Die Festnahmen von 13 Personen, die verdächtigt werden, unter dem Gruppennamen „Wolverine Watchmen“ die Entführung der Gouverneurin Gretchen Whitmer und andere Straftaten geplant und vorbereitet zu haben, markiert nur eine Zwischenstation in den immer heftiger werdenden Aktivitäten rechtsextremer Gruppen in den USA.
Die „Wolverine Watchmen“ waren eine eher unbedeutende Gruppe unter den rechtsextremen Milizen im ideologischen Umfeld der Boogaloo-Bewegung, die einen (zweiten) Bürgerkrieg ansteuern. Allein in der Woche vor der Verhaftung der „Wolverine Watchmen“ soll es 16 Festnahmen von Boogaloo-Aktivisten gegeben haben.
Michigan ist ein fruchtbarer Boden für Bürgerwehren und rechtsextreme Milizen. Als die Gouverneurin Whitmer angesichts stark steigender Covid-Infektionen Ende April einen harten Lockdown ankündigte, kam es zum Sturm auf das Parlament, das State Capitol in Lansing, bei dem sogar Bewaffnete in das Gebäude eindrangen. Die militanten Protestaktionen damals wurden von Trump mit Tweets angefeuert, in denen er zur Befreiung („Liberate“) von Michigan (Virginia, Minnesota) auffordert. Die „Wolverine Watchmen“ spielten damals keine erkennbare Rolle beim Sturm auf das (übrigens republikanisch dominierte) Parlament, obwohl einzelne der jetzt Festgenommenen dort auch identifiziert wurden.
Das FBI hatte zu Beginn 2020 über die sozialen Medien und dann durch einen Insider brisante Infos über die „Wolverine Watchmen“ erhalten. Demnach planten Aktivisten der Gruppe Anschläge, bei denen auch die Ermordung von Polizisten in Kauf genommen wurde. Der Plan mit der Geiselnahme der Gouverneurin dürfte bei einem Treffen in Ohio im Juni ausgemacht worden sein. Er sah vor, dass die Gouverneurin in einem Akt der Selbstjustiz von der Gruppe wegen Landesverrats angeklagt, verurteilt und – so eine Variante – auf der Mitte des großen Michigan-Sees in einem Boot mit kaputtem Motor ausgesetzt werden sollte. Auch gegen den Gouverneur von Virginia, Ralph Northam, der ebenfalls im Frühjahr einen strikten Lockdown verhängt hatte, wollte die Gruppe mittels Geiselnahme vorgehen.
Nach der Verhaftung der Verdächtigen äußerte sich Trump erst nach einigen Stunden zu dem terroristischen Komplott und attackierte die Gouverneurin, die bei der Bewältigung der Pandemie „einen schlechten Job“ gemacht habe und ihn jetzt, so Trump in selbstmitleidiger Pose, als „Rassisten“ beschimpfe, statt ihm dafür zu danken, dass „seine“ Behörden den Anschlag verhindert hätten.
Eine Woche später, bei seinem Wahlkampfauftritt in Muskegon, attackierte Trump die Gouverneurin neuerlich –diesmal wieder vordergründig wegen ihrer Corona-Politik, worauf seine Fans brüllten: „Sperrt sie ein!“ („Lock her up!“). Der Spruch ist eine Reprise von 2016, wo Hillary Clinton mit diesem Spruch gedroht wurde. Trump erweiterte mit „Sperrt sie alle ein!“ („Lock ‚em all up“). Ein Präsident, der Gouverneure einsperren will – oder gleich die gesamte Opposition? Trumps Schwiegertochter Lara versuchte nachträglich das so darzustellen, als ob sich Trump nur ein kleines Späßchen erlaubt hätte.
Michigan erlebt übrigens – so wie die USA insgesamt – einen neuerlichen Anstieg der Corona-Infektionen und ‑Todesfälle. Der Bundesstaat, der mit seinen 10 Millionen Einwohnern etwas größer ist als Österreich, hält bei 4.718 bestätigten neuen Infektionen für den 19.10. und bei insgesamt bei 7.364 Todesfällen mit Corona. Das ist im Vergleich zu anderen Bundesstaaten eher im Mittelfeld.
Insgesamt steuern die Zahlen der Neuinfektionen in den USA auf einen neuen Rekord zu, und die Todeszahlen haben die Marke von 220.000 überschritten. In dieser Situation und 14 Tage vor den Wahlen fordert der Präsident der USA eine Lockerung der Maßnahmen und droht mit dem Einsperren seiner Gegner.
➡️ Gretchen Whitmer kidnapping plot (Wikipedia)