Offiziell ist es ein Soldatengrab, das in der zu Waizenkirchen gehörigen Ortschaft Stillfüssing liegt – eine zwischen zwei Linden eingebettete Grabstelle auf einer Anhöhe, das an jene 13 Männer erinnert, die sich im Endkampf für – den bereits toten – Führer, Volk und Vaterland ein Gefecht mit den weit vorgerückten Truppen der amerikanischen Befreier geliefert hatten. Die 13 von den Alliierten erschossenen noch sehr jungen Soldaten waren Angehörige der 2. SS-Panzergrenadier-Division „Das Reich“, jener Einheit, die für unzählige Verbrechen verantwortlich war, darunter das Massaker von Oradour, in dem 642 Menschen von den SS-Schergen ermordet worden waren.
Nachdem das denkmalartige Grab in Stillfüssing zum Wallfahrtsort für Rechtsextreme geworden war – bis 2014 trauerte dort auch die berüchtigte „Kameradschaft IV“ dem verlorenen Endsieg nach –, kam irgendwann Kritik an der braunen Heldenverehrung, zu dem die Grabstelle geradezu einlädt, auf. Der damalige Grüne Bezirkssprecher und Historiker Johannes Ferihumer musste nach seinem öffentlich geäußerten Unmut zur Gestaltung des Grabes und zum braunen Treiben in Stillfüssing Drohungen hinnehmen wie „man werde ihn ‚im Fall der Machtergreifung solange am Halse aufhängen, bis dass der Tod eintritt!‘” (derstandard.at, 8.3.2007).
Im Dezember 2014 wurde das Denkmal durch einen Verkehrsunfall schwer beschädigt, danach schnell saniert und 2015 feierlich just am 70. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus durch die lokale Prominenz „neu eingeweiht“.
Innerhalb kürzester Zeit wurde es auf Drängen des ÖKB und der Ortsbewohner, durch das Schwarze Kreuz neu aufgebaut und am 8. Mai 2015 – zum 70. Jahrestag des Kriegsendes — neu eingeweiht. In „Der Oberösterreichische Kameradschaftsbund“, einer Monatszeitschrift des ÖKB, ist von einer bewegenden Ansprache des Gemeindepfarrers Franz Steinkoglers, des Bürgermeisters Wolfgang Degeneve und des ÖKB Ortsgruppenobmanns – Waizenkirchen, Hubert Sallaberger, zu lesen. Die feierliche Zeremonie und Kranzniederlegung wurde zudem von der Musikkapelle Waizenkirchen begleitet. (Diplomarbeit Stefan Kapsammer 2016, S. 103)
Nun, 2021, steht die Umgangsweise mit der Grabstätte zwischen Kritik und der Forderung nach Anbringung einer Zusatztafel, die endlich auf den verbrecherischen Charakter der Waffen-SS hinweist, bis hin nach einer Umgestaltung des Grabes und der in der jahrzehntelang in Österreich gut geübten Tradition von Abwehr und dem Hin- und Herschieben von Verantwortung. Ein Textvorschlag für eine Zusatztafel löst nun neuerlichen Protest aus, denn es sei, so das MKÖ in einer Presseaussendung, wieder kein Hinweis auf die Verbrechen der Waffen-SS enthalten.
Und wie reagiert der aktuelle ÖVP-Bürgermeister Fabian Grüneis? Genervt von den Medienanfragen zum Grab und:
„Den Text sollte das Schwarze Kreuz formulieren“, erklärte Grüneis, nun liege der Entwurf beim Innenministerium mit Bitte um Freigabe. Über den Inhalt meinte der Bürgermeister „es steht mir nicht zu, das zu beurteilten“. Der Text sei zweckmäßig. Er beinhalte den Hinweis, dass die hier begrabenen Mitglieder der Waffen-SS großteils 17-Jährige gewesen seien und man aus der Geschichte lernen solle und „nicht werten war dem Innenministerium wichtig im Sinne der Totenruhe“. (ooe.orf.at, 18.2.21)
Grüneis würde eine Fahrt in die nur 60 Kilometer entfernte KZ-Gedenkstätte Mauthausen guttun. Vielleicht findet er dann doch auch im Zusammenhang mit dem Denkmal eine Bewertung für die Verbrechen der Waffen-SS. Bis es so weit ist, sollten die Medien weiter über „dieses blöde Grab“ schreiben!
MKÖ-Presseaussendung vom 17. Februar 2021:
Mauthausen Komitee und Netzwerk gegen Rassismus:
Forderung nach Wahrheit beim Waffen-SS-DenkmalSeit Jahren ist das Waffen-SS-Denkmal in der kleinen Ortschaft Stillfüssing (Marktgemeinde Waizenkirchen) höchst umstritten. Dort sind 13 Angehörige der Waffen-SS bestattet. Sie haben kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs die vorrückende US-Armee aufzuhalten versucht und sind dabei gefallen.
Die historische Wahrheit über die Waffen-SS kommt beim Denkmal nicht vor. In den Nürnberger Prozessen wurde diese als verbrecherische Organisation verurteilt, weil sie zahlreiche Massaker an der wehrlosen Zivilbevölkerung in den von Hitler-Deutschland besetzten Gebieten verübt und ab 1940 die KZ-Wachmannschaften gestellt hatte. Damit war die Waffen-SS eine Hauptstütze des NS-Terrors, verantwortlich für die Ermordung von Millionen Menschen.
Weil die historische Wahrheit beim Denkmal verschwiegen wird, dient es als Pilgerstätte für Rechtsextremisten. Jahrzehntelang hat dort die „Kameradschaft IV der Waffen-SS“ ewiggestrige Kundgebungen veranstaltet. Bis heute ist das Denkmal der braunen Szene wohlvertraut. Freilich melden sich Neonazis, wenn sie dorthin pilgern, nicht beim Gemeindeamt an.
Als Reaktion auf die heftige Kritik am Denkmal will der Waizenkirchner Bürgermeister Fabian Grüneis in der Gemeinderatssitzung am 25. Februar eine Zusatztafel mit einem Text beantragen.
Nun haben sich Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ), und Robert Eiter, Sprecher des OÖ. Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, in einem Offenen Brief an Bürgermeister Grüneis gewandt.
Darin heißt es über die geplante Zusatztafel samt Text: „Das wäre an sich zu begrüßen. Nur beschränkt sich der kurze Text auf die Ereignisse am 4. Mai 1945, dem Todestag der 13 Bestatteten, und enthält seltsamerweise wieder keinerlei Hinweis auf die Verbrechen der Waffen-SS.“
Und weiter: „Diesen Text zu beschließen und anzubringen wäre eine Geschichtsverfälschung durch Weglassen und eine grobe Missachtung der Millionen Opfer der Waffen-SS! Auch würde dadurch kein Ende der Debatte erreicht, sondern sie würde auf Jahre hinaus verlängert.“
Deshalb fordern das Mauthausen Komitee und das Netzwerk gegen Rassismus von Bürgermeister Grüneis, im Gemeinderat einen Zusatzstein zum Denkmal mit einem Text zu beantragen, der der historischen Wahrheit über die Waffen-SS gerecht wird. Mernyi und Eiter haben auch einen entsprechenden Textvorschlag mitgeschickt, überprüft durch den Zeitgeschichteprofessor Thomas Hellmuth von der Universität Wien. Laut Hellmuth ist das Waffen-SS-Denkmal in seiner derzeitigen Form ein Beispiel für „Verdrängung und Verklärung“ der NS-Vergangenheit.
Die Israelitische Kultusgemeinde Linz und die Katholische Aktion Oberösterreich unterstützen die Forderung des Mauthausen Komitees und des Netzwerks gegen Rassismus ausdrücklich.
Willi Mernyi und Robert Eiter schließen den Offenen Brief an Bürgermeister Grüneis mit folgendem Appell: „Entscheiden Sie im Sinne der Opfer der Waffen-SS, entscheiden Sie im Sinne der historischen Wahrheit und nicht gegen sie! Um es mit Ingeborg Bachmann zu sagen: ‚Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.‘“