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Die Sternsinger und der schwarze Bürgermeister

Aus dem Mor­gen­land kamen sie in der Bibel – Wei­se, Magi­er oder Stern­deu­ter – und brach­ten dem Kind in Beth­le­hem Weih­rauch, Myr­rhe und Gold. Spä­ter wur­den aus der unbe­stimm­ten Zahl von Wei­sen oder Stern­deu­tern drei Köni­ge, die den damals bekann­ten Erd­tei­len zuge­ord­net wur­den. Die Kon­ti­nen­te spiel­ten so wie die Haut­far­be in der bibli­schen Erzäh­lung keine […]

14. Jan 2021

Wir bege­ben uns auf Spu­ren­su­che zu den „Hei­li­gen Drei Köni­gen“. Nicht in geschicht­li­chen Quel­len (die gibt es näm­lich nicht zu die­sem Ereig­nis), son­dern in der Bibel. So sehr wir das Mat­thä­us-Evan­ge­li­um aber auch durch­fors­ten und in den ver­schie­de­nen Über­set­zun­gen ver­glei­chen: Von Köni­gen, von drei oder gar von einem Schwar­zen ist da nir­gend­wo die Rede. Nur von Stern­deu­tern oder Wei­sen aus dem Mor­gen­land. Das Mor­gen­land“ liegt aber bekannt­lich nicht auf dem afri­ka­ni­schen Kontinent.

Auch die gro­ßen Maler, die sich und uns spä­ter eine bild­li­che Vor­stel­lung von den Ereig­nis­sen damals geben woll­ten, hat­ten kei­ne Schwar­zen im Auge. Giot­to nicht, Leo­nar­do da Vin­ci mal­te über­haupt gleich mono­chrom und Bot­ti­cel­li gar die Medi­cis als die Hei­li­gen Drei. Ein schwar­zer König wur­de erst­mals Anfang des 14. Jahr­hun­derts gesich­tet bzw. gemalt.

Anbetung der Könige; Fresko in der Scrovegni-Kapelle von Giotto di Bondone (um 1303) – Ausschnitt
Anbe­tung der Köni­ge; Fres­ko in der Scro­ve­gni-Kapel­le von Giot­to di Bon­do­ne (um 1303) – Aus­schnitt (Quel­le: Wiki­pe­dia)

Das Stern- oder Drei­kö­nigs­sin­gen ist – ver­gli­chen mit der bibli­schen Vor­la­ge – über­haupt eine viel jün­ge­re Ange­le­gen­heit, die im 16. Jahr­hun­dert in Mit­tel­eu­ro­pa ent­stan­den sein dürf­te. Arme Kin­der durf­ten sich da ein Zubrot erbet­teln. Erst seit der Mit­te des 20. Jahr­hun­derts haben katho­li­sche Orga­ni­sa­tio­nen damit begon­nen, rund um den Drei­kö­nigs­tag Spen­den für Kin­der­hilfs­pro­jek­te in aller Welt zu sammeln.

Mitt­ler­wei­le hat die Debat­te um Black­fa­cing auch die Stern­sin­ger erreicht. Seit eini­gen Jah­ren schon gibt es in Öster­reich Stern­sin­ger­grup­pen, die auf einen schwarz geschmink­ten König ver­zich­ten. Als 2017 der dama­li­ge Prä­si­dent­schafts­kan­di­dat der FPÖ, Nor­bert Hofer, ein Foto zur Stern­sin­ger­ak­ti­on ver­öf­fent­lich­te, das drei wei­ße weib­li­che Jugend­li­che zeig­te, die als Stern­deu­ter, Wei­se oder Köni­ge fir­mier­ten, beka­men etli­che sei­ner blau­en Fans Schnappatmung:

Wolf­gang R.: „es ist ein Wahn­sinn nun ist der Mohr, der Ver­tre­ter Afri­kas auch nicht mehr dabei, wie­der ein Knie­fall vor den unge­be­te­nen Zuwan­de­rern (…) es ist zum kotzen(sic!)“ Hil­de­gard M.: „Wo ist der Moor es wer­den unse­re Bräu­che abge­schaft zu guns­ten unse­rer Aus­län­der trau­rig ist das und wir las­sen uns das alles gefal­len“ Alex­an­dra M.: Was soll das der Mohr gehört dazu! Wir Öster­rei­cher las­sen uns alles vor­schrei­ben ! Bei mir dür­fen die Stern­sin­ger nur rein wenn ein Mohr dabei ist ! Wie­so geben wir unse­re Kul­tur auf ? Tun das ande­re für uns?“ Ein „Adolf“ erklärt, dass die von ihm kein Geld krie­gen wür­den: Er „hät­te die­se Ban­de hin­aus­ge­wor­fen“.

Wolfgang R. und Hildegard M. bei Norbert Hofer "...es ist zum kotzen" "Wo ist der Moor"
Wolf­gang R. und Hil­de­gard M. bei Nor­bert Hofer „…es ist zum kot­zen” „Wo ist der Moor”
Adolf bei Norbert Hofer: "also ich hätte diese Bande rasugeworfen"
Adolf bei Nor­bert Hofer: „also ich hät­te die­se Ban­de rasugeworfen”

Das war 2017. Heu­er erklär­te die Katho­li­sche Jung­schar in einer Pres­se­er­klä­rung, dass sie schon vor Jah­ren gemein­sam mit den Pfar­ren einen Nach­denk­pro­zess zur Pro­ble­ma­tik des Black­fa­cing begon­nen habe und die­se „ras­sis­ti­sche Pra­xis“ beim Stern­sin­gen ab sofort zu unter­las­sen sei. Ähn­lich, aber doch deut­lich zurück­hal­ten­der, äußert sich auch der Dach­ver­band Katho­li­sche Akti­on.

Was 2017 in ers­ter Linie die blau­en Fans zu ras­sis­ti­schen Rülp­sern ver­an­lasst hat, scheint mitt­ler­wei­le aber sogar schwarz-tür­ki­se Funk­tio­nä­re infi­ziert zu haben. So erklär­te der Möd­lin­ger Bür­ger­meis­ter und Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Hans Ste­fan Hint­ner (ÖVP) auf Face­book in einem Post, das nur für sei­nen Freun­des­kreis ein­seh­bar war: „Der Cas­par war aus Afrika….wenn der nicht dabei ist, kei­ne Spen­de! Ein weis­ser Süd­afri­ka­ner war sicher nicht dabei….

Hans Stefan Hintner: "Der Caspar war aus Afrika..."
Hans Ste­fan Hint­ner: „Der Cas­par war aus Afrika…”

Für die­sen his­to­ri­schen (um die­se Zeit gab es kei­ne Wei­ßen im süd­li­chen Afri­ka!) und ras­sis­ti­schen Unsinn erhielt der Herr Bür­ger­meis­ter immer­hin an die 70 Likes. Und eini­ge dazu pas­sen­de Kom­men­ta­re. Sigi B. etwa glaubt zu wis­sen: „Die lin­ke Dik­ta­tur greift in alle Lebens­be­rei­che ein. Unter dem Mot­to immer poli­tisch kor­rekt sein und die geschicht­li­che Wahr­heit ver­leug­nen.“ Wel­che geschicht­li­che Wahr­heit? Die Geschich­te schweigt über die Hei­li­gen Drei – und noch mehr über einen Schwar­zen unter ihnen.

Karin B. sieht das aber so wie der Bür­ger­meis­ter, näm­lich so: „….es ist eben nicht egal ob der Mohr dabei ist oder nicht….es ist schlicht­weg Geschich­te seit 2021 Jah­ren, dass er dabei war. Was will man uns denn noch alles neh­men….?“

Sigi B.: "Die linke Diktatur ... geschichtliche Wahrheit verleugnen"
Sigi B.: „Die lin­ke Dik­ta­tur … geschicht­li­che Wahr­heit verleugnen”
Karin B. "Mohr Geschichte seit 2021 Jahren"
Karin B. „Mohr Geschich­te seit 2021 Jahren”

Des­halb hat Karin B. – so wie der Bür­ger­meis­ter – auch die Tür nicht geöff­net, als die Stern­sin­ger vor der Tür stan­den. Den schwar­zen Poli­ti­ker Hint­ner dürf­ten aber doch noch geschicht­li­che Zwei­fel gepackt haben, denn sein Pos­ting hat er mitt­ler­wei­le gelöscht.

Evangelium nach Matthäus: Die Huldigung der Sterndeuter
Evan­ge­li­um nach Mat­thä­us: Die Hul­di­gung der Stern­deu­ter (Quel­le: Jung­schar): Kei­ne drei Köni­ge, schon gar kein Schwar­zer, nur drei Sterndeuter

Auf­ruf zu einem anti­ras­sis­ti­schen Volks­be­geh­ren: „Gegen Black­fa­cing beim Sternsingen“