Hitlers Hetzschrift ab 2016 frei verfügbar?

70 Jahre nach dem Selb­st­mord von Adolf Hitler laufen die Urhe­ber­rechte an allen seinen schriftlichen Werken, auch an der Het­zschrift „Mein Kampf“, aus. Der Freis­taat Bay­ern bzw. dessen Finanzmin­is­teri­um, das die Rechte an dem Buch innehat­te, hat bis­lang jede Wiederveröf­fentlichung ver­hin­dert. Das ist ab 2016 nicht mehr möglich. Ist die Het­zschrift ab näch­stem Jahr also frei erhältlich? Sich­er nicht!

Die Kampf­schrift, die er während sein­er kurzen Haft in Lands­berg nach seinem gescheit­erten Putschver­such zu schreiben begonnen hat­te, hat Hitler zu einem reichen Mann gemacht. Rund 11 Mil­lio­nen Exem­plare erschienen bis 1944 von dem Buch, das nach der Machter­grei­fung der Nation­al­sozial­is­ten sehr häu­fig deutschen Braut­paaren als Geschenk der Gemeinde (anstelle der Bibel) übergeben wurde. Stat­tliche 10 Prozent vom Kauf­preis flossen an Hitler persönlich.

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Da seit Jahren abse­hbar war, wann die Urhe­ber­rechte aus­laufen wür­den, gab es – vor allem in der BRD –eine Diskus­sion darüber, wie mit der Freiga­be umge­gan­gen wer­den sollte. Nicht wenige Kom­men­ta­torIn­nen begrüßten das Ende der Urhe­ber­rechte und ver­trat­en den Stand­punkt, dass die Bevölkerung mit­tler­weile – 70 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes- wohl reif genug sei, um sich nicht durch eine alte Het­zschrift ver­führen zu lassen. Dabei wird nicht nur aus­ge­blendet, dass ger­ade aktuell große Grup­pen bere­it sind, sich ver­het­zen zu lassen und selb­st aktiv Het­ze zu ver­bre­it­en, son­dern auch, dass es Opfer und deren Nachkom­men gibt, die durch eine Neuau­flage dieser Het­zschrift neuer­lich belei­digt und ver­let­zt würden.

Hitlers „Mein Kampf“ , das ist nicht nur eine geschönte, „frisierte“ Auto­bi­ogra­phie, son­dern auch eine üble anti­semi­tis­che Kampf- und Het­zschrift, die die Ver­nich­tung der Juden zwar nicht direkt ein­forderte, aber vor­bere­it­ete und legit­imierte. Das war ver­mut­lich auch der Grund, warum die bay­erische Staat­sregierung ihre ursprüngliche Zusage, eine kom­men­tierte his­torisch kri­tis­che Neuau­flage der Schrift mit ein­er Sub­ven­tion zu unter­stützen, wiederzurückzog.

Das Münch­n­er Insti­tut für Zeit­geschichte (IfZ), das sich ab 2009 daran machte, eine kom­men­tierte Aus­gabe der Schrift zu erar­beit­en, wurde näm­lich 2012 von der bay­erischen Staat­sregierung mit ein­er Sub­ven­tion unter­stützt. Auch die Edi­tion ein­er gün­sti­gen „Schu­laus­gabe“ war geplant . Im Dezem­ber 2013 zog die bay­erische Regierung die Zusage allerd­ings wieder zurück und kündigte an, Reprints des Buch­es (ab 2016) mit Strafanzeigen wegen Volksver­het­zung begeg­nen zu wollen. Nicht ganz klar war, ob diese Straf­dro­hung auch für eine his­torisch kri­tis­che Neuau­flage gel­ten sollte (die Doku „Das gefährliche Buch“ , die der ORF am 17. Jän­ner 2016 ab 23.05h auf ORF 2 ausstrahlt, han­delt diese Entwick­lung ab).

Für die Recht­slage in Öster­re­ich ist auch ab 2016 das NS-Ver­bots­ge­setz maßge­blich. Wer Nazi-Ide­olo­gie gutheißt und ver­bre­it­et, ist nach den Bes­tim­mungen des Ver­bots­ge­set­zes zu bestrafen. Der bloße Besitz des Buch­es „Mein Kampf“ ist damit nicht gemeint. Auch die his­torisch kri­tis­che Neuau­flage von „Mein Kampf“ durch das IfZ, das durch seine fast 2.000 Kom­mentare zu einzel­nen Textstellen die Het­zschrift ja „dekon­stru­ieren“ will, fällt nicht unter die Strafbestimmungen.

Jede andere Ver­bre­itung von „Mein Kampf“ in Öster­re­ich, ob gedruckt oder über Inter­net ange­boten, ste­ht allerd­ings unter dem Ver­dacht der Wieder­betä­ti­gung – und das ist auch gut so! Bedauer­lich ist, dass die sehr umfan­gre­iche kom­men­tierte Aus­gabe nur zum Preis von 59 Euro erhältlich sein soll.