Um ein ähnlich schlechtes Ergebnis der FPÖ bei Wiener Gemeinderatswahlen zu finden, muss man bis in das Jahr 1983 zurückgehen. Damals gab es 5,4 % blaue WählerInnen, zuletzt (2015) waren es 30,79 %, jetzt ist die FPÖ bei 7,11 % gelandet.
Der FPÖ-Generalsekretär Schnedlitz bejubelt den „Befreiungsschlag“, der mit dieser Wahl gelungen sei, der Landesparteisekretär Stumpf die „hervorragende Arbeit“, die Spitzenkandidat Nepp geleistet habe, und auf Facebook bestätigt sich die FPÖ Wien einen „perfekten Wahlkampf“. Alles paletti?
1/2 D. Nepp hat gestern bei der #Elefantenrunde behauptet, er habe die FPÖ Wien bei 6% übernommen und läge nun bei „11, 12,13%“. Nepp hat die Partei bei 21% (Unique Research 30.5.19) bzw. 24% (Research Affairs 19.7.19) übernommen. Tiefstwert war nach ca. 11 Monaten Nepp bei 8%
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) October 9, 2020
In der blauen Basis herrschen andere Töne vor. Die Grundstimmung ist mehr als gereizt. Beispielhaft: Als die FPÖ-Wählerin Katharina K. ihrem Spitzenkandidaten brav etwas Unterstützung zufächeln will („Wir haben gemeinsam gekämpft und sind gemeinsam gescheitert! Danke Dominik für deinen Einsatz! We are family!“), wird sie von Parteikamerad Karl P. in echt blauer Manier angefaucht: „sag bist du eine Englischlehrerin ? Nö und warum sprichst du nicht Deutsch ? Ich glaube dir schon das du mehr sprachig bist, doch bei uns spricht man Deutsch ! Hast du keinen heimatstolz ?“
Als eine andere blaue Parteifreundin einer, die jetzt Strache-Fan ist, etwas süßlich mitteilt „für dich tut’s mir leid …war klar das Strache Geschichte ist“, antwortet die grob: „darum geht es nicht aber deine Verallgemeinerung finde ich Letztklassig. Habe dich eigentlich für intelligenter gehalten“. Eine Mehrheit in den blauen Diskussionsforen ist sich darin einig, dass der Streit, die Aufspaltung in THC und FPÖ, verantwortlich ist für den Absturz beider Parteien. Bei der Antwort auf die Frage, wer die Schuld am Streit und der Spaltung trägt, liegen sich die (Ex)Blauen ziemlich unversöhnlich in der Wolle.
Einige wenige finden, man hätte nach Ibiza zusammenstehen müssen: „Wo war der Zusammenhalt nach Ibiza? Ganz ehrlich, diese ‚Freiheitliche Familie‘ ist doch nichts als ein schlechter Scherz..“ Das sehen auch andere so, auch wenn die den Familienfrieden eher durch Strache gestört sehen. Eine relative Mehrheit sammelt sich um die Position, dass die Spesenaffäre rund um Strache familiär nicht zuträglich war, wobei auch hier die einen Strache als alleinig Verantwortlichen, die anderen Nepp als Mitwisser sehen.
Als Reinhard H., ein alter Bekannter von uns, der in der Vergangenheit des Öfteren am 20. April auffällig geworden ist, einen etwas inkonsequenten Entlastungsversuch für Strache starten will, indem er die Entwirrung von dessen privaten von den öffentlichen Ausgaben zur alleinigen Aufgabe von Nepp erklärt, fährt ihm der frühere Leibfuchs und engste Vertraute von Strache, Johann Gudenus, in die Parade: „Falsch, lass dir bitte keinen Unsinn einreden“
Bei Strache und Gudenus kittet auch die burschenschaftliche Familiengemeinschaft nicht mehr. Die Standpunkte sind aber auch unter den blauen Fans ziemlich unversöhnlich: „Für mich ist der Nepp a lauf bubi der in da Schule nur fotzen bekommen hat. Also schönen Abend und Meinung anderer akzeptieren. Den ohne hc ist die FPÖ nix wie man sieht!“ Das wollen natürlich nicht alle so sehen: „Na egal, ich bin froh, dass es genügend intelligente Menschen gab, die ihm nicht gefolgt sind. Er hat Österreich schon genug geschadet“
Womit wir beim Motiv der angeblich fehlenden Intelligenz der WählerInnen angekommen wären. Ziemlich viele Blaue orten nämlich in dieser fehlenden Intelligenz der Wähler, der Wiener, der Österreicher (nur in der männlichen Variante!) den Grund für den Mißerfolg. Eine kleine Auswahl der Publikumsbeschimpfungen:
„Wien hat den Intelligenztest nicht bestanden!“, „Die Wiener sind einfach dumm“, „sind alle selber schuld“,“ Die dümmsten Wähler (rot-grün) wohnen in Wien!!!“, „die linke Dummheit regiert die Welt, oder zumindest Wien“, „Es bewahrheitet sich immer mehr, daß der Österreicher ein dummer Mensch ist. Es wird Zeit, das Land zu verlassen“
Nur einem Poster fällt auf, dass da etwas nicht zusammenpasst: „Letztklassige Verallgemeinerung. Erst schreien immer alle: „Wir sind das Volk!“, und nachdem das Volk abstimmt, sagen sie: Die sind alle deppert“
Diesem logischen Schluss kann man sich eigentlich nicht verweigern, aber freiheitliche Fans sind der Realität um etliche Längen voraus. Wer sagt denn, dass das Wahlvolk, das da so böse abstimmte, „unser“ Volk ist? „Unser“ im Sinne von deutsche Volksgemeinschaft nämlich, wie sie im FPÖ-Programm steht.
Der blaue Rüdiger aus Wels startet eine rassistische Ferndiagnose der Wiener Wählerschaft: „Es sind die neuen Wiener, schwarze Haare, schwarze Augen, Lippen so Dick wie ein Daumen und das Pimperl beschnitten, der Wiener von Morgen!“
Reicht das eigentlich für den Verdacht auf Verhetzung? Der Horst, der schon einschlägige Erfahrung mit der Justiz hat, drückt sich etwas vorsichtiger, aber ebenfalls im Sinne der Umvolkungs- oder Austausch-Hetze aus: „haha, welche Wiener? Oder meinst die Leut die in Wien wohnen?“
Christian bewältigt diese Entwicklung nur mit emotionaler Hilfe: „Ich bin sehr traurig. Ich glaube das einfach schon zu viele ‚nicht echte Wiener‘ da sind“ Etwas unbestimmter fällt die Ansicht von Michaela aus. Geht sie so wie der Michael davon aus, dass „Bankfamiele entscheidet wer regiert“, oder tickt sie so wie Christian und die anderen: „Meine Meinung: Dieses Ergebnis macht mich misstrauisch da stimmt doch was nicht“
Aus dem Meer von Mieselsüchtigkeit und Schuldzuweisungen ragt eine Stimme heraus. Sie gehört Thomas Unden, der seinen knappen Kommentar mit voller Rangbezeichnung abgibt, damit da nicht ein Hauch von Zweifel an der intellektuellen Kapazität aufkommen möge: „Jede Stimme, die man abgibt um dieses Politsystem am Leben zu erhalten, verlaengert nur den Weg zum notwendigen Zerfall und Zusammenbruch!“
Nepp hat sich das vielleicht nicht ganz so drastisch gewünscht, aber für die FPÖ trifft der Befund von Unden hoffentlich zu!