Werner Neubauer ist erst vor kurzem zum Bundesobmann des freiheitlichen Seniorenrings gewählt worden. Auf seine Facebook-Seite stellt er geschmeichelt die Gratulation seines Parteichefs Strache und schreibt dazu: „Danke sehr”
Ob sich sein Parteichef auch darüber freut, dass Werner Neubauer zum Jahreswechsel das Video von Radio Orania online gestellt hat, in dem er mit entschlossener Miene das „Burenlied“ schmettert? Was ist Radio Orania eigentlich und was das „Burenlied“?
Radio Orania ist eine kleine Radiostation in Südafrika – das Radio der Gemeinde Orania. Eine Gemeinde ist Orania eigentlich nicht, aber eine geschlossene Gemeinschaft in der Provinz Nordkap. Die Siedlung, in der faktisch nur Buren leben, hat rund 1.000 BewohnerInnen. 1990, nur wenige Monate nach dem offiziellen Ende der Apartheid, wurde Orania von Carel Boshoff gegründet. Der war ein Schwiegersohn von Hendrik Verwoerd, einem früheren südafrikanischen Premierminister und Chefideologen der Apartheid-Ideologie.
Die Siedlung und das Radio – man ahnt es schon nach dieser Einleitung – haben sich der Apartheid verschrieben: „Orania“ sieht sich als Keimzelle eines burischen Staates, der nach den Prinzipien der Apartheid organisiert ist: Rassentrennung, also keine Vermischung mit anderen „Rassen“ und Kulturen. In dier Siedlung Orania werden deshalb auch nur Menschen aufgenommen, die Buren sind und sich mit burischer Ideologie identifizieren.
Apartheid in Südafrika
Die Apartheid-Ideologie wird dabei wörtlich genommen: Anders als im Apartheid-Staat gibt es in der Apartheid-Burensiedlung keine Schwarzen, die für die Weißen arbeiten müssen. Rassistisch ist die Konstruktion dieser Gemeinschaft dennoch. Dort war also Werner Neubauer zu Besuch. Und trällerte das „Burenlied“.
Das heutzutage bei uns völlig unbekannte „Burenlied“ war vor 70/80 Jahren sehr bekannt. Unter dem Nazi-Regime. Bei der Hitler-Jugend. Regelrecht propagandistische Bedeutung erhielt das „Burenlied“, nachdem sich Hitlers Hirngespinste über einen Separatfrieden mit England zerschlagen hatten. Die darauf folgende antibritische Nazi-Propaganda pushte nicht nur den Film über den Burenpolitiker Paul Krüger („Ohm Krüger“), sondern auch das „Burenlied“, das zwar keine Nazi-Schöpfung war, aber mit seiner Kampf- und Opferrhetorik perfekt zur Nazi-Ideologie passte.
Antibritische Nazi-Propaganda
In etlichen Memoiren über die Nazi-Zeit taucht deshalb das „Burenlied“ auf: als Nazi-Lied und als Lied, das bei der Hitler-Jugend prominent gesungen wurde. Etwa hier: „Und ich sang vor mich hin, das Hitlerjugend-Lied vom Burenkrieg: ‚Der jüngste war kaum vierzehn Jahr’/er scheute nicht den Tod fürs Vaterland!’“ (Die Zeit), bei Gottlob Kreß („Die Amerikaner standen am Rhein. Nun lernten wir in der Schule: ‚Es braust ein Ruf wie Donnerhall… zum Rhein, zum Rhein zum deutschen Rhein, wer will des Volkes Hüter sein. Oder das Burenlied: ‚Ein alter Bur mit grauem Haar, der zog seinen Söhnen voran. Der Jüngste war kaum 14 Jahr, er scheute nicht den Tod für’s Vaterland.‚”). Der Philologe und Judaist Heinz Schreckenberg schreibt dazu: „Leicht erkennbar ist die beabsichtigte Wirkung auch bei dem ‚Burenlied’ (aus dem 1941 entstandenen Film ‚Ohm Krüger’), das nach Aussagen von Zeitzeugen in der HJ viel gesungen wurde: Es erzeugte eine dumpfe Wut auf die imperialistischen, bösen Engländer.“
Aktuell taucht das aus der Nazi-Zeit bekannte „Burenlied“ wieder bei Werner Neubauer auf, der es für die Radio-Station einer burischen Apartheid-Siedlung vorträgt. Darauf kann man sich den passenden Reim machen.
* Die Nazi-Zeit und das „Burenlied“:
P.S.: Das „Burenlied“ gibt es in mehreren Varianten, die sich nicht nur durch die Haarfarbe des alten „Bur“ unterscheiden: weiß bzw. grau. Neubauer besingt den „Bur mit grauem Haar“, deshalb hier diese Textvariante:
1. Ein Kampf ist entbrannt
und es blitzt und es kracht
und es tobt eine blutige Schlacht.
Es kämpfen die Buren Oranje-Transvaal
gegen Englands Großübermacht.
Ein alter Bur mit grauem Haar,
er zog seinen Söhnen voran.
Der jüngste war kaum 14 Jahr´,
er scheute nicht den Tod fürs Vaterland.
2. Die Schlacht ist vorbei
und die Nacht bricht herein
und auf steilen Felsengestein,
da liegt der Bur mit zerschossener Brust
und keiner steht ihm bei.
Kameraden fanden abends spät
den sterbenden Burenkapitän.
Sie hörten nur sein leisen Fleh´n:
Es lebe Oranje-Transvaal!
➡️ Bericht über die Siedlung „Orania“ aus der „NZZ“