Goldegg (Salzburg): Deserteursdenkmal und Gedenktafeln geschändet

Die kleine Pon­gauer Gemeinde plagt sich schon seit dem Ende der NS-Ära mit ihrem beson­deren Nazi-Erbe, der Ver­haf­tung, Folterung und Ermor­dung junger Men­schen im Juli 1944 durch NS-Trup­pen­ver­bände – und genau jet­zt, wo ein Fortschritt in der Aufar­beitung der ver­drängten und verz­er­rten Nazi-Ver­gan­gen­heit sicht­bar wird, ver­sucht­en bish­er unbekan­nte Täter diese Ver­gan­gen­heit wieder zu verschmieren.

Am let­zten Woch­enende wurde das Deser­teurs­denkmal zur Erin­nerung an 14 von Nazis ermorde­ten Män­nern und Frauen beschmiert. Wie erst gestern bekan­nt wurde, wur­den eben­falls zwei Gedenk­tafeln am Fried­hof mit Farbe besprüht. Der Zusam­men­hang zwis­chen diesen bei­den Schän­dun­gen ist augenscheinlich.

Wir doku­men­tieren eine Aussendung des Vere­ins der Fre­unde des Deser­teurs­denkmals in Goldegg

Goldegg Gedenkstein beschmiert (© Verein der Freunde des Deserteurdenkmals in Goldegg)

Gold­egg Gedenkstein beschmiert (© Vere­in der Fre­unde des Deser­teur­denkmals in Goldegg)

Am Woch­enende vom 1. bis 2. Sep­tem­ber 2018 haben unbekan­nte Täter einen Anschlag auf das Deser­teur­denkmal in Gold­egg verübt. Gezielt sprüht­en sie grü­nen Lack über die Texte und die Namen auf dem Stein. Die erk­lärende Tafel der Gebi­et­skrankenkasse wurde zer­stört. Ein Besuch­er des Erhol­ung­sheims und Vor­sitzen­der der ÖVP-Kam­er­ad­schaft Poli­tisch Ver­fol­gter in Salzburg hat Brigitte Höfert am Son­ntag um 14.00 Uhr tele­fonisch über diesen bar­barischen Akt informiert.

Diese Gedenk­tafel ist wie eine antike Grab­plat­te, wie ein Epi­taph gestal­tet. Den in der NS-Zeit Ermorde­ten wurde gezielt ein Grab, eine Stätte der des Gedenkens ver­weigert. Die Erin­nerung an diese Men­schen sollte aus­gelöscht wer­den. Deshalb ist das Denkmal für viele betrof­fene Fam­i­lien so etwas wie eine Grab­stätte gewor­den. Kerzen und Blu­men wer­den hinge­bracht. Bei dieser Denkmalschän­dung han­delt es sich deshalb auch um eine Grabschändung.

Für uns ist es irri­tierend, dass die Sprecherin der Salzburg­er Polizei in der Sendung „Salzburg Heute” vom 3. Sep­tem­ber andeutet, dass dieser Anschlag kein poli­tis­ch­er sei, weil keine Spruch­parolen hin­ter­lassen wur­den. Fack­eln in Aus­län­der­heime wer­fen. Kein poli­tis­ch­er Hin­ter­grund? Die Ange­höri­gen der Opfer und unser Vere­in fordern, dass das Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz und Ter­ror­is­mus­bekämp­fung die Ermit­tlun­gen führt.

Den Schmerz der Ange­höri­gen mildern Sol­i­dar­itäts­bezeu­gun­gen viel­er Men­schen, die den müh­samen Prozess der Durch­set­zung dieser Gedenkstätte im Jahr 2014 aktiv mitver­fol­gt haben. Auszüge:

Han­na Sukare, deren Buch „Schwe­den­re­it­er” am Don­ner­stag, 13. Sep­tem­ber 2018 um 19.00 Uhr im Schloss Gold­egg präsen­tiert wird schreibt:

„Karl Rupitsch wurde 1944 in Mau­thausen gehenkt, weil er den Kriegs­di­enst ver­weigert hat­te. Ein Grab bekam er nicht. Die Nation­al­sozial­is­ten ermorde­ten ihre Geg­n­er nicht nur, son­dern woll­ten auch deren Namen auslöschen.
Karl Rupitschs Tochter, Brigitte Höfert, kämpfte lange für einen Gedenkstein, der an ihren Vater und die anderen Gold­eg­ger Kriegs­di­en­stver­weiger­er erin­nert sowie an deren Unter­stützerin­nen, die ins KZ kamen. 2014 wurde der Gedenkstein in Gold­egg schließlich auf dem Grund­stück der Gebi­et­skrankenkasse ver­legt. In der Nacht auf den 2. Sep­tem­ber 2018 wurde dieser Gedenkstein beschmiert. Peni­bel hat der Täter jeden einzel­nen Opfer­na­men unken­ntlich gemacht, als verübe er seine Untat gemäß der Tra­di­tion des Nationalsozialismus.
Ich denke heute an die Nachkom­men der Gold­eg­ger Kriegs­di­en­stver­weiger­er. Der Anschlag in Gold­egg reißt ihre Wun­den wieder auf. Den Nachkom­men gel­ten mein Mit­ge­fühl und meine Hochachtung. Ihre Väter und die Frauen, die sie unter­stützt haben, tru­gen mit dazu bei, dass Öster­re­ich seinen Staatsver­trag bekam, und wir alle in einem freien Land leben. Die Namen dieser Män­ner und Frauen sind unaus­löschlich ins Buch der Geschichte gemeißelt. Ich hoffe, dass die Gemeinde Gold­egg diese trau­rige Chance ergreift, und sich ein für alle Mal zu ihren Kriegs­di­en­stver­weiger­ern und deren Unter­stützerin­nen bekennt.”

Bar­bara Leit­ner aus Salzburg schreibt:

„Mit Entset­zen habe ich die Nachricht über die Beschmierung des Gold­eg­ger Gedenksteins gele­sen. Zuerst der unwürdig lang­wierige Prozess bis zur Denkmalauf­stel­lung und nun die Schän­dung. Ein Stein zur Erin­nerung an junge Men­schen, die sich einem unmen­schlichen Regime wider­set­zt haben und das mit dem Leben bezahlten und an alle Anderen, die deswe­gen in dieser kleinen und wun­der­schö­nen Gemeinde Gräuel erlit­ten und trau­ma­tisiert wur­den. Obwohl nicht betrof­fen und mit der späten Geburt geseg­net, tut mir diese Schän­dung aber weh, genau­so wie die sein­erzeit­ige Beschmierung der „Stolper­steine“. Ich hoffe, dass es dafür eine gerechtere strafrechtliche Zuweisung als nur die der „nor­malen Sachbeschädi­gung“ gibt, und dass die Zuständi­gen in Poli­tik, Ver­wal­tung, Exeku­tive und Jus­tiz sich wenig­stens jet­zt ern­sthaft darum bemühen, die Sache ohne Verzögerung aufzuklären.
Müh­same Recherche hat das dama­lige Unrecht öffentlich gemacht. Jahrzehn­te­lang haben die Über­leben­den ohne seel­is­che Unter­stützung weit­er­leben müssen. Wenig­stens einen Erin­nerungsstein sollte man ihnen vergönnen.”

Dr. Karl Müller, Ger­man­ist und Exil­lit­er­atur­forsch­er schreibt:

„Lieber Michael Mooslech­n­er, wie kann man helfen, der Schand­tat der Feigen ent­ge­gen zu treten? Helfe gerne finanziell.”

Die Filmemacherin Gabriele Neudecker:

„Liebe Brigitte Höfert, das ist ja schreck­lich – zeigt aber, dass Sie mit Ihrer Arbeit am richti­gen Weg sind. Auch ich hat­te mit dem Film „DESERTEUR!“
dauernd mit Anfein­dun­gen zu kämpfen, auch immer anonym und feige ver­steckt…   Ich wün­sche Ihnen noch recht viel Kraft und Aus­dauer! Ihre Arbeit ist sehr wichtig!”

Die Kün­st­lerin Soon­im Shin aus Wien schreibt:

„Liebe Frau Höfert, (…) Bitte lassen Sie sich in Ihrer Arbeit nicht ent­muti­gen. Sie ken­nen den Spruch: „Wenn Ihr nicht redet, wer­den die Steine reden.” Nun reden die Steine. Nicht nur die Rede der Men­schen, auch die Rede der Steine mag für manchen — den Van­dalen — auch heute noch schw­er zu ertra­gen sein. Die Aktion ist dann nur ein Symp­tom für eine tiefer­liegende Ursache: für den Wun­sch, die Ver­gan­gen­heit — die man nicht ändern kann — zu ver­drän­gen. Gegen diese Ver­drän­gung haben Sie, liebe Frau Höfert, bis jet­zt gekämpft — für eine bessere Zukun­ft. Hal­ten Sie durch.”

Der Schrift­steller Lud­wig Laher schreibt:

„Liebe Frau Höfert, zunächst ein­mal mein Bedauern und meine Sol­i­dar­ität. Lei­der über­rascht mich solch ein Anschlag in dem Kli­ma, das sich europaweit rasend schnell aus­bre­it­et und nahezu täglich ver­schärft, nur wenig. Die in den SN kol­portierte Polizeiein­schätzung, auf einen poli­tis­chen Hin­ter­grund gebe es keine Hin­weise, kann ich nicht teilen. Als Mann der Sprache fällt mir bei den Beschmierun­gen sofort ins Auge, dass nicht wild gesprayt wurde, son­dern (namentlich auf der großen Plat­te) nahezu sorgsam und peni­bel gegen den Text allein zu Felde gezo­gen wurde. Das ist ein man­i­fester Hin­weis auf poli­tis­che Motive hin­ter der Tat.
Aufk­lärung über und Erin­nerung an dun­kle Zeit­en tun immer not, heutzu­tage aber beson­ders. Die Deu­tung­shoheit darf nicht jenen über­lassen wer­den, die den Grund­festen eines demokratis­chen Gemein­we­sens zuleibe rück­en wollen.  Her­zlich grüßt, Lud­wig Laher”

Sepp Schell­horn auf Twitter:

„… Ich bin grad unter­wegs nach Gold­egg. Heute auf Orf.at gele­sen und erschüt­tert über diese Tat! Ja es ist eine Tat und zeigt, dass Gold­egg bis heute nicht im Stande war darüber zu reden. Es liegt die Ver­ant­wor­tung an uns hier klare Zeichen zu set­zen. (…) Ich schäme mich für mein Heimat­dorf! Und werde alles für eine Aufar­beitung set­zen. Es tut mir leid !”