis­po­si­ti­on. Immer­hin wur­den nicht nur „jede Men­ge NS-Devo­tio­na­li­en“, eine Mit­glied­sur­kun­de des Ku-Klux-Klan und ein Foto von Gas­ser in SS-Unform gefun­den, son­dern auch die schon erwähn­ten Atten­tats­plä­ne. Ver­bin­dun­gen zu ande­ren Neo­na­zis wie Franz oder Frank S, der die Neo­na­zi-Sei­te „Ost­ara“ betreut oder auch dem frü­he­ren FPÖ-Bezirks­rat Wolf­gang F. wer­den bekannt. Bei Gott­fried Küs­sel, der seit 2000 wegen guter Füh­rung aus der Haft ent­las­sen ist, wird im Herbst 2002 eben­falls eine Haus­durch­su­chung durchgeführt.

Die zwei­te Über­ra­schung gibt es dann am 23. Sep­tem­ber 2002. Einer der 3 Ver­haf­te­ten, Mat­thi­as B., wird aus der Unter­su­chungs­haft ent­las­sen, bei den ande­ren zwei wird die U‑Haft ver­län­gert (APA0524, 23.9.2002).

Die drit­te und größ­te Über­ra­schung ist, dass mit die­ser APA-Mel­dung vom Sep­tem­ber 02 die Bericht­erstat­tung zur „SS Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen“ endet. Weder im Inter­net noch in den elek­tro­nisch ver­füg­ba­ren Print­me­di­en noch bei allen, die damals die Neo­na­zi-Sze­ne beob­ach­tet haben, ist eine Infor­ma­ti­on über einen Pro­zess oder gar eine Ver­ur­tei­lung vor­han­den. Wur­den die Akti­vis­ten der SS- Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen gar nie vor Gericht gestellt? Ist damit die Stra­te­gie des Ver­tei­di­gers Dr. Schul­ter, der von Beginn an dar­auf setz­te, dem Toten, also Georg Gas­ser, jede Ver­ant­wor­tung zuzu­spre­chen und die drei Fest­ge­nom­me­nen als ahnungs­lo­se und unpo­li­ti­sche Men­schen dar­zu­stel­len, auf­ge­gan­gen? Wer hat­te sonst noch ein Inter­es­se, dass die Cau­sa SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen nicht in aller Öffent­lich­keit ver­han­delt wur­de? Oder ist da über­haupt nichts gewesen?

Quel­len: Pro­fil, 16.6.1997, 19. und 26..8. 2002, For­mat, 16.8.2002, Falter,14.8.2002, Stan­dard, 13.8., Kurier, 26.8.2002, NÖN, 14.8.2002, News, DÖW, Rosa Anti­fa Wien

➡️ SS-Kampf­ge­mein­schaft Prinz Eugen (I): Ein merk­wür­di­ges Verschwinden