Was hat Ursula Stenzel in den vergangenen Jahren als Bezirksvorsteherin des ersten Bezirks in Wien nicht alles gefordert, wie hat sie nicht gewettert gegen alles, was ihr nicht zu Gesicht stand – und das waren in erster Linie Bettler, Obdachlose, Punks, Drogensüchtige, alkoholisierte Jugendliche und StraßenkünstlerInnen. Die sollten alle in ihrem Bezirk keinen ruhigen Platz mehr finden, und deshalb sprach sie sich unermüdlich für generelle Bettelverbote, mehr Videoüberwachung und Nachtsperren in Parks, ein Alkoholverbot für öffentliche Plätze usw. aus. Alles Punkte, mit denen sie sich schon in der Vergangenheit mit der FPÖ traf.
Jetzt ist alles anders. Nicht wirklich, sondern für die Auslage. Für den Fototermin eben. Die FPÖ liebt seit kurzem die „heimischen“ Obdachlosen und bringt sie in Stellung gegen die Flüchtlinge. In unzähligen Stellungnahmen wird seit einigen Monaten das bittere Los von heimischen Obdachlosen beklagt, denen man sogar ein Dach über dem Kopf verwehre, während die Flüchtlinge alles erhielten: Wohnung, Essen, Geld, Arbeit. Darum der Fototermin! Ursula Stenzel und die FPÖ wollten in die „Gruft“ hinein, dort die Fotos machen. Stenzel mit ein paar Obdachlosen, denen sie den überdimensionalen Spendenscheck in der Höhe von 5.000 Euro präsentiert, sie vielleicht sogar in die Arme nimmt. Herzig! Dass sie nicht in das Gebäude reindurfte, findet Stenzel laut „Presse“ „unmöglich, eine Hilfseinrichtung sollte nicht politisch gekapert werden“. Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen!
Für die 5.000 Euro hat Stenzel auch gleich einen vernünftigen Verwendungszweck: Sinnvolles, wie etwa Schlafsäcke, sollten damit angekauft werden. 2013 wurden die Obdachlosen, die im Stadtpark auf Parkbänken campierten, durch die Exekutive vertrieben. Ihre persönlichen Habseligkeiten, darunter auch Schlafsäcke, wurden ihnen teilweise abgenommen. Die Vermutung, dass Stenzel hinter dem Polizeieinsatz stehen könnte, dementierte sie damals. Jetzt nicht mehr: „Es gab etliche Anrainerbeschwerden.“ (Presse) Die Anrainer im Stadtpark – Eichhörnchen? Vielleicht kommen einige der damals vertriebenen Obdachlosen über den Scheck wieder zu ihren Schlafsäcken? Jedenfalls ist Stenzel so wie die FPÖ ganz klar dafür, dass zwischen einheimischen und ausländischen Obdachlosen und Bettlern ein klarer Trennstrich gezogen wird. Schon in der Vergangenheit war sie gegen jeden „Armutsexport“. „Es ist nicht mehr notwendig, dass Armut zu uns exportiert wird”, erklärte sie 2007 der Zeitung „Österreich“. Mittlerweile hat sie einen so scharfen Blick, dass sie sofort weiß, dass es sich bei der Bettelei im ersten Bezirk fast nur um organisiertes Betteln handle. „Jemand mit einer rahmenlosen Brille und Handy, der plötzlich Leiden vortäuscht, das unterstütze ich nicht.” (Die Presse)
Und wie schaut’s mit einer Partei aus, die plötzlich mit einem 5.000 Euro Spendenscheck soziales Mitgefühl vortäuscht? Die FPÖ war in den letzten Jahren immer und überall für generelle Bettelverbote. Zu Obdachlosen ist ihr nur verstärkter Polizeieinsatz, Stadtwache und Platzverbot eingefallen. Die FPÖ war auch immer gegen die Mindestsicherung. Jetzt beklagt sie wortreich (und fälschlich), dass die obdachlosen ÖsterreicherInnen keine erhielten, während die ja „Asylanten“ …!
Als Anfang 2013 im vierten Bezirk eine zweite „Gruft” eröffnet wurde, sprach der Klubobmann der FPÖ in der Bezirksvertretung von einem „Unruheherd“, der den „Leidgeplagten“ (gemeint waren die Anrainer) vor die Nase gesetzt würde. Als „erste Sofortmaßnahme“ forderte der FPÖ-Mann verstärkte Polizeikontrollen, „insbesondere in den Abendstunden, um Anrainer und Passanten zu schützen” (OTS FPÖ). Langfristig könne die Notschlafstelle aber „keinesfalls“ am Wiedner Gürtel bleiben. Der FPÖ-Gemeinderat Wolfgang Jung polemisierte ebenfalls 2013 lautstark gegen eine „Sandlerzentrale“ in Liesing: „Wir werden uns das sicher nicht so einfach gefallen lassen!” (OTS FPÖ)
Stenzel, die FPÖ und die plötzlich entflammte Zuneigung zu Obdachlosen: Das ist nicht mehr als ein abgeschmackter Fototermin, nicht mehr als die Illusion, dass das Blitzlicht von Kameras bei der Spendenscheckübergabe schon soziale Wärme, Empathie herstellen kann.