Polizist, Lügner und Hetzer ?

Ein neues Het­zschreiben geht um in den sozialen Net­zw­erken, via Email und zulet­zt auch in der „Kro­ne“. Ein­er, der sich als Polizist aus­gibt, will es ver­fasst haben. Ist er ein Polizist? Keine Ahnung, denn der Het­zer schreibt anonym – wegen der Amtsver­schwiegen­heit, behauptet er. In seinem Schreiben lügt und het­zt er jeden­falls ganz ordentlich. Eine öffentliche Klarstel­lung des Innen­min­is­teri­ums bzw. der niederöster­re­ichis­chen Polizei gibt es nicht. Warum eigentlich nicht?

„Wegen der Amtsver­schwiegen­heit muss ich anonym bleiben“, schreibt der Ver­fass­er, der anson­sten Repres­salien „bis hin zur Sus­pendierung“ befürchtet. Das fängt ja schon gut an! Aus­gerech­net ein Polizist, der uns ange­blich die „Wahrheit“ mit­teilen will, macht das, indem er Geset­ze bricht?! Sollte der nicht eigentlich für die Ein­hal­tung von Geset­zen sorgen?


Quelle: SOS Mit­men­sch
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Aber gut, vielle­icht hat er uns etwas so Wichtiges zu sagen, das die Ver­let­zung von Amts­ge­heim­nis und Amtsver­schwiegen­heit recht­fer­ti­gen würde?

70.000 Flüchtlinge wer­den dieses Jahr für Öster­re­ich erwartet, teilt er uns gle­ich zu Beginn ein­mal mit. Also gut, diese Zahl ist sich­er kein Amts­ge­heim­nis – die Innen­min­is­terin kann die im Schlaf auf­sagen. Die weit­eren Zahlen , die er offen­legt, sind auch kein Amts­ge­heim­nis, dafür fast alle gelogen.

Lüge 1

„Allein in Niederöster­re­ich haben wir beina­he täglich ca. 200 Auf­griffe an Ille­galen. Bun­desweit sind es täglich 600, welche auch Asy­lanträge stellen“.

Täglich 600 Asy­lanträge, das würde für 2015 einen Wert weit über den prog­nos­tizierten 70.000 ergeben, selb­st wenn man diese Annahme nur für das 2.Halbjahr trifft. Das Schreiben des Polizis­ten stammt aber aus dem 1. Hal­b­jahr, ist also nach­weis­lich falsch. Derzeit wer­den täglich zwis­chen 250 und 400 Asy­lanträge öster­re­ich­weit gestellt.

Lüge 2

„Wusstest (sic!) ihr, dass uns jed­er Asyl­wer­ber pro Tag ca. 300 Euro kostet?“

Nein, wussten wir nicht, weil die Zahl erstunken und erlogen ist. Max­i­mal 40 Euro Taschen­geld gibt es pro Asyl­wer­ber – monatlich! Dazu kom­men die Kosten für Unterkun­ft­ge­ber, die derzeit bei täglich 19 Euro liegen (die übri­gen Kosten fall­en kaum ins Gewicht). Da ist auch die Verpfle­gung inkludiert. Wer’s genau wis­sen will: das Land Niederöster­re­ich gibt dazu genau Auskun­ft.

Lüge 3

„80 Prozent der Asyl­wer­ber haben keine Beruf­saus­bil­dung, manche von ihnen kön­nen wed­er lesen und schreiben und unter­fer­ti­gen ihre Vernehmungen nur mit einem Fin­ger­ab­druck“.

Eine Studie des Wifo für das Sozialmin­is­teri­um besagt, “dass Asyl­wer­ber mehrheitlich Män­ner im Alter zwis­chen 20 und 40 Jahren (75 Prozent) mit einem tra­di­tionell sehr hohen Anteil an mit­tleren Qual­i­fika­tio­nen sind“ (Neues Volks­blatt, 2.7.2015). Oder anders aus­ge­drückt: 56 Prozent der Asyl­wer­ber haben eine mit­tlere Ausbildung.

Lüge 4

„Wusstet ihr, dass es Län­der inner­halb der EU gibt, die ver­traglich von der Auf­nahme von Flüchtlin­gen ausgenom­men sind? Sich­er nicht. Darunter fall­en Großbri­tan­nien, Irland, alle baltischen Län­der, Teile von Skan­di­navien und sog­ar Polen“.

Diese Behaup­tung ist absoluter Schwachsinn. Welch­er Ver­trag soll das sein? Die Dublin-Abkom­men regeln die Asylpoli­tik der EU, gel­ten für alle ihre Mit­gliedsstaat­en, Island, Nor­we­gen und die Schweiz. Selb­st die einzige Aus­nahme von der Dublin II-Verord­nung für Däne­mark ist seit 2006 hin­fäl­lig. Was es allerd­ings gibt, sind ekla­tante Unter­schiede zwis­chen den Län­dern (eine Folge von Dublin II) und die Weigerung von etlichen Län­dern, eine Quote für die Auf­nahme von Flüchtlin­gen zu vereinbaren.

Lüge 5

„Eigentlich nehmen nur mehr Deutsch­land und wir Flüchtlinge auf, der Rest hat die Zeichen der Zeit erkan­nt und dicht gemacht“.

Dass einzelne Län­der mit der Auf­nahme und Ver­sorgung von Flüchtlin­gen anscheinend völ­lig über­fordert sind, erleben wir derzeit ger­ade in Öster­re­ich. Die Behaup­tung ist den­noch falsch. Das Land, das – bezo­gen auf seine Ein­wohn­erzahl- 2014 die meis­ten auf­nahm, war Schwe­den. 2015 war es bish­er Ungarn (gefol­gt von Schwe­den und Österreich).

Ohne Schwierigkeit­en kön­nten wir weit­ere Lügen aus dem Schreiben des ange­blichen Polizis­ten wieder­legen, etwa die, dass die Flüchtlinge „ein Leben lang von uns bezahlt“ wer­den. Von den rund 80.000 anerkan­nten Flüchtlin­gen sind rund 17.000 arbeit­s­los. Sich­er eine hohe Zahl, aber weit von der Het­ze des Polizis­ten entfernt.

Als Lösung fällt ihm nur ein: Gren­zen dicht „wie in der guten alten Zeit“. Welche alte Zeit für den Polizis­ten gut ist, wollen wir lieber gar nicht genauer erörtern. Fak­tum ist, dass selb­st mehrfache Stachel­drahtzäune und das Mit­telmeer Men­schen nicht von der Flucht vor Krieg, Hunger und Ter­ror­is­mus abhal­ten kön­nen, son­dern höch­stens den Preis für Schlep­perei nach oben treiben.

Keine Frage, Öster­re­ich nimmt – ver­glichen mit anderen EU-Mit­gliedsstaat­en – viele Flüchtlinge auf . Aber es waren auch schon deut­lich mehr! 1956/57 kamen in der Ungar­nkrise rund 180.000 aus unserem Nach­bar­land, 1968 nach der sow­jetis­chen Inva­sion in die Tsche­choslowakei waren es 160.000 und in den 90er Jahren während des Bosnien-Kriegs noch immer 90.000, die hier Auf­nahme fan­den – ohne Asylantrag!

Mit­tler­weile hat auch die „Kro­nen­zeitung“ (11.7.2015) Auszüge aus dem Brief des ange­blichen Polizis­ten veröf­fentlicht und ihm so höhere Wei­hen ver­liehen. Für die „Kro­ne“ scheint klar, dass das Schreiben von einem echt­en Polizis­ten stammt.

Sollte das so sein, dann wären Innen­min­is­teri­um und Lan­despolizei­di­rek­tion NÖ allerd­ings wirk­lich gefordert. Ein Polizist, der het­zt und lügt und möglicher­weise auch noch gegen das Strafrecht (Amts­ge­heim­nis) und das Beam­ten­di­en­strecht (Amtsver­schwiegen­heit) ver­stößt, das sollte die Polizei eigentlich interessieren.

Ein sehr infor­ma­tiv­er Beitrag bzw. Fak­tencheck zu Flüchtlin­gen find­et sich in der Online-Aus­gabe der OÖN.

Mimika­ma, die Web­seite, die sich mit Falschmel­dun­gen, Abo­fall­en, Spam usw. beschäftigt, hat auch einen Beitrag zu dem Polizis­ten-Brief gestal­tet, der sich fast auss­chließlich auf Infos von SOS Mit­men­sch stützt.