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Die FPÖ und das depperte Volk

Die Erzäh­lung, die sich Domi­nik Nepp, der Spit­zen­kan­di­dat Wie­ner FPÖ, vor der Wahl zurecht­ge­bas­telt hat­te, war ein­gän­gig, aber falsch: Er habe die Par­tei bei sechs Pro­zent über­nom­men, „jetzt lie­gen wir in Umfra­gen bei 11, 12, 13“. Gewor­den sind es etwas mehr als 7 Pro­zent – eine ver­nich­ten­de Nie­der­la­ge. Trotz­dem ist für die FPÖ-Spi­t­­ze alles bestens. […]

14. Okt 2020

Um ein ähn­lich schlech­tes Ergeb­nis der FPÖ bei Wie­ner Gemein­de­rats­wah­len zu fin­den, muss man bis in das Jahr 1983 zurück­ge­hen. Damals gab es 5,4 % blaue Wäh­le­rIn­nen, zuletzt (2015) waren es 30,79 %, jetzt ist die FPÖ bei 7,11 % gelandet.

Nepp in der Pressestunde: "FPÖ in Schlagreichweite um Platz 3 ... vielleicht auch Platz zwei möglich"
Nepp in der Pres­se­stun­de: „FPÖ in Schlag­reich­wei­te um Platz 3 … viel­leicht auch Platz zwei möglich”

Der FPÖ-Gene­ral­se­kre­tär Schned­litz beju­belt den „Befrei­ungs­schlag“, der mit die­ser Wahl gelun­gen sei, der Lan­des­par­tei­se­kre­tär Stumpf die „her­vor­ra­gen­de Arbeit“, die Spit­zen­kan­di­dat Nepp geleis­tet habe, und auf Face­book bestä­tigt sich die FPÖ Wien einen „per­fek­ten Wahl­kampf“. Alles paletti?

In der blau­en Basis herr­schen ande­re Töne vor. Die Grund­stim­mung ist mehr als gereizt. Bei­spiel­haft: Als die FPÖ-Wäh­le­rin Katha­ri­na K. ihrem Spit­zen­kan­di­da­ten brav etwas Unter­stüt­zung zufä­cheln will („Wir haben gemein­sam gekämpft und sind gemein­sam geschei­tert! Dan­ke Domi­nik für dei­nen Ein­satz! We are fami­ly!“), wird sie von Par­tei­ka­me­rad Karl P. in echt blau­er Manier ange­faucht: „sag bist du eine Eng­lisch­leh­re­rin ? Nö und war­um sprichst du nicht Deutsch ? Ich glau­be dir schon das du mehr spra­chig bist, doch bei uns spricht man Deutsch ! Hast du kei­nen hei­mat­stolz ?

FPÖ Wien: "freiheitliche Familie ... stärker denn je", "mehr als perfekter Wahlkampf"
FPÖ Wien: „frei­heit­li­che Fami­lie … stär­ker denn je”, „mehr als per­fek­ter Wahlkampf”

Als eine ande­re blaue Par­tei­freun­din einer, die jetzt Stra­che-Fan ist, etwas süß­lich mit­teilt „für dich tut’s mir leid …war klar das Stra­che Geschich­te ist“, ant­wor­tet die grob: „dar­um geht es nicht aber dei­ne Ver­all­ge­mei­ne­rung fin­de ich Letzt­klas­sig. Habe dich eigent­lich für intel­li­gen­ter gehal­ten“. Eine Mehr­heit in den blau­en Dis­kus­si­ons­fo­ren ist sich dar­in einig, dass der Streit, die Auf­spal­tung in THC und FPÖ, ver­ant­wort­lich ist für den Absturz bei­der Par­tei­en. Bei der Ant­wort auf die Fra­ge, wer die Schuld am Streit und der Spal­tung trägt, lie­gen sich die (Ex)Blauen ziem­lich unver­söhn­lich in der Wolle.

Eini­ge weni­ge fin­den, man hät­te nach Ibi­za zusam­men­ste­hen müs­sen: „Wo war der Zusam­men­halt nach Ibi­za? Ganz ehr­lich, die­se ‚Frei­heit­li­che Fami­lie‘ ist doch nichts als ein schlech­ter Scherz..“ Das sehen auch ande­re so, auch wenn die den Fami­li­en­frie­den eher durch Stra­che gestört sehen. Eine rela­ti­ve Mehr­heit sam­melt sich um die Posi­ti­on, dass die Spe­sen­af­fä­re rund um Stra­che fami­li­är nicht zuträg­lich war, wobei auch hier die einen Stra­che als allei­nig Ver­ant­wort­li­chen, die ande­ren Nepp als Mit­wis­ser sehen.

Als Rein­hard H., ein alter Bekann­ter von uns, der in der Ver­gan­gen­heit des Öfte­ren am 20. April auf­fäl­lig gewor­den ist, einen etwas inkon­se­quen­ten Ent­las­tungs­ver­such für Stra­che star­ten will, indem er die Ent­wir­rung von des­sen pri­va­ten von den öffent­li­chen Aus­ga­ben zur allei­ni­gen Auf­ga­be von Nepp erklärt, fährt ihm der frü­he­re Leib­fuchs und engs­te Ver­trau­te von Stra­che, Johann Gude­nus, in die Para­de: „Falsch, lass dir bit­te kei­nen Unsinn ein­re­den

Bei Stra­che und Gude­nus kit­tet auch die bur­schen­schaft­li­che Fami­li­en­ge­mein­schaft nicht mehr. Die Stand­punk­te sind aber auch unter den blau­en Fans ziem­lich unver­söhn­lich: „Für mich ist der Nepp a lauf bubi der in da Schu­le nur fot­zen bekom­men hat. Also schö­nen Abend und Mei­nung ande­rer akzep­tie­ren. Den ohne hc ist die FPÖ nix wie man sieht!“ Das wol­len natür­lich nicht alle so sehen: „Na egal, ich bin froh, dass es genü­gend intel­li­gen­te Men­schen gab, die ihm nicht gefolgt sind. Er hat Öster­reich schon genug gescha­det

Womit wir beim Motiv der angeb­lich feh­len­den Intel­li­genz der Wäh­le­rIn­nen ange­kom­men wären. Ziem­lich vie­le Blaue orten näm­lich in die­ser feh­len­den Intel­li­genz der Wäh­ler, der Wie­ner, der Öster­rei­cher (nur in der männ­li­chen Vari­an­te!) den Grund für den Miß­er­folg. Eine klei­ne Aus­wahl der Publikumsbeschimpfungen:

Wien hat den Intel­li­genz­test nicht bestan­den!“, „Die Wie­ner sind ein­fach dumm“, „sind alle sel­ber schuld“,“ Die dümms­ten Wäh­ler (rot-grün) woh­nen in Wien!!!“, „die lin­ke Dumm­heit regiert die Welt, oder zumin­dest Wien“, „Es bewahr­hei­tet sich immer mehr, daß der Öster­rei­cher ein dum­mer Mensch ist. Es wird Zeit, das Land zu ver­las­sen

"wie dumm die Wiener sind"
„wie dumm die Wie­ner sind”

Nur einem Pos­ter fällt auf, dass da etwas nicht zusam­men­passt: „Letzt­klas­si­ge Ver­all­ge­mei­ne­rung. Erst schrei­en immer alle: „Wir sind das Volk!“, und nach­dem das Volk abstimmt, sagen sie: Die sind alle dep­pert

Die­sem logi­schen Schluss kann man sich eigent­lich nicht ver­wei­gern, aber frei­heit­li­che Fans sind der Rea­li­tät um etli­che Län­gen vor­aus. Wer sagt denn, dass das Wahl­volk, das da so böse abstimm­te, „unser“ Volk ist? „Unser“ im Sin­ne von deut­sche Volks­ge­mein­schaft näm­lich, wie sie im FPÖ-Pro­gramm steht.

Der blaue Rüdi­ger aus Wels star­tet eine ras­sis­ti­sche Fern­dia­gno­se der Wie­ner Wäh­ler­schaft: „Es sind die neu­en Wie­ner, schwar­ze Haa­re, schwar­ze Augen, Lip­pen so Dick wie ein Dau­men und das Pim­perl beschnit­ten, der Wie­ner von Mor­gen!

Reicht das eigent­lich für den Ver­dacht auf Ver­het­zung? Der Horst, der schon ein­schlä­gi­ge Erfah­rung mit der Jus­tiz hat, drückt sich etwas vor­sich­ti­ger, aber eben­falls im Sin­ne der Umvol­kungs- oder Aus­tausch-Het­ze aus: „haha, wel­che Wie­ner? Oder meinst die Leut die in Wien woh­nen?

Chris­ti­an bewäl­tigt die­se Ent­wick­lung nur mit emo­tio­na­ler Hil­fe: „Ich bin sehr trau­rig. Ich glau­be das ein­fach schon zu vie­le ‚nicht ech­te Wie­ner‘ da sind“ Etwas unbe­stimm­ter fällt die Ansicht von Michae­la aus. Geht sie so wie der Micha­el davon aus, dass „Bank­fa­mie­le ent­schei­det wer regiert“, oder tickt sie so wie Chris­ti­an und die ande­ren: „Mei­ne Mei­nung: Die­ses Ergeb­nis macht mich miss­trau­isch da stimmt doch was nicht

Aus dem Meer von Mie­sel­süch­tig­keit und Schuld­zu­wei­sun­gen ragt eine Stim­me her­aus. Sie gehört Tho­mas Unden, der sei­nen knap­pen Kom­men­tar mit vol­ler Rang­be­zeich­nung abgibt, damit da nicht ein Hauch von Zwei­fel an der intel­lek­tu­el­len Kapa­zi­tät auf­kom­men möge: „Jede Stim­me, die man abgibt um die­ses Polit­sys­tem am Leben zu erhal­ten, ver­laen­gert nur den Weg zum not­wen­di­gen Zer­fall und Zusam­men­bruch!

Nepp hat sich das viel­leicht nicht ganz so dras­tisch gewünscht, aber für die FPÖ trifft der Befund von Unden hof­fent­lich zu!

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