Vorneweg: Betreiber von FB-Accounts können ihre Seiten und Profile jederzeit offline und dann wieder online stellen. Geht Straches Rechtsstreit mit der FPÖ zu seinen Gunsten aus – was als unwahrscheinlich gilt –, könnte er die Seite theoretisch wieder aktivieren. Jedoch, so berichtet der Standard, gibt es dafür eine Hürde: „Facebook bindet hierbei seine Nutzer jedoch an eine 14-tägige Frist. In der Regel wird eine Seite dann permanent entfernt. Für Strache ist das freilich ärgerlich, da eine juristische Auseinandersetzung wohl weitaus mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Daher müsste der aufgrund von Korruptionsfantasien ausgeschiedene Politiker auf eine Ausnahme durch das Unternehmen hoffen. Unmöglich ist das nicht: In der Vergangenheit hat sich der Konzern gegenüber Business-Accounts ein wenig kulanter verhalten. Solche werden genutzt, um Werbung auf dem sozialen Netzwerk zu buchen. Das Business-Konto, welches für die Strache-Seite verwendet wurde, liegt in FPÖ-Hand. Über diesen Account müsste eine gesonderte Kontaktaufnahme erfolgen, bei der Facebook von Fall zu Fall entscheidet – ein Schritt, der erst nach einem Rechtsstreit getätigt werden kann.“
Umgekehrt gilt das natürlich auch für die FPÖ. Das Offline-Schalten der Seite hat derweilen einen durchaus praktischen Nebeneffekt: Die Strache-Page hat in den letzten Monaten Fans verloren. Einer nicht publizierten Seite kann das Page-Like nicht entzogen werden. Also verhindert die FPÖ mit diesem Schritt gleichzeitig ein Wegdriften der Fans.
Für die FPÖ ist die Seite, wenn sie unter Straches Namen läuft, wertlos. Bei Umbenennungen und Zusammenlegungen von Seiten ist Facebook im Laufe der Jahre restriktiver geworden, und das mit gutem Grund. Wir erinnern uns etwa an das ewige Wahljahr 2016, als die mit historischen Ansichten der Tiroler Hauptstadt bespielte Seite „Das alte Innsbruck“ mit ca. 12.000 Fans plötzlich in „Innsbruck für Norbert Hofer“ umbenannt wurde. Und schon damals ließ FB zumindest nicht die Umbenennung der URL zu: „Wer hinter der Seite steckt, ist unklar. Obwohl sie offiziell ‚Innsbruck für Norbert Hofer’ heißt, musste der alte Nutzername @DasAlteInnsbruck beibehalten werden. Laut Facebook-Statuten dürfte die Umbenennung die Nutzungsbedingungen der sozialen Plattform verletzen. Denn dort heißt es, dass eine Namensänderung oder Zusammenführung mit einer zweiten Seite nicht ‚irreführend’ sein dürfe.“ (derstandard.at, 12.7.16) Ebenfalls im Jahr 2016 taufte sich die Seite „Rücktritt Werner Faymann“ mit immerhin fast 53.000 Fans plötzlich in „Van der Bellen verhindern – Rücktritt Werner Faymann“ um.
Zurück zur Strache-Page: Sie zählte zweifellos zu den größten Hetzmedien in Österreich, auf der auch gezielt Falschmeldungen verbreitet wurden, mit denen Stimmung erzeugt wurde: gegen „die Ausländer“, gegen Geflüchtete, gegen politische MitbewerberInnen. Nur eines von vielen Beispielen: Im Juli 2016 verbreitete Strache über den rechtsextremen Attentäter von München, dieser habe „Allahu Akbar“ gerufen, samt der Schlussfolgerung, es gäbe noch immer „die gefährlichen und unverantwortlichen Beschwichtigungsvertreter“ – das zu einem Zeitpunkt, als die Polizei schon längst klargestellt hatte, es wären Bezüge zum norwegischen Attentäter Anders Breivik herstellbar. Das Posting blieb stehen, ob es die FPÖ oder Strache überhaupt jemals gelöscht hat, wissen wir nicht – falls ja, sehr, will heißen, zu spät, denn der Hass war ins Rollen gekommen. Nicht zuletzt über zahlreiche Shares und andere Parteiaccounts wie jenen von Harald Vilimsky.
Emotionalisierende Falschmeldungen, die bis Mai 2019 dauernde unselige Allianz mit der Kronen Zeitung im Mix mit einem beträchtlichen finanziellen Aufwand für Werbung haben für eine relevante Reichweite gesorgt. Jedoch auch die allgemeine Rezeption: Die Medien berichteten häufig über Skandalpostings und über die Fananzahl, zweiteres so undifferenziert, dass die Bedeutung der Seite hinaufgeschrieben wurde.
Ein paar Zahlen zum Geraderücken
Bei unserer letzten Überprüfung im Juni 2018 zur Herkunft der Fans von Straches Seite (Facebook stellte Mitte 2018 die Möglichkeit zum „Like-Check“ ein) waren von 775.595 Fans gerade einmal 451.590 Österreich zugeordnet, 265.690 Deutschland, der Rest entfiel auf andere Länder. Strache, respektive die FPÖ, hatte für die Seite auch gezielt Werbung in Deutschland, später dann ebenfalls in Italien geschaltet. Das zeigt zweierlei: Die erzielte Reichweite hatte für Österreich nicht jene Relevanz, die ihr aufgrund der Gesamtzahl der Fans zugeschrieben wurde und Straches Seite war in Österreich am Plafonds angelangt, denn hierzulande ließ sich offenbar kaum noch Wachstum erzeugen. In 20 Monaten – ab Oktober 2016 bis Juni 2018 – wuchs Straches Anteil bei österreichischen „Fans“ von 310.552 auf 451.590 an, also um 141.000 Fans. Jene von Deutschland steigerten sich im selben Zeitraum um 181.000 Fans, von 84.417 auf 265.690. Auch der Zuwachs innerhalb des letzten Jahres war bescheiden: Bis zu Straches Rücktritt im Mai 2019 war gerade einmal ein Plus von 25.000 Fans zu verzeichnen – insgesamt.
Mit Straches FB-Seite wurden auch sein Instagram- und Twitter-Account offline genommen. Dazu die Konten seiner Frau Philippa, die offenbar ebenfalls von der Partei bespielt wurden.
Straches Meldungen dazu lassen erahnen, was nun folgen könnte: Die innerparteiliche Gemengelage scheint explosiv zu sein, die Zurechnungsfähigkeit mancher Akteure eingeschränkt. „Österreich“ schreibt bereits das politische Comeback von Strache mit einer eigenen Liste herbei. Strache selbst postet auf seinem FB-Profil: „Jedes Ende ist ein neuer Anfang. Keine Sorge, ich komme nicht nur auf der Facebook-Fanseite wieder.“ In diesem Streit könnte jedenfalls noch sehr viel Dreck hochgeschwemmt werden, der sich im blauen Familiensumpf angesammelt hat.