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Der Abgeordnete Neubauer trällert ein LiedLesezeit: 4 Minuten

Der FPÖ-Abge­­or­d­­ne­­te Wer­ner Neu­bau­er ist auf einem You­­Tu­be-Video zu sehen, wie er – sich mit der Gitar­re beglei­tend – vor einem Mikro­fon ein Lied träl­lert. Na und? Wo man singt, da lass dich ruhig nie­der, heißt es doch? Der Spruch führt in die Irre, wie sich am Bei­spiel Neu­bau­er gut zei­gen lässt. Denn Neu­bau­er trällert […]

16. Jan 2016

Wer­ner Neu­bau­er ist erst vor kur­zem zum Bun­des­ob­mann des frei­heit­li­chen Senio­ren­rings gewählt wor­den. Auf sei­ne Face­book-Sei­te stellt er geschmei­chelt die Gra­tu­la­ti­on sei­nes Par­tei­chefs Stra­che und schreibt dazu: „Dan­ke sehr”

Ob sich sein Par­tei­chef auch dar­über freut, dass Wer­ner Neu­bau­er zum Jah­res­wech­sel das Video von Radio Ora­nia online gestellt hat, in dem er mit ent­schlos­se­ner Mie­ne das „Buren­lied“ schmet­tert? Was ist Radio Ora­nia eigent­lich und was das „Buren­lied“?

Radio Ora­nia ist eine klei­ne Radio­sta­ti­on in Süd­afri­ka – das Radio der Gemein­de Ora­nia. Eine Gemein­de ist Ora­nia eigent­lich nicht, aber eine geschlos­se­ne Gemein­schaft in der Pro­vinz Nord­kap. Die Sied­lung, in der fak­tisch nur Buren leben, hat rund 1.000 Bewoh­ne­rIn­nen. 1990, nur weni­ge Mona­te nach dem offi­zi­el­len Ende der Apart­heid, wur­de Ora­nia von Carel Bos­hoff gegrün­det. Der war ein Schwie­ger­sohn von Hen­drik Ver­woerd, einem frü­he­ren süd­afri­ka­ni­schen Pre­mier­mi­nis­ter und Chef­ideo­lo­gen der Apartheid-Ideologie.

Die Sied­lung und das Radio – man ahnt es schon nach die­ser Ein­lei­tung – haben sich der Apart­heid ver­schrie­ben: „Ora­nia“ sieht sich als Keim­zel­le eines buri­schen Staa­tes, der nach den Prin­zi­pi­en der Apart­heid orga­ni­siert ist: Ras­sen­tren­nung, also kei­ne Ver­mi­schung mit ande­ren „Ras­sen“ und Kul­tu­ren. In dier Sied­lung Ora­nia wer­den des­halb auch nur Men­schen auf­ge­nom­men, die Buren sind und sich mit buri­scher Ideo­lo­gie identifizieren.


Apart­heid in Südafrika

Die Apart­heid-Ideo­lo­gie wird dabei wört­lich genom­men: Anders als im Apart­heid-Staat gibt es in der Apart­heid-Buren­sied­lung kei­ne Schwar­zen, die für die Wei­ßen arbei­ten müs­sen. Ras­sis­tisch ist die Kon­struk­ti­on die­ser Gemein­schaft den­noch. Dort war also Wer­ner Neu­bau­er zu Besuch. Und träl­ler­te das „Buren­lied“.

Das heut­zu­ta­ge bei uns völ­lig unbe­kann­te „Buren­lied“ war vor 70/80 Jah­ren sehr bekannt. Unter dem Nazi-Regime. Bei der Hit­ler-Jugend. Regel­recht pro­pa­gan­dis­ti­sche Bedeu­tung erhielt das „Buren­lied“, nach­dem sich Hit­lers Hirn­ge­spins­te über einen Sepa­rat­frie­den mit Eng­land zer­schla­gen hat­ten. Die dar­auf fol­gen­de anti­bri­ti­sche Nazi-Pro­pa­gan­da push­te nicht nur den Film über den Buren­po­li­ti­ker Paul Krü­ger („Ohm Krü­ger“), son­dern auch das „Buren­lied“, das zwar kei­ne Nazi-Schöp­fung war, aber mit sei­ner Kampf- und Opfer­rhe­to­rik per­fekt zur Nazi-Ideo­lo­gie passte.


Anti­bri­ti­sche Nazi-Propaganda

In etli­chen Memoi­ren über die Nazi-Zeit taucht des­halb das „Buren­lied“ auf: als Nazi-Lied und als Lied, das bei der Hit­ler-Jugend pro­mi­nent gesun­gen wur­de. Etwa hier: „Und ich sang vor mich hin, das Hit­ler­ju­gend-Lied vom Buren­krieg: ‚Der jüngs­te war kaum vier­zehn Jahr’/er scheu­te nicht den Tod fürs Vater­land!’“ (Die Zeit), bei Gott­lob Kreß („Die Ame­ri­ka­ner stan­den am Rhein. Nun lern­ten wir in der Schu­le: ‚Es braust ein Ruf wie Don­ner­hall… zum Rhein, zum Rhein zum deut­schen Rhein, wer will des Vol­kes Hüter sein. Oder das Buren­lied: ‚Ein alter Bur mit grau­em Haar, der zog sei­nen Söh­nen vor­an. Der Jüngs­te war kaum 14 Jahr, er scheu­te nicht den Tod für’s Vater­land.‚”). Der Phi­lo­lo­ge und Juda­ist Heinz Schre­cken­berg schreibt dazu: „Leicht erkenn­bar ist die beab­sich­tig­te Wir­kung auch bei dem ‚Buren­lied’ (aus dem 1941 ent­stan­de­nen Film ‚Ohm Krü­ger’), das nach Aus­sa­gen von Zeit­zeu­gen in der HJ viel gesun­gen wur­de: Es erzeug­te eine dump­fe Wut auf die impe­ria­lis­ti­schen, bösen Engländer.“

Aktu­ell taucht das aus der Nazi-Zeit bekann­te „Buren­lied“ wie­der bei Wer­ner Neu­bau­er auf, der es für die Radio-Sta­ti­on einer buri­schen Apart­heid-Sied­lung vor­trägt. Dar­auf kann man sich den pas­sen­den Reim machen.

* Die Nazi-Zeit und das „Buren­lied“:



P.S.: Das „Buren­lied“ gibt es in meh­re­ren Vari­an­ten, die sich nicht nur durch die Haar­far­be des alten „Bur“ unter­schei­den: weiß bzw. grau. Neu­bau­er besingt den „Bur mit grau­em Haar“, des­halb hier die­se Textvariante:

1. Ein Kampf ist entbrannt
und es blitzt und es kracht
und es tobt eine blu­ti­ge Schlacht.
Es kämp­fen die Buren Oranje-Transvaal
gegen Eng­lands Großübermacht.
Ein alter Bur mit grau­em Haar,
er zog sei­nen Söh­nen voran.
Der jüngs­te war kaum 14 Jahr´,
er scheu­te nicht den Tod fürs Vaterland.

2. Die Schlacht ist vorbei
und die Nacht bricht herein
und auf stei­len Felsengestein,
da liegt der Bur mit zer­schos­se­ner Brust
und kei­ner steht ihm bei.
Kame­ra­den fan­den abends spät
den ster­ben­den Burenkapitän.
Sie hör­ten nur sein lei­sen Fleh´n:
Es lebe Oranje-Transvaal!

➡️ Bericht über die Sied­lung „Ora­nia“ aus der „NZZ“

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