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Hitlers Hetzschrift ab 2016 frei verfügbar?

70 Jah­re nach dem Selbst­mord von Adolf Hit­ler lau­fen die Urhe­ber­rech­te an allen sei­nen schrift­li­chen Wer­ken, auch an der Hetz­schrift „Mein Kampf“, aus. Der Frei­staat Bay­ern bzw. des­sen Finanz­mi­nis­te­ri­um, das die Rech­te an dem Buch inne­hat­te, hat bis­lang jede Wie­der­ver­öf­fent­li­chung ver­hin­dert. Das ist ab 2016 nicht mehr mög­lich. Ist die Hetz­schrift ab nächs­tem Jahr also […]

30. Dez 2015

Die Kampf­schrift, die er wäh­rend sei­ner kur­zen Haft in Lands­berg nach sei­nem geschei­ter­ten Putsch­ver­such zu schrei­ben begon­nen hat­te, hat Hit­ler zu einem rei­chen Mann gemacht. Rund 11 Mil­lio­nen Exem­pla­re erschie­nen bis 1944 von dem Buch, das nach der Macht­er­grei­fung der Natio­nal­so­zia­lis­ten sehr häu­fig deut­schen Braut­paa­ren als Geschenk der Gemein­de (anstel­le der Bibel) über­ge­ben wur­de. Statt­li­che 10 Pro­zent vom Kauf­preis flos­sen an Hit­ler persönlich.

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Da seit Jah­ren abseh­bar war, wann die Urhe­ber­rech­te aus­lau­fen wür­den, gab es – vor allem in der BRD –eine Dis­kus­si­on dar­über, wie mit der Frei­ga­be umge­gan­gen wer­den soll­te. Nicht weni­ge Kom­men­ta­to­rIn­nen begrüß­ten das Ende der Urhe­ber­rech­te und ver­tra­ten den Stand­punkt, dass die Bevöl­ke­rung mitt­ler­wei­le – 70 Jah­re nach dem Ende des Nazi-Regimes- wohl reif genug sei, um sich nicht durch eine alte Hetz­schrift ver­füh­ren zu las­sen. Dabei wird nicht nur aus­ge­blen­det, dass gera­de aktu­ell gro­ße Grup­pen bereit sind, sich ver­het­zen zu las­sen und selbst aktiv Het­ze zu ver­brei­ten, son­dern auch, dass es Opfer und deren Nach­kom­men gibt, die durch eine Neu­auf­la­ge die­ser Hetz­schrift neu­er­lich belei­digt und ver­letzt würden.

Hit­lers „Mein Kampf“ , das ist nicht nur eine geschön­te, „fri­sier­te“ Auto­bio­gra­phie, son­dern auch eine üble anti­se­mi­ti­sche Kampf- und Hetz­schrift, die die Ver­nich­tung der Juden zwar nicht direkt ein­for­der­te, aber vor­be­rei­te­te und legi­ti­mier­te. Das war ver­mut­lich auch der Grund, war­um die baye­ri­sche Staats­re­gie­rung ihre ursprüng­li­che Zusa­ge, eine kom­men­tier­te his­to­risch kri­ti­sche Neu­auf­la­ge der Schrift mit einer Sub­ven­ti­on zu unter­stüt­zen, wiederzurückzog.

Das Münch­ner Insti­tut für Zeit­ge­schich­te (IfZ), das sich ab 2009 dar­an mach­te, eine kom­men­tier­te Aus­ga­be der Schrift zu erar­bei­ten, wur­de näm­lich 2012 von der baye­ri­schen Staats­re­gie­rung mit einer Sub­ven­ti­on unter­stützt. Auch die Edi­ti­on einer güns­ti­gen „Schul­aus­ga­be“ war geplant . Im Dezem­ber 2013 zog die baye­ri­sche Regie­rung die Zusa­ge aller­dings wie­der zurück und kün­dig­te an, Reprints des Buches (ab 2016) mit Straf­an­zei­gen wegen Volks­ver­het­zung begeg­nen zu wol­len. Nicht ganz klar war, ob die­se Straf­dro­hung auch für eine his­to­risch kri­ti­sche Neu­auf­la­ge gel­ten soll­te (die Doku „Das gefähr­li­che Buch“ , die der ORF am 17. Jän­ner 2016 ab 23.05h auf ORF 2 aus­strahlt, han­delt die­se Ent­wick­lung ab).

Für die Rechts­la­ge in Öster­reich ist auch ab 2016 das NS-Ver­bots­ge­setz maß­geb­lich. Wer Nazi-Ideo­lo­gie gut­heißt und ver­brei­tet, ist nach den Bestim­mun­gen des Ver­bots­ge­set­zes zu bestra­fen. Der blo­ße Besitz des Buches „Mein Kampf“ ist damit nicht gemeint. Auch die his­to­risch kri­ti­sche Neu­auf­la­ge von „Mein Kampf“ durch das IfZ, das durch sei­ne fast 2.000 Kom­men­ta­re zu ein­zel­nen Text­stel­len die Hetz­schrift ja „dekon­stru­ie­ren“ will, fällt nicht unter die Strafbestimmungen.

Jede ande­re Ver­brei­tung von „Mein Kampf“ in Öster­reich, ob gedruckt oder über Inter­net ange­bo­ten, steht aller­dings unter dem Ver­dacht der Wie­der­be­tä­ti­gung – und das ist auch gut so! Bedau­er­lich ist, dass die sehr umfang­rei­che kom­men­tier­te Aus­ga­be nur zum Preis von 59 Euro erhält­lich sein soll. 

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