Zumindest der Auftakt zu dem gewaltigen Polizeieinsatz dürfte sich in etwa so abgespielt haben: Weil ihm die Tür nicht geöffnet wurde, rief der Inkasso-Mensch, der eine nicht bezahlte Handy-Rechnung eintreiben wollte, Polizei und Schlosser. Nach Öffnung der Wohnung dann völliges Entsetzen: Eine schwarze Fahne mit arabischen Schriftzeichen, ein Chemie-Baukasten und zwei alte stumpfe Zierdolche an der Wand waren zu sehen.
In der Erzählung von „Heute“ (19.2.15) liest sich das so:
Die nichtsahnenden Beamten schreckten in der menschenleeren Wohnung zurück: IS-Fahnen, Waffen (Schwerter, Maschinenpistolen) und verdächtige Stoffe. Sofort zogen sich Handwerker und Cops zurück ‑ein Großaufgebot von WEGA, Sprengstoffhunden, Verfassungsschutz und Dutzenden Polizisten stürmte das Apartment im 5. Stock.
Bericht der Gratiszeitung „Heute”
In einer APA-Meldung vom 19.2.15 korrigierte die Polizei dann das Bild der Terrorzelle des „Islamischen Staates“ völlig:
„Bei der Aufschrift [auf der angeblichen IS-Fahne; Anmk. SDR] dürfte es sich zwar um einen Text mit religiösem Inhalt handeln, allerdings nicht um islamistische Botschaften, wie sich später herausstellte. Außerdem wurden weder Schwerter oder Maschinenpistolen noch sonstige Waffen entdeckt, sagte der Sprecher zu einem Bericht der Gratiszeitung „Heute“. (APA, 19.2.15)
Das Gratisblatt hinderte das Dementi der Polizei nicht daran, noch einmal nachzusetzen: Die Falschmeldung über die „Dschihad-Wohnung“, über die man schon am Vortag „exklusiv berichtet“ hat, wurde einfach wiederholt: „Die Spezialeinheit stellte Fahnen sicher, auch Suchtgift und Waffen wurden gefunden.“ (20.2.15)
Am 20.2., also einen Tag nach dem Dementi der Polizei, wiederholte auch der Landesgeschäftsführer der FPÖ, Andreas Guggenberger, das Lügengebräu: „IS-Fahnen, Maschinenpistolen, Chemikalien und Drogen- was die Spezialisten der Polizei in einer Wohnung in einem Margaretner Gemeindebau entdeckten, lässt nur einen Schluss zu :Es handelt sich um ein Terror-Nest.”
Halten wir in aller Deutlichkeit fest: Es gab nach Auskunft der Polizei
- keine IS-Fahnen in der Wohnung
- keine Maschinenpistolen (höchstens die der Polizei während der Razzia)
- keine Schwerter (sondern stumpfe Ziergegenstände)
- keine Drogen, nur einen Chemiebaukasten (den die Polizei unter Umständen für geeignet zur Herstellung von Drogen hält).
Die Pressemitteilung der FPÖ war aber nur der bescheidene Auftakt für eine flächendeckende Kampagne der FPÖ Margareten. Sie produzierte einen Flyer mit der fetten Überschrift „Gegen Terror in Margareten“, der in der Wohnumgebung der vier jungen Wohnungsmieter, deren Wohnungsausstattung zum Gegenstand von widerlichen falschen Gerüchten geworden ist, verteilt wurde. „Wussten Sie, dass in Ihrer Nachbarschaft Terroristen wohnen?“, hetzte die FPÖ wider alle Fakten scheinheilig weiter.
In einem Interview mit dem „Kurier“ (6.3.15) behauptet der Bezirksobmann der FPÖ Margareten, Bundesrat Hans-Jörg Jenewein, dass der Fall nicht so substanzlos wie dargestellt sei. Woher will er das wissen? Von der Polizei? Die erklärt immer noch, dass es bei den Bewohnern nicht einmal einen Anfangsverdacht bezüglich Terrorismus gäbe. Das änderte nichts daran, dass einer von ihnen wegen des falschen Gerüchts mittlerweile seinen Arbeitsplatz verloren hat und „Wien Wohnen“ die Wohnung gekündigt hat, weil die Wohnung dem „Zusammentreffen extremistischer Personen, der Lagerung von Waffen und fundamentalistischer Propagandamittel“ diene. Woher will „Wien Wohnen“ das wissen? Von der Polizei sicher nicht, also wohl von der FPÖ oder von „Heute“.
Jenewein erklärt dem „Kurier“ auch, dass er noch eine parlamentarische Anfragebeantwortung zu der angeblichen Terror-Wohnung abwarten wolle. Wofür abwarten? Weil er bis dorthin – zwei Monate dauert es in der Regel, bis eine Anfrage beantwortet wird – das falsche Gerücht weiterhin verbreiten will? Allerdings: Bis heute (16.3.) gibt es keine Anfrage, auf die Antwort folgen könnte.
Was die FPÖ hier über Wochen betrieben hat, rechtfertigt den Verdacht der Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte (§ 276 STGB). Es wurde daher eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Wien eingebracht.