Lesezeit: 3 Minuten

Literatur zum Burschenschafterball der FPÖ

Zum Bur­­schen­­schaf­­ter- bzw. Aka­de­mi­ker­ball der FPÖ haben wir heu­er eini­ge bekann­te Schrift­stel­ler um ihre Ein­schät­zung befragt. Die Befrag­ten sind zwar durch­wegs älte­re Her­ren, aber so alt wie die Alten Her­ren bei den Bur­schis sind sie noch lan­ge nicht. Im Gegen­teil – in ihren Ein­schät­zun­gen der Kor­po­rier­ten sind sie – sie­he Karl Kraus – erstaun­lich aktuell. […]

29. Jan 2016

In Öster­reich hat die Ver­kehrt­heit der mensch­li­chen Din­ge Cou­leur­stu­den­ten zu Füh­rern einer Nati­on gemacht.
Karl Kraus, Die Ver­trei­bung aus dem Para­dies, in: Die Fackel Jg.1 (1899)1,

Der lächer­li­che For­mel­kram der Ver­bin­dungs­er­zie­hung über­trägt sich aufs Leben; die­se ehe­ma­li­gen Stu­den­ten sind spä­ter schwer imstan­de, das Wesen der Din­ge zu sehen, weil sie viel zuviel mit den For­men zu tun haben. Daß sich ein Teil auch heu­te noch mit der Sau­fe­rei Gehirn und Kör­per ver­dirbt, ist bekannt ….. Wie aber nie­mand in Unter­ho­sen ein Held ist, so ent­hüllt sich die­ses Geschlecht von ehr­süch­ti­gen Duel­lan­ten und in den Kneip­ge­bräu­chen bewan­der­ten Stu­di­kern ganz, wenn es sich unbe­ob­ach­tet glaubt.

Die­se Auf­nah­men der »Loka­li­tä­ten« der Ros­to­cker Uni­ver­si­tät – das ist mein Preu­ßen. »Juden raus!« – »Man mache ein Pogrom!« – »Haut die Juden tot!« .

Kurt Tuchol­sky ali­as Ignaz Wro­bel, 1920. 

Für einen klei­nen Pro­vinz­gym­na­si­as­ten, der als grü­ner Jun­ge nach Wien kam, moch­te wohl die­se Art for­scher und ›fröh­li­cher Stu­den­ten­zeit‹ als Inbe­griff aller Roman­tik gel­ten. Noch jahr­zehn­te­lang sahen in der Tat die bejahr­ten Nota­re und Ärz­te in ihren Dör­fern wein­se­lig gerührt empor zu den in ihrem Zim­mer gekreuzt auf­ge­häng­ten Schlä­gern und bun­ten Attrap­pen, stolz tru­gen sie ihre Schmis­se als Kenn­zei­chen ihres ›aka­de­mi­schen‹ Stan­des. Auf uns dage­gen wirk­te die­ses ein­fäl­ti­ge und bru­ta­le Trei­ben ein­zig absto­ßend, und wenn wir einer die­ser bebän­der­ten Hor­den begeg­ne­ten, wichen wir wei­se um die Ecke; denn uns, denen indi­vi­du­el­le Frei­heit das Höchs­te bedeu­te­te, zeig­te die­se Lust an der Aggres­si­vi­tät und gleich­zei­ti­ge Lust an der Hor­den­ser­vi­li­tät zu offen­bar das Schlimms­te und Gefähr­lichs­te des deut­schen Geis­tes. Über­dies wuß­ten wir, daß hin­ter die­ser künst­lich mumi­fi­zier­ten Roman­tik sich sehr schlau berech­ne­te, prak­ti­sche Zie­le ver­steck­ten, denn die Zuge­hö­rig­keit zu einer ›schla­gen­den‹ Bur­schen­schaft sicher­te jedem Mit­glied die Pro­tek­ti­on der ›alten Her­ren‹ die­ser Ver­bin­dung in den hohen Ämtern und erleich­ter­te die spä­te­re Kar­rie­re. Von den Bon­ner ›Borus­sen‹ führ­te der ein­zig siche­re Weg in die deut­sche Diplo­ma­tie, von den katho­li­schen Ver­bin­dun­gen in Öster­reich zu den guten Pfrün­den der herr­schen­den christ­lich-sozia­len Par­tei, und die meis­ten die­ser ›Hel­den‹ wuß­ten genau, daß ihre far­bi­gen Bän­der ihnen in Hin­kunft ersetz­ten muß­ten, was sie an ein­dring­li­chen Stu­di­en ver­säumt, und daß ein paar Schmis­se auf der Stir­ne ihnen bei einer Anstel­lung ein­mal för­der­li­cher sein konn­ten, als was hin­ter die­ser Stir­ne war. Schon der blo­ße Anblick die­ser rüden, mili­ta­ri­sier­ten Rot­ten, die­ser zer­hack­ten und frech pro­vo­zie­ren­den Gesich­ter hat mir den Besuch der Uni­ver­si­täts­räu­me ver­lei­det; auch die ande­ren, wirk­lich lern­be­gie­ri­gen Stu­den­ten ver­mie­den, wenn sie in die Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek gin­gen, die Aula und wähl­ten lie­ber die unschein­ba­re Hin­ter­tür, um jeder Begeg­nung mit die­sen tris­ten Hel­den zu entgehen.

Ste­fan Zweig, Die Welt von Gestern

Im Bier­kel­ler zu Göt­tin­gen muß­te ich einst bewun­dern, mit wel­cher Gründ­lich­keit mei­ne alt­deut­schen Freun­de die Proskrip­ti­ons­lis­ten anfer­tig­ten, für den Tag, wo sie zur Herr­schaft gelan­gen wür­den. Wer nur im sie­ben­ten Glied von einem Fran­zo­sen, Juden oder Sla­wen abstamm­te, ward zum Exil ver­ur­teilt. Wer nur im min­des­ten etwas gegen Jahn oder über­haupt gegen alt­deut­sche Lächer­lich­kei­ten geschrie­ben hat­te, konn­te sich auf den Tod gefaßt machen….

Hein­rich Hei­ne, Lud­wig Bör­ne. Eine Denk­schrift. Vier­tes Buch.

Verwandte Beiträge