Sibylle G. hat sich während ihrer zwei Befragungen im BVT-U-Ausschuss bei ihrem Dienstgeber im Innenministerium wohl kaum beliebt gemacht. Die Durchsuchung ihres Büros, die Mitnahme von Unmengen von Daten haben bereits zu großem Aufsehen geführt. Dazu twitterte der SPÖ-Abg. Kai Jan Krainer auch noch:
„Das Protokoll der Hausdurchsuchung bei #BVTReferatsleiterin G. ist per Boten von der EGS am Tag nach der HD ins Büro von Kickl gebracht worden. Damit hatten Kickl und Mitarbeiter Zugriff auf alle Mails und Daten von G. (PW im Protokoll)!“
Das Protokoll der Hausdurchsuchung bei #BVT Referatsleiterin G. ist per Boten von der EGS am Tag nach der HD ins Büro von Kickl gebracht worden. Damit hatten Kickl und Mitarbeiter Zugriff auf alle Mails und Daten von G. (PW im Protokoll)!
— Jan Krainer (@KrainerJan) 13. Februar 2019
Wenig beachtet wurde bislang G.s Aussage, wonach aufgrund von Ressourcenmangel die Hinweise an die NS-Meldestelle kaum noch bearbeitet werden könnten. „Stoppt die Rechten“ hat auf die Brisanz dieser Aussage aufmerksam gemacht.
Das wäre einmal eine parlamentarische Anfrage wert. Wenn Hinweise nicht bearbeitet werden, dann könnte es leicht sein, dass auch deshalb die Fallzahlen sinken pic.twitter.com/Yj8XizTeNT
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) 13. Februar 2019
Die Grünen im Bundesrat haben nun reagiert und eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Herbert Kickl gerichtet. In 13 Fragen wollen sie u.a. Antworten darauf erhalten, wie und wann es zu diesem Ressourcenmangel gekommen ist, sodass sich ein Rückstau von hunderten Hinweisen ergeben hat, ob Kickl davon wusste, was er unternommen hat, um eine zeitgerechte Bearbeitung zu gewährleisten und ob es bereits zu Verjährung von Delikten gekommen ist. Interessant wird auch die Antwort auf die Frage, ob „es bei den Hinweisen eine Erstsichtung [gibt]“ und ob „dringliche Fälle (wegen der Schwere des möglichen Delikts, wegen möglicher Gefahr in Verzug, wegen Verjährung) vorgereiht“ werden.
Genau hier sind wir nun an einem sehr heiklen Punkt: Jede Behörde in Österreich ist dazu verpflichtet, bei mutmaßlichen Verstößen gegen das Verbotsgesetz von sich aus tätig zu werden, sobald sie davon Kenntnis erlangt. Falls in der NS-Meldestelle Hinweise eingelangt sind, die nicht bearbeitet und sogar verjährt sind, wäre es zu klären, ob diese Versäumnisse für die Verantwortlichen nicht juristische Konsequenzen nach sich ziehen müssten.
Nun zitiert „Der Standard“ aus dem Protokoll des U‑Ausschusses: „Das BVT war zeitweise mit ‚600 Hinweisen im Rückstand’, wodurch ‚die Gefahr von Verjährungen auch sehr, sehr groß war’, sagte G. laut einem vorläufigen Protokoll, das dem STANDARD vorliegt. Teilweise war es sogar zu Verjährungen gekommen. G. habe mehr Ressourcen angefordert, diese jedoch nicht erhalten.“
Wir erfahren also nicht nur, dass 600 Hinweise bislang unbearbeitet abliegen (was ca. 50% aller Hinweise, die pro Jahr bei der Meldestelle einlangen, ausmacht), sondern zusätzlich, dass es bereits zu Verjährungen gekommen sein soll. Da bestimmte Vergehen nach dem Verbotsgesetz eine relativ lange Verjährungsfrist haben, gehen wir davon aus, dass es sich hierbei um andere Delikte wie Verhetzung handelt.
Unterm Strich bleibt in jedem Fall, dass Delikte möglicherweise nicht verfolgt werden, weil die zuständige Stelle im Innenministerium keine Zeit hatte, sie zu bearbeiten und dass dadurch die offiziell vom Innenministerium bekannt gegebenen Fallzahlen zu rechtsextrem motivierten Straftaten realiter höher liegen könnten – in welchem Ausmaß, werden wir bei der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage in zwei Monaten erfahren. Hoffentlich!
Parlamentarische Anfrage: anfrage_ns-meldestelle