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Die feigen Gestalten da oben

Wenn Stra­che selbst rei­men muss und nicht den Kickl dafür nut­zen kann, dann klappt’s nicht. Aber nicht nur aus die­sem Grund soll­te er das Spott­ge­dicht, das Theo­dor Kör­ner zuge­schrie­ben wird, end­lich von sei­ner Face­­book-Sei­­te ent­fer­nen und alle Fans, die von ihm oder aus ande­ren Quel­len die Rei­me geteilt haben, war­nen: Ach­tung, die Ver­se stam­men nicht […]

13. Sep 2018
Screenshot Strache mit Fake-Zitat von Körner
Strache mit Fake-Zitat von Körner

Der Rei­he nach: Stra­che hat sei­ne Ver­se schon 2012 auf die Pinn­wand sei­ner Face­book-Sei­te gestellt, aller­dings in einer „verhatsch­ten“ Form:
„Noch sitzt Ihr da oben, Ihr fei­gen Gesellen.
Vom Fein­de bezahlt, doch dem Vol­ke zum Spott!
Doch einst wird wie­der Gerech­tig­keit walten,
dann rich­tet das Volk, dann gna­de Euch Gott!”

Natür­lich müss­te es „Ihr fei­gen Gestal­ten“ hei­ßen, damit es sich auf „wal­ten“ reimt. Aber das ist dabei noch das gerings­te Pro­blem. Stra­che ver­sah die Ver­se mit einem Hin­weis auf den ver­meint­li­chen Urhe­ber „Theo­dor Kör­ner (1791–1813)“ und der mah­nen­den Fra­ge: „Gedan­ken zur Eurokratie?“

Seit Jah­ren schon kur­sie­ren die Ver­se in den sozia­len Netz­wer­ken und erfreu­en sich gro­ßer und unge­bro­che­ner Beliebt­heit bei denen, die schon die Volks­ge­rich­te für die vom Feind bezahl­ten Volks­ver­rä­ter „da oben“ geis­tig ein­üben. Natür­lich las­sen sich die Ver­se nicht nur gegen die von Stra­che vor­ge­schla­ge­ne Euro­kra­tie ein­span­nen, son­dern gegen alle, die „da oben“ sit­zen. Da wird nicht sehr genau differenziert.

Screenshot Strache mit Fake-Zitat von Körner
Stra­che mit Fake-Zitat von Körner

Jetzt sitzt Stra­che „da oben“, was ein Pro­blem bei der Ver­wen­dung der Ver­se dar­stel­len könn­te. Aber die Rei­me sind ein­gän­gig und stam­men außer­dem von dem in Bur­schen­schaf­ter­krei­sen sehr belieb­ten deut­schen Dich­ter Theo­dor Kör­ner – oder doch nicht?

Nazi mit Fake-Zitat von Körner
Nazi mit Fake-Zitat von Körner

Erhard Jöst beschäf­tigt sich schon lan­ge mit dem Werk von Theo­dor Kör­ner. In sei­ner Arbeit „Opfer­tod fürs Vater­land“, erschie­nen in dem 2015 von Clau­da Glunz und Tho­mas F. Schnei­der her­aus­ge­ge­be­nen Buch „Dich­tung und Wahr­heit: Lite­ra­ri­sche Kriegs­ver­ar­bei­tung vom 17. bis zum 20. Jahr­hun­dert“, ent­mys­ti­fi­ziert Jöst den Dich­ter Kör­ner und beschäf­tigt sich dabei auch mit den ihm zuge­schrie­be­nen Versen:

„Das angeb­li­che Zitat, das man auch auf gro­ßen Spruch­bän­dern bei Demons­tra­tio­nen der Pegi­da immer wie­der lesen konn­te, ist eine Fäl­schung, die Kör­ners agi­ta­to­ri­schen Stil raf­fi­niert imi­tiert. Aller­dings hat Kör­ner den Regen­ten sei­ner Zeit nie gedroht, im Gegen­teil.“ (S. 29)
Kör­ner hat die gekrön­ten Häup­ter sei­ner Zeit immer mit Lob­prei­sun­gen über­schüt­tet, berich­tet Jöst und führt dafür etli­che Bele­ge an:
„Theo­dor Kör­ner hat­te kei­ne poli­ti­sche Kon­zep­ti­on, er träum­te auch nicht von einer Revo­lu­ti­on der bestehen­den Gesell­schafts­ord­nung. Es ging ihm allein dar­um, gegen die Fran­zo­sen zu kämp­fen und die deut­schen Fürs­ten­tü­mer von ihrer Fremd­herr­schaft zu befrei­en.“ (S. 30)

Auf der Suche nach der Her­kunft der fal­schen Kör­ner-Ver­se ist Jöst zunächst auf das neo­na­zis­ti­sche MUP­In­fo gesto­ßen, hat dann aber nach der Druck­le­gung ent­deckt, dass der brau­ne Spruch schon vor­her, näm­lich bei der berüch­tig­ten Revi­sio­nis­ten-Ver­an­stal­tung im Münch­ner Löwen­bräu mit David Irving am 21.4.1990 von Ewald Alt­hans vor­ge­tra­gen wur­de. Ob ihn der Neo­na­zi Alt­hans auch zusam­men­ge­reimt hat, ist unklar – von Theo­dor Kör­ner ist er jeden­falls nicht. (1)

Nazi mit Fake-Zitat von Körner
Nazi mit Fake-Zitat von Körner

Und damit liegt Stra­che (und mit ihm die rechts­extre­men Gestal­ten, die sich auf Kör­ner beru­fen) wie­der ein­mal völ­lig dane­ben. Im eige­nen Inter­es­se wäre ihm zu emp­feh­len, den Spruch zu löschen. Wer weiß, auf wel­che Ideen sonst Rechts­extre­me noch kommen!

NPD mit Fake-Zitat von Körner
NPD mit Fake-Zitat von Körner

P.S.: Die Doku „Wahr­heit macht frei“ aus dem Jahr 1991, in der Ewald Alt­hans die Ver­se (ab 24‘15‘‘) her­un­ter­spult, ist übri­gens auch aus ande­ren Grün­den sehens­wert. Schon in den ers­ten Minu­ten kann man einen Küs­sel-Jün­ger sehen, der’s mitt­ler­wei­le bis in die Stabs­stel­le eines Minis­te­ri­ums geschafft hat. Stich­wort: die „da oben“, „fei­ge Gestal­ten“, vom „Fein­de bezahlt“ usw. …

1 Sie­he dazu auch den Blog des Lite­ra­tur­wis­sen­schaf­ters Gerald Krieg­ho­fer: http://falschzitate.blogspot.com/2018/02/noch-sitzt-ihr-da-oben-ihr-feigen.html

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