Der Neue und der Deutsche Klub: Austro-Nazis in der Hofburg

Zu den Insignien der poli­tis­chen Macht auf baulich­er Ebene gehören in Öster­re­ich das Bun­deskan­zler­amt, das Par­la­ment und die Hof­burg, genauer: der Leopol­dinis­che Trakt, wo sich der Amtssitz des Bun­de­spräsi­den­ten befind­et. In diesem Trakt war in der Ersten Repub­lik, auch in der Ära des Aus­tro­faschis­mus, der Deutsche Klub ein­quartiert – die Aus­tro-Nazis. Die Geschichte dieses bish­er zu wenig beachteten Vere­ins, die auch in der zweit­en Repub­lik ihre Fort­set­zung fand, wird jet­zt in einem Buch erzählt.

Wenn es eine Kon­ti­nu­ität gibt, die von der Grün­dung des Deutschen Klubs im Jahr 1908 bis zum Neuen Klub in der Zweit­en Repub­lik reicht, dann ist das wohl der Deutschna­tion­al­is­mus und der Anti­semitismus. Einen „Vere­in im Geiste Georg Schöner­ers“ betiteln die AutorIn­nen des Buch­es „Der Deutsche Klub. Aus­tro-Nazis in der Hof­burg“ das Kapi­tel über dessen Grün­dungs­geschichte. Damit ist eigentlich schon fast die Pro­gram­matik des Vere­ins umris­sen: Schöner­er, der radikale Anti­semit, Vor­bild für Hitler, Eifer­er für eine großdeutsche Lösung, Burschen­schafter. Der Deutsche Klub wurde dementsprechend auch von Kor­pori­erten aus der Taufe gehoben: der Vere­ini­gung alter Burschen­schafter und dem Kyffhäuserver­band. Der wesentliche Unter­schied war allerd­ings, dass der Klub die Spal­tun­gen und die Sek­tier­erei, für die Schöner­er in der deutschna­tionalen Szene ger­adezu par­a­dig­ma­tisch stand, über­winden wollte. Daher fan­den sich in ihm auch die Vertreter so ziem­lich aller deutschna­tion­al gesin­nten Parteien – von der Deutschen Fortschrittspartei über die Deutschradikalen bis hin zur Deutschen Arbeit­er­partei, aus der dann 1918 die Deutsche Nation­al­sozial­is­tis­che Arbeit­er­partei (DNSAP) des Wal­ter Riehl hervorging.

Der Anwalt Wal­ter Riehl, der ein beson­ders eifriger und radikaler Pro­po­nent des Deutschen Klubs war, war übri­gens der Vertei­di­ger des Mörders von Hugo Bet­tauer, der Schat­ten­dorf-Mörder und weit­er­er Recht­sex­tremer, die man heute wohl in die Rubrik Rechts- oder Nazi-Ter­ror­is­ten einord­nen würde. Am Beispiel des Prozess­es gegen den Bet­tauer-Mörder Otto Roth­stock zeigt das Buch auf, wie die Net­zw­erke des Deutschen Klubs funk­tion­iert haben. Vertei­di­ger war das Klub­mit­glied Wal­ter Riehl, Ankläger bzw. Staat­san­walt war Franz Bucek,

der spätestens 1919 zum Deutschen Klub gestoßen war. Möglicher­weise hat­te Riehl, der als Vor­standsmit­glied für Neuauf­nah­men in den Vere­in zuständig war, diese sog­ar abge­seg­net. Auch der Vor­sitzende Ernst Ram­sauer wies – zumin­d­est in den fol­gen­den Jahren – Verbindun­gen zum Deutschen Klub auf und referierte im Novem­ber 1928 in der Hof­burg zur ‚Stän­de­be­we­gung‘. (S. 73)

Zum Staat­san­walt wird die Tageszeitung „Der Tag“ aus dem Jahr 1927 zitiert, in der es heißt: „Das, was er Anklagerede nan­nte, war in Wahrheit ein Plä­doy­er für den Angeklagten und charak­ter­isiert sich am besten dadurch, daß es nicht ein­mal in einem Strafantrag gipfelte.“ (S. 73)

Roth­stock wurde fol­gerichtig freige­sprochen, aber in eine psy­chi­a­trische Klinik eingewiesen, aus der er nach einem Rekurs von Riehl beim Ober­sten Gericht­shof (OGH) nach 18 Monat­en wieder ent­lassen wurde. Riehls Adres­sat beim OGH war dessen Vor­sitzen­der Julius Roller – eben­falls Mit­glied im Deutschen Klub. Der andere, zweite Vor­sitzende des OGH, war Franz Ding­hofer – natür­lich auch im Deutschen Klub vertreten. Nach dem Anti­semiten und NSDAP-Mit­glied Ding­hofer ist übri­gens das in FPÖ-Nähe ange­siedelte gle­ich­namige Insti­tut benan­nt. Auch einen Ding­hofer-Preis, ein Sym­po­sium und eine Straße in Linz sind nach ihm benannt.

Mit der Hof­burg, in der der Vor­sitzende des Geschwore­nen­gerichts, Ernst Ram­sauer im Novem­ber 1928 referierte, waren natür­lich die Räum­lichkeit­en im Leopol­dinis­chen Trakt gemeint, wo der Deutsche Klub ab 1923 seinen Sitz hat­te. Der Bun­de­spräsi­dent resi­dierte in der Ersten Repub­lik noch nicht im Leopol­dinis­chen Trakt, son­dern am Ball­haus­platz, im Bun­deskan­zler­amt, also unmit­tel­bar gegenüber. Aber die Hof­burg war natür­lich auch damals ein schw­er sym­bol­isch aufge­laden­er Ort der Macht (so wie jet­zt für die Burschen­schaften und ihren Ball). Schon vor dem tödlichen Atten­tat auf Engel­bert Doll­fuß und dem gescheit­erten Putschver­such der Nazis im Juli 1934 war der Deutsche Klub, der zu dieser Zeit schon deut­lich auf NS-Kurs war, Gegen­stand von medi­alen Ver­mu­tun­gen („Der Deutsche Klub – eine Nazi-Zelle?“) und von polizeilichen Ermit­tlun­gen, die aber – so wie die Ermit­tlun­gen nach dem Atten­tat – erfol­g­los blieben. Die AutorIn­nen dazu trock­en: „Das war wohl den guten Verbindun­gen des Deutschen Klubs zur Polizei geschuldet.“ (S. 138)

Das muss man sich ein­mal vorstellen: Obwohl der Hochver­rat­sprozess gegen die Doll­fuß-Atten­täter im Jahr 1935 die Ver­wick­lun­gen des Deutschen Klubs in den Putschver­such der Nazis offen­legte, ja sog­ar Tre­f­fen von Putschis­ten in den Räum­lichkeit­en nachgewiesen wur­den (S. 140), blieben der Deutsche Klub und seine Räum­lichkeit­en in der Hof­burg weit­ge­hend unbe­hel­ligt – er durfte bis Okto­ber 1939 noch weit­er existieren. Dann macht­en die Nazis, denen der Klub (so wie die Burschen­schaften) den Weg bere­it­et hat­ten, Schluss mit dem Verein.

Kapi­tel 7 des Buch­es wid­met sich den Kriegsver­brech­ern, die aus dem Deutschen Klub her­vorge­gan­gen waren und die in den ersten Kriegsver­brecherlis­ten nach 1945 auch noch ange­führt waren. Sie kon­nten sich jedoch, teil­weise durch dreiste Lügen, her­ausre­den und stießen schon bald wieder auf für sie fre­undliche poli­tis­che Verhältnisse.

Nach dem Abzug der Alli­ierten 1955 und der Amnestierung der schw­er belasteten Nazis 1957 ging es dann auch schnell mit der Neu­grün­dung des Deutschen Klubs. Bere­its 1956, wenige Tage nach der Grün­dung der FPÖ, hat­te sich der Recht­san­walt Wil­helm Buch­ta schriftlich bestäti­gen lassen, dass der Deutsche Klub 1939 durch Gauleit­er Bür­ck­el aufgelöst wor­den war – ein „Per­silschein“ sozusagen. Weil der Name aber doch etwas zu streng nach dem NS roch, wurde der alte Deutsche Klub als Neuer Klub am 20. Mail wiederge­grün­det und schon bald mit Funk­tionären, Mit­gliedern und Ref­er­enten befüllt, die sich der alten Zeit und der alten Gesin­nung weit­er­hin verpflichtet fühlten – wie etwa der Grün­dung­sob­mann Erich Führer, ein Burschen­schafter und ille­galer Nazi.

Das Kapi­tel zum Neuen Klub enthält zwar nur wenige Anmerkun­gen zu den let­zten Jahren, ist aber den­noch so auf­schlussre­ich wie die vorherge­hen­den. Vere­ine wie der Neue Klub sind Teil eines Net­zw­erkes von teil­weise öffentlich kaum sicht­baren recht­sex­tremen Organ­i­sa­tio­nen und Struk­turen, die über die Jahrzehnte hin­weg im Umfeld der FPÖ tätig sind und der Partei auch in schlechteren Zeit­en Macht, Ein­fluss und recht­sex­treme Ide­olo­gie sichern.

Andreas Huber, Lin­da Erk­er, Klaus Taschw­er, Der Deutsche Klub. Aus­tro-Nazis in der Hof­burg. Czernin-Ver­lag, Wien 2020

Cover Andreas Huber, Linda Erker, Klaus Taschwer, Der Deutsche Klub. Austro-Nazis in der Hofburg. Czernin-Verlag, Wien 2020

Cov­er Andreas Huber, Lin­da Erk­er, Klaus Taschw­er, Der Deutsche Klub. Aus­tro-Nazis in der Hof­burg. Czernin-Ver­lag, Wien 2020