Falsch: Das war ein faschistischer Putsch
Die Euromaidan-Bewegung entstand im November 2013 als die ukrainische Regierung ankündigte, das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union nicht zu unterzeichnen. Als Grund wurden die „extrem harschen Auflagen“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) wie zum Beispiel die Erhöhung von Gaspreisen auf dem Binnenmarkt um 40 Prozent und starke Haushaltskürzungen, angegeben.
Die Euromaidan-Bewegung, vereinzelt sind rot-schwarze Fahnen des Kongress Ukrainischer Nationalisten erkennbar
Die Proteste wurde von weiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen, viele StudentInnen waren es, die die Nächte an den besetzten Plätzen ausharrten. Den ersten Höhepunkt der Proteste gegen die ukranische Regierung gab es am 24. November, als 100.000 bis 200.000 Menschen protestierten. Die Proteste wurden über Social Media angekündigt und organisiert. Die ukranische Regierung versuchte die Protestbewegung mit repressiven Mitteln zu stoppen. So gab es etwa Anwesenheitskontrollen in Universitäten. StudentInnen die sich an den Protesten beteiligten, wurde mit der Exmatrikulation gedroht.
Demonstrant mit EU-Fahne
Am 29. November riefen Oppositionelle, wie Arsenij Jazenjuk und Vitali Klitschko (UDAR) zu Protesten auf, erstmal in Erscheinung trat auch Oleh Tjahnybok von der rechtsextremen „Allukrainische Vereinigung ‚Swoboda’ ”. Entgegen der über Social Media organisierten Massenproteste wenige Tage zuvor beteiligten sich nur 20.000 Menschen. Diese besetzten den Majdan Nesaleschnosti (Unabhängigkeitsplatz in Kiev).
Nach mehreren Demonstrationen mit weit über 100.000 TeilnehmerInnen und einer immer brutaler vorgehenden Polizei (vor allem der Spezialeinheit Berkut) kam es am 8. Dezember zur bis dahin größten Protestwelle. Mindestens 500.000 Menschen demonstrierten an diesem Tag gegen die Regierung. Trotz Zusicherungen des Ministerpräsidenten Janukowytschs, die Lage nicht zu eskalieren, stürmten 730 Soldaten aus den Spezialeinheiten „Tiger” und „Leopard” die Barrikaden der Protestbewegung.
Spezialeinheit Berkut: Auch im Training nicht zimperlich
Umfragen zu diesem Zeitpunkt zeigten die tiefen Gräben in der Ukraine. Während im Westen 84 % der Bevölkerung die Proteste unterstützten, waren es im Osten nur 13 %.
Der Konflikt eskalierte entgültig, als am 18. Februar Polizeikräfte die Lager der DemonstrantInnen stürmten. Nach offiziellen Angaben kamen mindestens 28 Menschen ums Leben, die Zahl der Verletzten auf beiden Seiten wurde auf mehrere Hundert geschätzt. Am 20. Februar 2014 kam es trotz eines Waffenstillstandsabkommen erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und RegierungsgegnerInnen. Diesmal ausgelöst von Rechtsextremen des „Prawy Sektor” („Rechter Sektor”). Die Auseinandersetzungen gerieten zunehmend außer Kontrolle. Von beiden Seiten wurden Schusswaffen eingesetzt, es soll auch zu gezielten Tötungen durch Scharfschützen gekommen sein. Rettungskräfte sprachen 70 Toten allein am 20. Februar 2014.
Der Majdan Nesaleschnosti nach dem 20. Februar
Am Nachmittag des 21. Februar unterschrieben Präsident Wiktor Janukowytsch sowie die Oppositionsführer Jazenjuk, Klitschko und Tjahnybok einen Vertrag zur Beilegung der Krise. Einen Tag später wurde Janukowytsch de facto abgesetzt.
Richtig: Ohne rechtsextreme Kräfte ging es nicht
Rechtsextreme Kräfte waren an den Protesten maßgeblich beteiligt. Anfangs waren sie kaum wahrnehmbar, erstmals richtig in Erscheinung traten sie am 29. November, als die anderen Oppositionsparteien der „Allukrainische Vereinigung ‚Swoboda’ ” eine Bühne für ihre rechtsextreme und nationalistische Propaganda boten. Seitdem bildet die „Allukrainische Vereinigung ‚Vaterland’ ” von der inzwischen aus der Haft entlassenen Oligarchin Julia Timoschenko, die rechtsextreme „Allukrainische Vereinigung ‚Swoboda’ ” und die Partei UDAR von Vitali Klitschko ein Dreierbündnis.
Mit zunehemender Verschärfung des Konflikts und des immer brutaleren Vorgehen der Polizei, übernahmen RechtsextremistInnen eine immer wichtigere Rolle bei den Protesten. Mit Schusswaffen ausgerüstet gingen sie nicht minder brutal gegen die Polizei vor. Paramilitärische EInheiten des „Prawy Sektor” eskalierten die Lage am 20. Februar entgültig, die Polizei antwortete mit brutaler Gewalt.
„Prawy Sektor”
Ein derartig schnelles Ende des Regime unter Janukowytsch war nur durch das paramilitärische Eingreifen rechtsextremer Gruppierungen möglich (und einer Regierung, die nicht mehr Willens und fähig war, zu deeskalieren). Der Preis mit 70 Toten und hunderten Verletzten war sehr hoch, das war aber den NationalistInnen und RechtsextremistInnen egal: Ihr Auftreten, ihre paramilitärische Hilfe sorgte dafür, dass nun Rechtsextreme an der Regierung beteiligt sind und deren Trupps auf der Straße ein Machtfaktor sind.
„Prawy Sektor”
Diese, für den Umsturz, maßgebliche Hilfe wurde natürlich belohnt. „Svoboda” erhielt den Posten des stellvertretenden Regierungschef und den wichtigen Posten des Generalstaatsanwalt. Der neue Innenminister hat versprochen, dass er VertreterInnen des „Prawy Sektor” in seinem Ministerium berücksichtigen wird. Die nationalistischen Bestrebungen zeigen sich auch an den neu beschlossenen Gesetzen der ukrainischen Übergangsregierung, bei denen Russisch als Amtssprache abgeschafft wurde. Es werden immer mehr Übergriffe auf linke Gruppierungen und AntifaschistInnen gemeldet. Nach dem Umsturz wurde ein Banner des NS-Kollaborateurs Stefan Bandera im Rathaus in Kiev angebracht. Angeblich wurde es sofort wieder abgenommen, es zeigt aber, dass sich Rechtsextreme maßgeblich an den Protesten beteiligten.
Demonstrationen mit Bildern des NS-Kollaborateurs Stefan Bandera
Die Hoffnung des Westens, dargestellt in einem Kommentar von Steffen Dobbert in der „Zeit”, ist, dass die nationalistischen RechtsextremistInnen ebenso wie die rechten Paramilitärs sich beruhigen und gemäßigt auftreten werden. Demnach haben sich Vertreter des „Prawyj Sektor” in Kiew mit dem Botschafter Israels getroffen (aufgrund vermehrter antisemitischer Attacken), wobei sie versicherten, dass die Bewegung weiterhin von einer toleranten nationalen Politik geprägt sein wird. „Chauvinismus und Fremdenhass haben dabei keinen Platz”, so Vertreter des „Prawyj Sektor”.
An diesen Worten darf gezweifelt werden, immer mehr Übergriffe auf linke Organisationen werden bekannt. Büros der „Kommunistischen Partei der Ukraine” (KPU) sowie weitere Projekte der linken Bewegung wurden gestürmt, verwüstet und angezündet. Todeslisten, die sich gegen AntifaschistInnen richten, sind im Umlauf. Der Sprecher des „Prawyj Sektor„verkündete, dass die „Nationale Revolution” in der Ukraine weiterginge.
Ein Banner des NS-Kollaborateurs Stefan Bandera
Das Versagen der EU
Die EU unterstützte offen die Portestbewegung gegen Janukowytsch. Es war ihr dabei egal, dass sich die gemäßigten Oppositionskräfte mit rechtextremen NationalistInnen verbündeten. Anstatt Druck auszüben, rechtsextreme Kräfte auszusperren, sah die EU zu, wie rechte Paramilitärs immer mehr die Anfangs mannigfaltige Bewegung dominierten. Spätestens nach Absetzung Janukowytschs hätte die EU deutlich machen müssen, dass sie RechtsextremistInnen in der Regierung der Ukraine nicht duldet.
Dass Wladimir Putin diese Extremisierung und die damit einhergehende Russlandfeindlichkeit in der Ukraine als willkommenen Anlass nimmt, die geostrategischen Interessen Russlands durchzusetzen, vor allem nachdem sich ein West-Ostkonflikt in dieser Frage deutlich abzeichnete, sollte Politprofis nicht weiter verwundern. Erschreckenderweise hat es die EU doch überrrascht. Putin hätte vielleicht trotzdem so gehandelt, aber die EU hat durch ihre Unterstützung einer Regierung, bestehend aus RechtsextremistInnen, zu einer Eskalation beigetragen.