Literatur zum Burschenschafterball der FPÖ

Zum Burschen­schafter- bzw. Akademiker­ball der FPÖ haben wir heuer einige bekan­nte Schrift­steller um ihre Ein­schätzung befragt. Die Befragten sind zwar durch­wegs ältere Her­ren, aber so alt wie die Alten Her­ren bei den Burschis sind sie noch lange nicht. Im Gegen­teil – in ihren Ein­schätzun­gen der Kor­pori­erten sind sie – siehe Karl Kraus – erstaunlich aktuell.

In Öster­re­ich hat die Verkehrtheit der men­schlichen Dinge Couleurstu­den­ten zu Führern ein­er Nation gemacht.
Karl Kraus, Die Vertrei­bung aus dem Paradies, in: Die Fack­el Jg.1 (1899)1,

Der lächer­liche Formelkram der Verbindungserziehung überträgt sich aufs Leben; diese ehe­ma­li­gen Stu­den­ten sind später schw­er imstande, das Wesen der Dinge zu sehen, weil sie viel zuviel mit den For­men zu tun haben. Daß sich ein Teil auch heute noch mit der Saufer­ei Gehirn und Kör­p­er verdirbt, ist bekan­nt ….. Wie aber nie­mand in Unter­ho­sen ein Held ist, so enthüllt sich dieses Geschlecht von ehrsüchti­gen Duel­lanten und in den Kneipge­bräuchen bewan­derten Studik­ern ganz, wenn es sich unbeobachtet glaubt.

Diese Auf­nah­men der »Lokalitäten« der Ros­tock­er Uni­ver­sität – das ist mein Preußen. »Juden raus!« – »Man mache ein Pogrom!« – »Haut die Juden tot!« .

Kurt Tuchol­sky alias Ignaz Wro­bel, 1920. 

Für einen kleinen Prov­inz­gym­nasi­as­ten, der als grün­er Junge nach Wien kam, mochte wohl diese Art forsch­er und ›fröh­lich­er Stu­den­ten­zeit‹ als Inbe­griff aller Roman­tik gel­ten. Noch jahrzehn­te­lang sahen in der Tat die bejahrten Notare und Ärzte in ihren Dör­fern wein­selig gerührt empor zu den in ihrem Zim­mer gekreuzt aufge­hängten Schlägern und bun­ten Attrap­pen, stolz tru­gen sie ihre Schmisse als Kennze­ichen ihres ›akademis­chen‹ Standes. Auf uns dage­gen wirk­te dieses ein­fältige und bru­tale Treiben einzig abstoßend, und wenn wir ein­er dieser bebän­derten Hor­den begeg­neten, wichen wir weise um die Ecke; denn uns, denen indi­vidu­elle Frei­heit das Höch­ste bedeutete, zeigte diese Lust an der Aggres­siv­ität und gle­ichzeit­ige Lust an der Hor­denser­vil­ität zu offen­bar das Schlimm­ste und Gefährlich­ste des deutschen Geistes. Überdies wußten wir, daß hin­ter dieser kün­stlich mumi­fizierten Roman­tik sich sehr schlau berech­nete, prak­tis­che Ziele ver­steck­ten, denn die Zuge­hörigkeit zu ein­er ›schla­gen­den‹ Burschen­schaft sicherte jedem Mit­glied die Pro­tek­tion der ›alten Her­ren‹ dieser Verbindung in den hohen Ämtern und erle­ichterte die spätere Kar­riere. Von den Bon­ner ›Borussen‹ führte der einzig sichere Weg in die deutsche Diplo­matie, von den katholis­chen Verbindun­gen in Öster­re­ich zu den guten Pfrün­den der herrschen­den christlich-sozialen Partei, und die meis­ten dieser ›Helden‹ wußten genau, daß ihre far­bigen Bän­der ihnen in Hinkun­ft erset­zten mußten, was sie an ein­dringlichen Stu­di­en ver­säumt, und daß ein paar Schmisse auf der Stirne ihnen bei ein­er Anstel­lung ein­mal förder­lich­er sein kon­nten, als was hin­ter dieser Stirne war. Schon der bloße Anblick dieser rüden, mil­i­tarisierten Rot­ten, dieser zer­hack­ten und frech provozieren­den Gesichter hat mir den Besuch der Uni­ver­sität­sräume ver­lei­det; auch die anderen, wirk­lich lern­be­gieri­gen Stu­den­ten ver­mieden, wenn sie in die Uni­ver­sitäts­bib­lio­thek gin­gen, die Aula und wählten lieber die unschein­bare Hin­tertür, um jed­er Begeg­nung mit diesen tris­ten Helden zu entgehen.

Ste­fan Zweig, Die Welt von Gestern

Im Bierkeller zu Göt­tin­gen mußte ich einst bewun­dern, mit welch­er Gründlichkeit meine alt­deutschen Fre­unde die Proskrip­tion­slis­ten anfer­tigten, für den Tag, wo sie zur Herrschaft gelan­gen wür­den. Wer nur im sieben­ten Glied von einem Fran­zosen, Juden oder Slawen abstammte, ward zum Exil verurteilt. Wer nur im min­desten etwas gegen Jahn oder über­haupt gegen alt­deutsche Lächer­lichkeit­en geschrieben hat­te, kon­nte sich auf den Tod gefaßt machen….

Hein­rich Heine, Lud­wig Börne. Eine Denkschrift. Viertes Buch.