Halle/Saale: Die Türe hielt

Noch ist vieles unklar bei den Attack­en von Halle und Lands­berg. Gab es mehrere Täter oder doch nur einen, wie die Polizei zulet­zt behauptete? Deut­lich leucht­en aber die recht­sex­tremen Motive des oder der Täter aus Ablauf und Zie­len der Attack­en her­vor. Auch die Gen­er­al­bun­de­san­waltschaft ist sich mit­tler­weile sich­er. Als Täter und mut­maßlich­er Mörder von zwei Per­so­n­en wurde mit­tler­weile Stephan B. (27) ver­haftet. Die feste, geschlossene Tür der Syn­a­goge von Halle hat ein Mas­sak­er verhindert.

Mit ein­er Helmkam­era hat der mut­maßliche Atten­täter Stephan B. seine Morde gefilmt und über eine Gamer-Plat­tform live über­tra­gen. Darauf zu sehen ist, „wie B. eine Pas­san­tin in der Nähe des jüdis­chen Fried­hofs sowie einen Gast in einem Dön­er-Bistro in der Nähe der Syn­a­goge erschießt.“ (spiegel.de, 9.10.19)

Auf dem Video schimpft der Täter mehrmals über „Juden“ und „Kanaken“, spricht Englisch und Deutsch, leugnet den Holo­caust. Der „Kuri­er“, der das Video gese­hen hat, hat dazu ein Ablauf­pro­tokoll verfasst.

Dem­nach hat der Mann mit der Helmkam­era – ganz offen­sichtlich ein Zitat des Massen­mörders von Christchurch – auch ver­sucht, in die Syn­a­goge von Halle gewalt­sam einzu­drin­gen, schießt auf die ver­schlossene Ein­gangstür, hin­ter der sich zum Zeit­punkt des Angriffs 70 bis 80 Per­so­n­en ver­sam­melt haben, um Jom Kip­pur, das jüdis­che Ver­söh­nungs­fest, zu feiern. Der Vorste­her der jüdis­chen Gemeinde von Halle kann den Täter über eine Kam­era beobacht­en: „Der Täter schoss mehrfach auf die Tür und warf auch mehrere Molo­tow­cock­tails, Böller oder Granat­en, um einzu­drin­gen. Aber die Tür blieb zu, Gott hat uns geschützt. Das Ganze dauerte vielle­icht fünf bis zehn Minuten.” (spiegel.de, 9.10.19)

Eine feste, geschlossene Tür und eine aufmerk­same Saalwache kon­nten also ein Mas­sak­er ver­hin­dern. Nicht die Polizei, denn der son­st bei jüdis­chen Ein­rich­tun­gen übliche Polizeis­chutz fehlte. Zweifel­los ein Skan­dal: „Der Zen­tral­rat der Juden erhob schwere Vor­würfe gegen die Behör­den. Es sei skan­dalös und fahrläs­sig, dass die Sicher­heit­skräfte die Syn­a­goge an solch einem hohen Feiertag nicht geschützt hät­ten.“ (FAZ.net, 9.10.19)

Offen­sichtlich aus Frust über seinen miss­lun­genen Angriff auf die Syn­a­goge erschoss Stephan B. dann eine Pas­san­tin, die an der Syn­a­goge vor­beig­ing. Im „Kuri­er“ wird dieser bru­tale Mord so beschrieben: „Eine Pas­san­tin, sie scheint aus der Stadt zu sein und keine Migran­tin, geht an dem bewaffneten Mann mit seinem Kamp­fanzug vor­bei, sie scheint vor allem ver­wun­dert, über die Erschei­n­ung, aber nicht verängstigt oder alarmiert. Sie geht an dem Täter vor­bei, als sie sein Autopassiert, schießt der Täter mit ein­er Waffe, die drei schnelle Schüsse hin­tere­inan­der abgibt, der Frau in den Rück­en. Die Frau fällt sofort zu Boden und bleibt regungs­los liegen.“

Der Täter hat­te aber in klas­sisch neon­azis­tis­ch­er Ide­olo­gie neben der Ermor­dung von jüdis­chen Men­schen noch ein anderes Ziel: einen Dön­er­laden, in dem er einen weit­eren Mord begeht.

Ein Angestell­ter ver­steckt sich hin­ter ein­er Küh­lvit­rine für Getränke. Der Täter geht immer wieder auf den Mann zu, offen­bar ver­sagen erneut seine selb­st­ge­baut­en Waf­fen. Dann, durch einen kleinen Spalt, erschießt er den dort kauern­den Mann, er scheint sofort tot zu sein.“ (Kuri­er)

So wie bei der Pas­san­tin kehrt er auch in diesem Fall noch ein­mal zu dem Toten zurück und schießt mehrmals auf den Leich­nam. Ob und welche Beziehung zu den Schüssen in Lands­berg beste­ht, bei denen ein Mann und eine Frau schw­er ver­let­zt wur­den, ist noch nicht ganz klar. Die Polizei geht mit­tler­weile davon aus, dass es sich um ein- und dieselbe Täter­per­son handelt.

Bei dem als „Einzeltäter“ präsen­tierten Stephan B. han­delt es sich dem­nach um eine Per­son aus ein­er kleinen Gemeinde in der Nähe von Eisleben (Sach­sen-Anhalt), die bis­lang noch nicht recht­sex­trem auf­fäl­lig gewe­sen sei. Aber warten wir mal ab, was die Antifa in Sach­sen-Anhalt dazu sagt!

Tweet Teresa Bücker: "Der Begriff „Einzeltäter“ ist irreführend. Er blendet aus, dass Menschen sich eben nicht allein radikalisieren, sondern eingebettet in soziale Gefüge, Diskurse, dass es Vorbilder gibt. Der Begriff beruhigt, wo es keine Beruhigung geben darf. #halle"

Tweet Tere­sa Bück­er: „Der Begriff „Einzeltäter“ ist irreführend. Er blendet aus, dass Men­schen sich eben nicht allein radikalisieren, son­dern einge­bet­tet in soziale Gefüge, Diskurse, dass es Vor­bilder gibt. Der Begriff beruhigt, wo es keine Beruhi­gung geben darf. #halle”

Der Atten­täter soll vor kurzem Doku­mente ins Inter­net geladen haben, die den geplanten Ablauf der Tat und seine Moti­va­tion schildern und als eine Art von „Man­i­fest“ inter­pretiert wer­den – auch das ein Zitat des Atten­täters von Christchurch. Die Doku­mente „zeigen zudem extrem men­schen­ver­ach­t­ende Ein­stel­lun­gen, die zu Äußerun­gen des Atten­täters aus einem Video passen. Der 27-Jährige sieht sich dem­nach in einem ‚Rassenkrieg’, Ziel sei es, möglichst viele ‚Anti-Weiße’ zu ermor­den, Juden seien dabei ‚bevorzugt’.

Aus den Doku­menten wird zudem deut­lich, wie weit die ‚Gam­i­fi­ca­tion’ des Ter­rors fort­geschrit­ten ist: In Online-Com­mu­ni­ties bew­erten Nutzer Anschläge und vergeben Punk­te dafür. Sog­ar einen High­score gibt es. Ter­ror und Gewalt wer­den in diesen Kreisen äußerst zynisch behan­delt, als ob es sich lediglich um ein Spiel han­dele. Opfer wer­den ver­höh­nt, Has­skom­mentare gegen Min­der­heit­en und Frauen sind Teil dieser Subkultur. (…) 

Er habe eigentlich einen Angriff auf eine Moschee oder ein linkes Zen­trum geplant, heißt es außer­dem. Er habe sich dann aber für die Syn­a­goge entsch­ieden, weil Juden aus sein­er Sicht die Regierung in Deutsch­land steuerten und daher attack­iert wer­den müssten.“ (tagesschau.de, 10.10.19)

Ein direk­ter Zusam­men­hang mit den Razz­ien, die die bay­erischen Behör­den am Mor­gen des gle­ichen Tages, also am 9. Okto­ber, gegen mehrere Objek­te bzw. sieben Beschuldigte aus dem Neon­azi-Milieu rund um Blood & Hon­our, C 18 usw. wegen divers­er im Juli ver­sandter Drohschreiben durch­führen ließen, dürfte nicht gegeben sein.