Ordensentzug für NS-Juristen und Kanzleramtsminister Globke
Justizministerium arbeitet NS-Vergangenheit auf
Mönichkirchen/NÖ: Kein Gedenken an ermordete Juden in Mönichkirchen? Eine zweite Auslöschung
Wien: Peter Westenthaler holt seine Vergangenheit ein
Ordensentzug für NS-Juristen und Kanzleramtsminister Globke
Warum der deutsche Kanzleramtsminister und vormalige NS-Jurist Hans Globke 1956 das „Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich“, den zweithöchsten Orden der Republik, verliehen bekommen hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Globke war der wichtigste Berater des BRD-Kanzlers Konrad Adenauer, aber schon in der Weimarer Republik als Ministerialbeamter und Jurist an antijüdischer Gesetzgebung und dann in der Nazi-Ära an dem antisemitischen „Blutschutzgesetz“ und vielen anderen Schritten zur Ausgrenzung und Verfolgung von Juden beteiligt.
Die Justiz der BRD und die Alliierten drückten nach dem Ende des Nazi-Regimes beide Augen zu und verhalfen Globke zu einer weiteren, sehr steilen Karriere, obwohl seine furchtbaren Nazi-Aktivitäten sehr bald auch Gegenstand von öffentlicher Kritik wurden.
Erst durch die Reform des Ehrenzeichengesetzes im Oktober 2023 wurde es möglich, verurteilten Verbrechern und Nazis ihre Ehrenzeichen abzuerkennen. Unmittelbarer Anlassfall waren auch die jahrelangen Bemühungen des Journalisten Christian Weniger (kleinezeitung.at, 14.7.20) und von Historiker*innen gewesen, Globke seine Auszeichnung abzuerkennen. Die FPÖ stimmte übrigens gegen diese Reform und damit auch gegen die Aberkennung des Ehrenzeichens von Globke, die in der Vorwoche von Bundespräsident Van der Bellen beglaubigt wurde. In Deutschland behält Globke seine Orden, weil die CDU bislang eine Aberkennungsmöglichkeit verweigert. Die „Süddeutsche Zeitung“ (28.5.24) dazu bitter:
In Deutschland verhindert das die Rechtsordnung und nicht zuletzt die Traditionsfestigkeit der CDU. Zwei Kinder Globkes werden als Parteispender geführt. Auf wiederholte Bitten der SZ um eine Stellungnahme zu dem hoheitlichen Akt in Wien kam von der CDU keine Antwort. Das ist bedauerlich, aber andererseits verständlich. Die heutige Parteiführung müsste doch zugeben, dass ihr in den ersten vierzehn Jahren der Bundesrepublik die Herrschaft ein Mann gesichert hat, der im Dritten Reich als guter Jurist und bei klarem Verstand den Holocaust mit vorbereitet hat. Oder wie Dr. jur. Rainer Barzel sagte: „Der Staat braucht gute Leute.”
Justizministerium arbeitet NS-Vergangenheit auf
In diesem Punkt ist Deutschland Österreich einen bedeutenden Schritt voraus. Mit dem „Rosenburg“-Projekt wurde schon 2012 eine unabhängige wissenschaftliche Kommission zur Aufarbeitung „der personellen und fachlich-politischen Kontinuitäten des nationalsozialistischen Deutschlands im Regierungshandeln des Bundesjustizministeriums in der Nachkriegszeit der 1950er und 1960er Jahre“ beauftragt.
Jetzt hat Justizministerin Alma Zadić das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) mit einer Pilotstudie beauftragt, „um den Umgang des Ressorts mit Ex-Nazis in den eigenen Reihen zu betrachten. So soll etwa erforscht werden, wie nach dem Krieg die Vergangenheit der Bediensteten berücksichtigt wurde und ob in späteren Zeiten Korrekturen getroffener Personalentscheidungen vorgenommen wurden.“ (science.apa.at, 21.5.24)
Die Studie, die in einer ausführlichen Betrachtung, aber beispielhaft in zwanzig Fällen erarbeitet wird, soll bis Ende des Jahres vorliegen.
Mönichkirchen/NÖ: Kein Gedenken an ermordete Juden in Mönichkirchen? Eine zweite Auslöschung
Begonnen hat es mit dem Projekt „Eine versunkene Welt. Jüdisches Leben in der Region Bucklige Welt – Wechselland“, in dem zwischen 2016 und 2018 27 Orte in dieser Region auf Spuren jüdischen Lebens (und Verschwindens) beforscht wurden. Einer dieser Orte war die Gemeinde Mönichkirchen, in der sich daraufhin eine Initiative „Erinnerungsort Jüdisches Leben in Mönichkirchen“(EJLM) bildete. Zuvor schon hatten sich Mönichkirchener darum bemüht, für den im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordeten Juden Kornel Hoffmann eine Gedenkstätte zu schaffen.
Die kleine Gemeinde Mönichkirchen ist – man kann es nicht anders sagen – ein tiefschwarzes Nest, von 15 Sitzen im Gemeinderat hält die ÖVP 10, SPÖ und FPÖ je einen und die neue Fraktion MÖNDe (Mönichkirchen neu denken) drei.
Wer da etwas durchsetzen will, ist wohl auf das Wohlwollen bzw. die Unterstützung der ÖVP angewiesen. Die schien anfänglich durchaus vorhanden: Der Bürgermeister Andreas Graf (ÖVP) ernannte 2020 den Gemeinderat Andreas Morgenbesser (MÖNDe) zum Leiter einer Arbeitsgruppe Jüdisches Leben, die ein Konzept für einen Erinnerungsort einschließlich Finanzierungsfrage erarbeiten sollte. Die Arbeitsgruppe informierte die Bevölkerung, berichtete immer wieder an den Gemeinderat und stellte schließlich für die Gemeinderatssitzung am 24.3. des Vorjahres einen Gesamtentwurf für einen Erinnerungsort inklusive Textvorschlag vor. An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass es um eine Erinnerung an das (ausgelöschte) jüdische Leben gehen sollte.
Der Vorschlag der Arbeitsgruppe beinhaltete die Errichtung einer Stele mit einer schlichten Inschrift und den Namen von drei ermordeten jüdischen Menschen mit Bezug zu Mönichkirchen. Dazu ein Hinweis, dass die Stele durch private Spenden finanziert wird und ein QR-Code, durch den weitere Infos zu den ermordeten jüdischen Menschen zugänglich gemacht werden können. Eigentlich eine klare Sache im Sinne des ursprünglichen Auftrags an die Arbeitsgruppe!
Aber die Sitzung des Gemeinderats nahm einen anderen Verlauf. Der Bürgermeister wies darauf hin, dass die Unterstützung der Gemeinde nur „zu unseren Bedingungen“ erfolgen würde, wobei unter dem „unseren“ anscheinend nur die ÖVP und deren Mönichkirchener Gemeindevorstand zu verstehen ist. Der präsentierte nämlich in der Sitzung einen alternativen Textentwurf: ohne Namen und ohne Bezugnahme auf jüdische Opfer. Die Rechtfertigung des Bürgermeisters: „Es gab noch mehrere Gruppen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Außerdem gibt es auf der Stele einen QR-Code, auf dem die Namen hinterlegt sind.“ (NÖN, Ausgabe für Neunkirchen, 29.3.23)
Schluss und aus!? Der Gemeinderat stimmte ab und erwartungsgemäß mit den Stimmen der ÖVP für den Vorschlag des ÖVP-Gemeindevorstandes, während sich die FPÖ enthielt und die MÖNDe dagegen stimmte. Der SPÖ-Mandatar war bei der Sitzung nicht anwesend. Der Auftrag für eine jüdische Gedenkstätte an die Arbeitsgruppe war damit vom Gemeinderat entsorgt und die Erinnerung an die jüdischen NS-Opfer von Mönichkirchen offiziell ausgelöscht worden. Ob eine Stele nach den Vorstellungen der ÖVP Mönichkirchen und ihrer Gemeinderatsmehrheit jemals errichtet wird, darf bezweifelt werden: Die privaten Spenden werden wohl kaum fließen für eine Stele, die das Wesentliche, die jüdischen Opfer, verschweigt. Der Bildhauer Andreas Lehner, der die Stele entworfen und ihre Errichtung der Arbeitsgruppe zugesagt hatte, fällt ebenso aus, wenn die drei Shoah-Opfer nicht namentlich genannt werden.
Vielleicht ist die ÖVP Mönichkirchen damit zufrieden, die Erinnerung an jüdische Opfer erfolgreich ausgelöscht bzw. in einen QR-Code verbannt zu haben – quasi in ein virtuelles Ghetto?
Ruhe gibt es jedenfalls nicht seit diesem unsäglichen Beschluss des Gemeinderats. Gut so! In zahlreichen Stellungnahmen sprechen sich renommierte Expert*innen – von Ruth Wodak über Michael John bis zum Direktor des Simon-Wiesenthal-Instituts – gegen diesen Beschluss aus und fordern den Gemeinderat bzw. die ÖVP vorsichtig bis entschieden zu dessen Änderung auf.
Wien: Peter Westenthaler holt seine Vergangenheit ein
Aus den in den aktuellen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung über roten und blauen Machtmissbrauch gelieferten Unterlagen („Chats“) und einem detaillierten Bericht des „Standard“ vom 23. 5.24 geht hervor, dass Peter Westenthaler 2018 den damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache um Intervention beim Justizminister gebeten hat, um die über ihn verhängte unbedingte Haft abzuwenden.
Pikant sind die Chats nicht nur wegen der ziemlich beharrlichen Interventionen, sondern weil dabei ein ehemaliger FPÖ-Blauer, der 2005 zum Orangen (BZÖ) mutierte und damit zum zeitweise erbitterten Konkurrenten der FPÖ und Überbieter mit xenophoben Forderungen (300.000 Ausländer abschieben) wurde, bei seinem FPÖ-Konkurrenten Strache mehrmals um Intervention in eigener Sache beim Justizminister bettelte. Schließlich war Peter Westenthaler auch ein rechter Politiker, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit für strengere Strafen und mehr Haftplätze plädierte. Als sich diese Möglichkeit für ihn selbst eröffnete, wollte er davon nichts mehr wissen.