Die FPÖ war – und das ist keine Übertreibung – immer an der Spitze derer, die gegen Arbeitslose hetzten. Vor allem unter Jörg Haider wurden widerliche Sozialschmarotzerkampagnen geführt, die sich gegen Kranke, Lehrer und Arbeitslose richteten. Dann kam im Jahr 2000 Schwarz-Blau unter Schüssel, und die FPÖ durfte selbst an den Daumenschrauben für Arbeitslose mitdrehen: Kürzungen der Familienzuschläge, Verschärfungen bei den Zumutbarkeitsbestimmungen und Verschlechterungen bei der Notstandshilfe.
Unter Strache und Kickl gab’s zunächst Entspannung. Erst rund um die vierte Auflage des Handbuchs freiheitlicher Politik (2013) und offensichtlich als Vorbereitung auf eine Regierungsbeteiligung wurde die Tonlage gegenüber Arbeitslosen wieder drastisch verschärft. Strache erklärte 2012 im „Standard“:
Wir haben heute in Österreich Situationen, wo sowohl Österreicher als auch Zugewanderte keiner Arbeit nachgehen wollen und dem Sozialstaat gezielt auf der Tasche liegen. Viele leben mit ihrem Partner zusammen, vermitteln jedoch den Eindruck, als wären sie Alleinerzieher, um noch mehr Sozialmittel zu bekommen. Diese Lücken muss man auch schließen. Man muss bei österreichischen Sozialschmarotzern ansetzen und vor allem auch bei Zugewanderten, die glauben, dass sie nichts leisten müssen, und nur kassieren wollen.
Trotz deutlicher Akzentuierung der „zugewanderten“ Arbeitslosen – die Sätze richteten sich auch sehr klar gegen bestimmte Gruppen österreichischer Arbeitsloser. Bei der Antwort auf die Frage, was er denn dagegen zu unternehmen gedenke, blieb Strache damals merkwürdig vage, erwähnte unbestimmte Kürzungen bei Sozialleistungen und ein „Überdenken“ der Mindestsicherung.
Im Handbuch freiheitlicher Politik, das sich bei der Sozialpolitik in erster Linie damit beschäftigte, welche Sozialleistungen man ArbeitsmigrantInnen am besten wegnehmen könnte, gab es sehr scharfe Passagen gegen Langzeitarbeitslose, hier „Berufsarbeitslose“ genannt:
Sogenannte Berufsarbeitslose hingegen haben unsere Unterstützung nicht verdient. Wer die Chance auf Arbeit hat, gesund ist und absolut nicht arbeiten will, der darf auch finanziell nicht weiter unterstützt werden. Ihm gebührt lediglich eine Grundsicherung in Form von Sachleistungen. Hier handelt es sich um Obdach, Kleidung und Nahrung.
Mittlerweile ist die FPÖ wieder in einer schwarz-blauen Regierung angekommen und macht sich gemeinsam mit der ÖVP daran, wesentlich schärfer als in der Regierung mit Schüssel gegen Arbeitslose zu wüten: die Abschaffung der Notstandshilfe und ihre Überführung in die Mindestsicherung, die gleichzeitig gekürzt wird, sowie eine weitere Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen stehen bevor.
Siegfried Pichl, der eifrige freiheitliche Leserbriefschreiber, hat vor rund zwei Jahren seinen Job bei Detlef Wimmer verloren, seinen Glauben an die FPÖ trotzdem nicht. Mittlerweile bezieht der Historiker die Notstandshilfe und ist 50 Jahre alt. Kein gutes Alter für Arbeitslosigkeit – schon gar nicht für einen Historiker!
In der Diktion der FPÖ wäre er mit über zwei Jahren Arbeitslosigkeit wohl einer der „Berufsarbeitslosen“, die nach Ansicht dieser Partei keine Unterstützung verdienen und am besten auf Wasser und Brot gesetzt werden sollen („der darf auch finanziell nicht weiter unterstützt werden“).
Pichl beklagt sich – zu Recht – über seine niedrige Notstandshilfe in der Höhe von 850 Euro: „Damit kann man nicht leben.“ (heute, 13.6.2018) Es war und ist aber die FPÖ (gemeinsam mit der ÖVP), die – siehe oben! – schon seit Jahren Stimmung macht für weitere Kürzungen, sogar für die Abschaffung der Notstandshilfe.
Es war und ist aber auch der Siegfried Pichl, der seit einigen Jahren gegen MigrantInnen, die „linke Gesinnungsgemeinschaft“ und jene Teile des „Establishment“, die „Bildungsschicht“ wettert, die „es zu Wohlstand und Ansehen gebracht hat“ und wenig Interesse daran habe, an jenem System etwas zu ändern, das ihnen Vorteile gebracht habe. Letzteres schrieb er in einem seiner Leserbriefe an die „Krone“ (27.4.2017).
Pichl, der Historiker, beklagt sich über die angeblichen Privilegien der Bildungsschicht, fleht um die „dringend nötigen Reformen“ („Krone“, 3.4.18) und verzweifelt gleichzeitig daran, dass das AMS ihn, den Mann aus der Bildungsschicht, in einen Job als Erntehelfer oder Teilzeitkraft in einer Fleischverarbeitungsfirma vermitteln will. „Beide sind wie ein Hohn“, befindet Pichl in „heute“ (13.6.18).
Wie die FPÖ mit einem wie ihm und seinen Vorstellungen über Arbeit und Qualifikation in Zukunft verfahren will, das kann er nicht nur im „Handbuch freiheitlicher Politik“ nachlesen, sondern auch im Regierungsprogramm – oder in Aussagen von blauen Politikern gegen die „Durchschummler“ unter den Arbeitslosen.
Selbst dort, wo Pichl durchaus luzide Erkenntnisse über die Situation von Arbeitslosen formuliert, gibt es einen Seitenhieb gegen AsylwerberInnen und deren Beratung:
Es gibt viele Organisationen, die sich bemühen, Asylwerbern mit Rat und Unterstützung beizuspringen und dies auch medienwirksam zu propagieren wissen. So viel Engagement für andere ist sicher zu loben, man wundert sich nur, dass es für die ständig wachsende Personengruppe der Arbeitslosen nach wie vor keine Lobby in Österreich gibt. Vielmehr wird von Stellensuchenden erwartet, sich eine positive Einstellung zu bewahren und mit Schwung und ungebrochener Energie sich gewissermaßen am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen. Noch immer gilt das Vorurteil: Wer Arbeit will, der findet auch eine. Demnach wären 400.000 Menschen in unserem Land schlicht arbeitsunwillig? (krone.at, 9.4.18)
Seine Partei hat diese Frage schon eindeutig beantwortet. Der promovierte Historiker will das nicht sehen. Es ist ein schönes Beispiel, wie die Liebe zur FPÖ blind machen kann.