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Blaues Virus verursacht schwere Rechenschäden

In allen moder­nen Gesell­schaf­ten gibt es zumin­dest einen Grund­kon­sens: Die Grund­rech­nungs­ar­ten wer­den von allen als gemein­sa­me Regeln aner­kannt. Pip­pi Lang­strumpf ist da kein Gegen­be­weis. Sie kennt die Regeln, bricht sie aber bewusst. Was aber macht man, wenn es bestimm­te Grup­pen gibt, die die Grund­rech­nungs­ar­ten nicht ver­ste­hen wol­len oder kön­nen? Was dann, wenn sich die­ser Defekt […]

26. Mrz 2021

Alter­na­ti­ve Mathematik

Natür­lich geht es auch bei der rech­ten Rech­ne­rei um das Coro­na-Virus. Nach­dem sich der FPÖ-Abge­ord­ne­te Micha­el Schned­litz mit sei­nem töl­pel­haf­ten Ver­such, Coro­na-Anti­gen-Tests mit Coca-Cola als wert­los zu über­füh­ren, inter­na­tio­nal bla­miert hat, schei­tern die Blau­en ein wei­te­res Mal an der Natur­wis­sen­schaft, dies­mal sogar schon an den Grundrechnungsarten!

Wir wol­len hier zum bes­se­ren Ver­ständ­nis des Fol­gen­den vor­aus­schi­cken: 1. Pro­zent­rech­nun­gen zäh­len zwar nicht zu den Grund­rech­nungs­ar­ten, das im Fol­gen­den abzu­han­deln­de Rechen­ex­em­pel ist aber durch sei­ne simp­len Eck­da­ten auch über die Grund­rech­nungs­ar­ten zu erfas­sen. 2. Mit „Blau­en“ sind hier nicht nur Par­tei­mit­glie­der der FPÖ, son­dern auch Per­so­nen im Umfeld gemeint. Wir räu­men auch ger­ne ein: Noch sind nicht alle Blau­en von dem Defekt infi­ziert, aber das Virus ver­brei­tet sich rasant weiter.

Jetzt aber zur Sache: Bur­schen­schaf­ter Bru­der Karl schreibt ab

Alle ken­nen das ver­mut­lich aus ver­gan­ge­nen Schul­zei­ten von Mathe­ma­tik-Schul­ar­bei­ten. Weil man sich nicht rich­tig aus­kennt, schreibt man von den Nachbar*innen ab. Pech, wenn der oder die das Rechen­bei­spiel falsch gelöst hat. Wenn dann der oder die Nächs­te das Abge­schrie­be­ne eben­falls über­nimmt, haben wir schon den vira­len Effekt, der von der Lehr­kraft gut erkannt und ein­ge­grenzt wer­den kann.

Pippi Langstrumpf wusste, was sie will: "Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt ..."
Pip­pi Lang­strumpf wuss­te, was sie will: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt …”

So ist es dem Bru­der Karl, einem stram­men Bur­schen­schaf­ter, mit dem wir uns schon mehr­mals bei ande­ren Ange­le­gen­hei­ten beschäf­tigt haben, ergan­gen. Er hat von Alex H. abge­schrie­ben, sprich: auf Face­book des­sen Pos­ting geteilt. Das war schon des­halb eine Risi­ko-Sache, weil – wenn man als Bur­schen­schaf­ter ohne­hin zwi­schen 4 und 5 pen­delt – es nicht sehr sinn­voll ist, von einem abzu­schrei­ben, der sich auf der Noten­ska­la eben­falls in die­sem Bereich befin­det: Alex H. ist ein ziem­lich rechts gewi­ckel­ter Kampf­sport­ler. Ob Alex wirk­lich der Ers­te war, der die tol­le Lösung errech­net hat, wis­sen wir nicht. Schaut aber so aus. Bru­der Karl hat sie jeden­falls abge­schrie­ben bzw. „geteilt“, wie das auf Face­book heißt.

Kön­nen Rech­te rich­tig rechnen?

Alex, der Kampf­sport­ler, rech­net also vor:

Alex rechnet vor, Karl kopiert
Alex rech­net vor, Karl kopiert

Das Rechen­bei­spiel flutscht so rich­tig rein bei den blau­en Männ­leins: Bei einer Mil­li­on Män­ner, die einen Test auf Schwan­ger­schaft mit einer Feh­ler­quo­te von 0,005 % absol­vie­ren, wür­de der Test 5.000 schwan­ge­re Män­ner erge­ben – Bru­ha­ha! Da lacht der Kampf­sport­ler und der Bur­schen­schaf­ter eben­so. Nach dem Schen­ken­klop­fen kom­men die Mühen der intel­lek­tu­el­len Ebe­ne: Wer ist denn so doof, einen Schwan­ger­schafts­test für Frau­en bei einer Mil­li­on Män­nern anzu­wen­den? Und wozu? Eben­so gut könn­te man den Test bei einer Mil­li­on Hydran­ten anwen­den – ver­mut­lich mit dem glei­chen Ergeb­nis. Moment, was war das Ergeb­nis laut Alex, dem Kampf­sport­ler, abge­schrie­ben vom Bur­schen­schaf­ter Bru­der Karl? 5.000 schwan­ge­re Män­ner – noch ein­mal Bruhaha!

Ers­te Zwei­fel kom­men auf. Paul E. ist ver­mut­lich einer von die­sen Stre­bern, die alles bes­ser wis­sen wol­len: „0,005% von 1.000.000 = 50 Män­ner. Und genau das sagt eigent­lich alles aus, was man über die Aus­sa­ge wis­sen muss… rei­ne Mathe­ma­tik — steht eh dort ;-(

Paus Rech­ne­rei kommt bei Erik R. gar nicht gut an: „Mathe­ma­tik 5, set­zen! “.

Für Bru­der Karl ist das der Zeit­punkt, ganz ernst­haft die blaue Grund­satz­fra­ge zu stel­len: „was soll das hei­ßen? Gehörst du zu denen die für die Anti­ba­by­pil­len für Män­ner sind?

Paul ant­wor­tet Bru­der Karl: „Das heißt, dass die Rech­nung falsch ist und dass es nie 100%ige Sicher­heit gibt...“

Jetzt ist Bru­der Karl wirk­lich intel­lek­tu­ell gefor­dert: „Rech­nung ist rich­tig. 0,005 % sind 5000 von einer Mil­li­on aber es gibt kei­ne 100% Sicher­heit, da gebe ich Dir recht

Auf das Kom­pro­miss­an­ge­bot von Bru­der Karl will Stre­ber Paul aber nicht ein­ge­hen. Er beharrt auf sei­ner 50 und will Bru­der Karl mit einem Wiki-Screen­shot irri­tie­ren: „Und genau das ist das Pro­blem. Ich ent­schul­di­ge mich, dass ich das in der Schu­le offen­sicht­lich anders gelernt habe...“

Wiki-Prozentrechnung: 0,005% von 1 Million ergibt 50.
Wiki-Pro­zent­rech­nung: 0,005% von 1 Mil­li­on erge­ben 50.

Tricks wie die­ser mit einem Screen­shot kom­men bei Bru­der Karl gar nicht gut an: „Dan­ke für die Her­lei­tung, das zeigt uns dass es kein Pro­blem bei Schu­le gibt, son­dern beim bedie­nen (sic!) des Rech­ners.“

Paul bleibt die Spu­cke weg. Ihm fällt nur mehr ein hilf­lo­ses Fra­ge­zei­chen ein: „?“

Jetzt legt Bru­der Karl noch ein­mal mit sei­nen gesam­mel­ten Rechen­kennt­nis­sen nach: „0,005 x1000000 = 5000, falsch ein­ge­ge­ben. es müss­te 0,00005 sein, dann wären es 0,005%.“

Nach die­ser geball­ten Rechen­leis­tung bleibt dem Paul nur mehr die Flucht in einen leich­ten Zynis­mus: „Ahha… in Ord­nung… sag ich ja, rei­ne Mathe­ma­tik Das ist der Grund, war­um dis­ku­tie­ren sinn­los ist. Hab mei­ne Lek­ti­on ver­stan­den und gelernt…

Dar­auf gibt sich auch Bru­der Karl ver­söhn­lich und lie­fert abschlie­ßend noch ein präch­ti­ges Bei­spiel für blau­en Bur­schen­schaf­ter­hu­mor: „dan­ke für Lösungs­weg, glau­be die Anti Baby Pil­le wer­den wir aber bei­de nicht schlu­cken

Die Pro Austria-"Hochrechnung" mit 173 Reaktionen
Die Pro Austria-„Hochrechnung” mit 173 Reaktionen

Die Kon­ver­sa­ti­on fand im Okto­ber des Vor­jah­res statt – und sie fand wirk­lich genau so statt! Ob die vira­le Ver­brei­tung mit Alex (Pati­ent 0) und Bru­der Karl (Pati­ent 1) begon­nen hat, wis­sen wir nicht. Cont­act-Tra­cing ist bei den ver­stock­ten Pati­en­ten eben­so wenig erfolg­reich wie ein Taschen­rech­ner. Aber erst kürz­lich (8.3.21) ist eine Mutan­te der ursprüng­li­chen Ver­si­on in einer grö­ße­ren Platt­form der FPÖ („Pro Aus­tria“ hat fast 28.000 Fol­lower) auf­ge­taucht und hat dort min­des­tens 173 Liker infiziert.

Das gesamte Rechendrama zw. Karl und Paul
Das gesam­te Rechen­dra­ma zw. Karl und Paul
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