Die „Salzburger Nachrichten“, die die SPÖ für die beiden Facebook-Seiten verantwortlich machen, haben ihre eigene Erklärung zu den Kurz-Soros-Botschaften auf den beiden Facebook-Seiten:
Unter anderem wurde suggeriert, dass der – jüdische, eh schon wissen – Investor George Soros den Kurz-Wahlkampf mit Millionen unterstütze. Jener Soros also, den jeder rechte Recke für einen der Anführer der jüdischen Weltverschwörung hält. Die Anwürfe gegen Kurz auf dieser Facebook-Seite lasen sich, als kämen sie aus dem rechten Rand der FPÖ, womit die Erfinder der Facebook-Seite zwei Fliegen mit einem Schlag treffen wollten: den angeschütteten Kurz – und die FPÖ, die derlei Anschütter an ihrem Rand zu dulden schien. (Salzburger Nachrichten, 2.10.2017).
Welche Verantwortung die SPÖ für die beiden Seiten trägt, wird hoffentlich rasch geklärt. Die Facebook-Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ wurde Ende Juni 2017 auf Facebook freigeschaltet, bei „Wir für Sebastian Kurz“ ist ein ähnlicher Termin wahrscheinlich. Online-Medien, die im rechtsextremen und blauen Umfeld angesiedelt sind, waren aber schon lange vor dieser Zeit mit einschlägigem Verschwörungsgemurmel zu Soros und Kurz im Feld.
Am 1. April 2017 startete „alles roger?“ mit dem Beitrag „Das andere Gesicht des Sebastian Kurz“ jene Serie von Beiträgen, die dann in Variationen und unter Streichung jener Passagen, die bei „alles roger?“ sichtlich frei erfunden waren, in den anderen extrem rechten Medien wiederholt wurden und schließlich auch auf den Facebook-Seiten von Strache und Gudenus landeten.
„Alles roger?“ hatte in seinem Beitrag am 1. April noch behauptet, dass Sebastian Kurz von George Soros persönlich in den Thinktank „European Council of Foreign Relations“ (ECFR) aufgenommen worden sei, sein Name aber von der Internet-Seite der als „Soros-Denkfabrik“ bezeichneten Einrichtung verschwunden sei.
Dass das mit dem Verschwinden des Namens so nicht stimmte, fiel sogar den Kameraden von „Info-Direkt“ auf, die nicht nur ihre Print-Ausgabe George Soros widmeten, sondern auch einen Beitrag („Sebastian Kurz – ist euch klar, mit wem ihr euch ins Bett legen wollt?“) online stellten, in dem die Mitgliedschaft von Kurz im ECFR nacherzählt wird, wo auch „dieser umstrittene Herr Soros sowie sein Sohn ebenso ihre Sitze haben, denen man nicht weniger als die Destabilisierung Europas durch die Flutung mit arabischen Wirtschaftsmigranten vorwirft“ (Info-Direkt, 13.5.2017).
Am nächsten Tag, dem 14.5.2017, stellt das ebenfalls im extrem rechten und verschwörungsmurmlerischen Bereich angesiedelte „Contra-Magazin“ einen Beitrag mit dem Titel „Geht Österreich mit Sebastian Kurz auf Soros-Kurs?“ online. Auch hier wird nur das dünne Süppchen, wonach Kurz so wie Soros Mitglied im ECFR ist, aufgekocht und mit der absurden Titelfrage vermischt.
Am 19.5. erscheint dann das FPÖ-nahe Blättchen „Wochenblick“ mit dem Titel „Hinweise: Steht Soros hinter der „unabhängigen“ Kurz-Liste?“, obwohl der Beitrag selbst überhaupt keine „Hinweise“ zu der Titelfrage enthält. Am gleichen Tag kam dann auch noch ein Beitrag des Schreibers „Hausverstand“ auf „fisch + fleisch“ mit dem Titel „Ist Sebastian Kurz von Soros finanziert?“, in dem zwar allerlei Wirres behauptet, aber im Wesentlichen nur das Thema variiert wird, dass sowohl Kurz als auch Soros Mitglieder im ECFR seien.
Was auffällt, ist die zeitliche Nähe aller dieser Beiträge und ihr Grundtenor, in dem ohne jeden Funken eines Beweises die ziemlich widersinnige Behauptung aufgestellt wird, wonach die Liste Kurz von Soros finanziert und gesteuert würde.
Am 22. 5 nimmt sich Strache erstmals dieser absurden Frage an und teilt auf seinem FB-Profil „Heinz-Christian Strache“ den Beitrag des „Wochenblick“ – ohne Kommentar. Das FB-Profil „Heinz-Christian Strache“ hat immerhin 35.000 AbonnentInnen, also eine wesentlich größere Reichweite als die Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“, die das Thema Soros als Einflüsterer bei Sebastian Kurz erst Ende August aufgreift.
Am 27.8. greifen Strache und sein Stellvertreter Johann Gudenus noch einmal das Verschwörungsgschichterl des „Wochenblick“ vom 19.5. auf und teilen es – ohne Kommentar. Am 6.9. erscheint dann auch ein Beitrag von „unzensuriert“ mit der schon bekannten absurden Fragestellung im Titel „Mitgliedschaft im elitären Klub ECFR: Ist Sebastian Kurz von Soros finanziert?“
Obwohl auch dieser Beitrag nur über die Titelfrage seine Unterstellung formuliert, teilt Johann Gudenus noch am gleichen Tag den „unzensuriert“-Beitrag und raunt dazu „Fragen über Fragen“.
Strache hat Soros schon in älteren Beiträgen als Kriegshetzer und dubiosen Milliardär bezeichnet, während ihn Gudenus als „Oberpaten“ und „Hintermann“ bezeichnet, der die Flüchtlingsbewegungen gezielt steuern würde. Beide – Strache und Gudenus – loben Viktor Orbán ziemlich deutlich für dessen ziemlich unverhüllt antisemitisch codierten Aktionen und Wortmeldungen gegen Soros.
Das alles ist noch keine Klärung der Frage, wer für die beiden unsäglichen Facebook-Seiten zu Kurz verantwortlich ist, aber ein Beitrag zur Klärung der Frage, wo und wie alles begonnen hat und wer Verantwortung für die Verbreitung der Lügen über Kurz und die antisemitisch gefärbten Botschaften über Soros trägt.
P.S.: Die offene Plattform „fisch+fleisch“ hat uns mitgeteilt, dass der Beitrag „Ist Sebastian Kurz von Soros finanziert?“ des Schreibers „Hausverstand“ am 3. Oktober vom Netz genommen wurde, weil er „nicht vertretbar“ ist.