Tausende Neonazis folgten der „Reichsmusikkammer“

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Vor zwei Wochen fand in Unter­was­ser im Tog­gen­burg das größ­te Neo­na­zi-Kon­zert statt, das die Schweiz in den letz­ten Jahr­zehn­ten erlebt hat. Es waren bis zu 6.000 Neo­na­zis, die sich am 15. Okto­ber in und vor einer Turn­hal­le in Unter­was­ser ver­sam­mel­ten, um mit Neo­na­zi-Bands mit­zu­grö­len. Die Schwei­zer Poli­zei war bis zuletzt nicht infor­miert über den gene­ral­stabs­mä­ßi­gen Auf­marsch der Neo­na­zis. Auch Öster­rei­cher waren dabei.

Die Ver­an­stal­tung der Neo­na­zis, ein „Rock­tober­fest“ mit den Nazi-Bands „Stahl­ge­wit­ter“, „Fron­tal­kraft“, „Makss Dama­ge“, „Con­fi­dent of Vic­to­ry“, „Exzess“ und „Amok“ war gut orga­ni­siert. In zahl­rei­chen Bus­sen und Pri­vat­wa­gen sam­mel­ten sich Tau­sen­de im Raum Ulm und wur­den von dort nach Unter­was­ser diri­giert. Ursprüng­lich war die Ver­an­stal­tung für den „süd­deut­schen Raum“ angekündigt.

Die "Reichsmusikkammer" lud, 6.000 Neonazis folgten.

Die „Reichs­mu­sik­kam­mer” lud, 6.000 Neo­na­zis folgten.

Mitt­ler­wei­le ist klar, von wem das Kon­zert orga­ni­siert wur­de. Wie schon beim Vor­arl­ber­ger Neo­na­zi-Kon­zert mit „Indu­lat“ Anfang März 2016 waren es auch dies­mal Thü­rin­ger Neo­na­zis aus dem „Blood & Honour“-Umfeld, die die Strip­pen zogen und sich als „Reichs­mu­sik­kam­mer“ benannten.

Weil offe­ne Neo­na­zi-Kon­zer­te in den meis­ten Gegen­den Deutsch­lands auf ent­schie­de­nen Wider­stand sto­ßen und immer häu­fi­ger auch von Behör­den und Poli­tik unter­bun­den wer­den, wei­chen die Ver­an­stal­ter seit Jah­ren ins Aus­land aus. Belieb­te Gast­län­der der letz­ten Jah­re waren etwa Ungarn, Slo­we­ni­en und Ita­li­en. Aller­dings waren die Distan­zen für die Fre­quen­zen nicht unbe­dingt för­der­lich. Und wenn eines sicher ist, dann, dass es in ers­ter Linie um die Koh­le geht, die da ein­ge­sam­melt wer­den kann.

Rund 150.000 Euro sind da – bei 30 Euro Ein­tritts­geld – im Mini­mum ein­ge­sam­melt wor­den, rech­net „Thü­rin­gen rechts­aus­sen“ vor. Nach Abzug der Kos­ten für Bands, Mie­te und Logis­tik „dürf­te sich der Gewinn in einer ähn­li­chen Grö­ßen­ord­nung bewe­gen“. Schließ­lich ver­die­nen die Ver­an­stal­ter auch durch Ver­kauf von Essen, Geträn­ken, CDs usw. Nach Ein­schät­zung der Schwei­zer „Wochen­zei­tung (WOZ)“ könn­ten es sogar 200.000 Euro gewe­sen sein, die da für Thü­rin­ger Neo­na­zis ein­ge­sam­melt wurden:

„Dabei ging es sehr wahr­schein­lich um eine Spen­den­ak­ti­on, nicht zuletzt, um die Ball­städ­ter Pro­zess­kos­ten zu decken und die Zukunft des «Gel­ben Hau­ses» in die­sem Ort zu sichern, das loka­le Neo­na­zis vor drei Jah­ren für schät­zungs­wei­se 165.000 Euro gekauft haben. Dies zeigt eine Recher­che der WOZ in Zusam­men­ar­beit mit der Anti­fa Bern, der Auto­no­men Anti­fa Frei­burg im Breis­gau sowie dem anti­fa­schis­ti­schen Recher­che­b­log «Thü­rin­gen rechtsaussen»“.

Neo­na­zis haben Anfang Febru­ar 2014 eine Kir­mes-Gesell­schaft in Ball­städt über­fal­len, zahl­rei­che Jugend­li­che dabei teil­wei­se schwer ver­letzt und müs­sen sich des­halb seit Ende 2015 vor Gericht ver­ant­wor­ten. Die Ball­städ­ter Neo­na­zis vom „Gel­ben Haus“ sind eng ver­zahnt mit denen von der „Kame­rad­schaft Jona­s­tal“ und vor allem die mit dem „Objekt 21“ aus Des­sel­brunn (OÖ).

Im Hintergrund des Konzerts: Der Internet-Versand "Das Zeughaus".

Im Hin­ter­grund des Kon­zerts: Der Inter­net-Ver­sand „Das Zeughaus”.

Pech, dass eini­ge der Kame­ra­den vom „Objekt 21“ gera­de unab­kömm­lich sind. Aber sie wur­den immer­hin von Wie­ner Neo­na­zis, von denen zwei gera­de vor Gericht beteu­ern, dass sie aber schon gar nix mit Neo­na­zis am Hut hät­ten, wür­dig ver­tre­ten. „Anti­fa Recher­che Wien“ hat da eini­ge schö­ne Fotos und Screen­shots gesam­melt, die ein­drucks­voll bele­gen, wie wenig die bei­den mit der Neo­na­zi-Sze­ne zu schaf­fen haben. Am 3. Novem­ber, wenn ihre Ver­hand­lung wegen Wie­der­be­tä­ti­gung vor dem Wie­ner Lan­des­ge­richt fort­ge­setzt wird, wer­den wir hof­fent­lich auch Nähe­res von ihren Rei­sen erfahren!