Der Wintereinbruch in Ungarn war gewaltig – das Versagen der Regierung bzw. des Innenministers beim Katastropheneinsatz allerdings ebenfalls. Es ist denkbar, dass dieses Versagen der rechten Regierung unter Viktor Orbán innenpolitisch mehr schadet als ihr Verfassungsputsch.
Mit ihrer umfassenden Novelle zur neuen Verfassung, die erst vor einem Jahr in Kraft gesetzt wurde, hat die Regierungsmehrheit nicht nur den Verfassungsgerichtshof entmachtet, sondern auch zahlreiche Zugeständnisse, die zuvor gegenüber der EU, dem Europarat und auch dem Verfassungsgerichtshof gemacht wurden, wieder zurückgenommen. Eine umfassende Darstellung der Verfassungsänderungen, die mittlerweile vom ungarischen Parlament beschlossen wurden, und ihrer Auswirkungen findet sich auf dem Blog Pusztaranger (4.3.13) in der Stellungnahme des ungarischen Helsinki-Komitees.
Mittlerweile formiert sich allerdings auf europäischer Ebene die Kritik an Orbán und dem Verfassungsputsch auch von konservativer Seite. Selbst Außenminister und Vizekanzler Spindelegger, der sich noch vor wenigen Monaten einen hohen ungarischen Orden umhängen ließ und dabei von der „legendären Zusammenarbeit” geschwärmt hatte, kritisiert mittlerweile, dass Orbán „am Rande des Erträglichen angekommen“ sei. Unterstützung für die autoritäre Entwicklung kommt vom „Front National”. Aus der FPÖ, die zur Zeit in erster Linie mit sich selbst beschäftigt ist, ist nur Andreas Mölzer ausgerückt, um Ungarns Regierung eher vorsichtig zu verteidigen: Man könne geteilter Meinung über die Verfassungsänderung sein, meint Mölzer, um dann auf die „demokratiepolitischen Bedenkenträger“ in der EU loszugehen.
Im Trubel um Winterchaos und Verfassungsänderung sind allerdings andere Meldungen aus Ungarn weitgehend untergegangen. An der Budapester Universität sind Aufkleber mit dem Spruch „Juden! Die Universität gehört uns, nicht Euch“ aufgetaucht. Als Absender der Botschaft, die auf Namenstafeln der Zimmer von Lehrenden, darunter auch an die Tür der Philosophin Agnes Heller geklebt wurden, bezeichnen sich die Antisemiten als „die ungarischen Studenten“. Dazu passt auch eine Meldung des „Standard“ (17.2.13), wonach die rechtsextreme und antisemitische Partei Jobbik unter den Studierenden am meisten Zustimmung erhält und das rabiat rechteNachrichtenportal kuruc.info ihre bleibeteste Internet-Seite sei.
Die Aufmärsche zum Nationalfeiertag konnten wegen des Schnee- bzw. Katastrophenchaos zwar nicht stattfinden, wurden aber von Regierungsseite dazu genutzt, drei Rechtsextremen staatliche Verdienstkreuze umzuhängen, berichtet die „Wiener Zeitung“ (15.3.13):
János Petrás, Sänger der rechtsextremen Rockband „Karpátia”, steht auf der Liste der Preisträger, die das Ministerium für Humanressourcen veröffentlicht hat. Ausgezeichnet wird ferner der umstrittene Archäologe Kornél Bakay, Verfechter der abstrusen Theorie der Rechtsradikalen, der zufolge Jesus Christus kein Jude, sondern Parther gewesen sei — also im Grunde ein Ungar, wegen einer angeblichen genetischen Verwandtschaft der Parther und der Ungarn. Bedacht wird auch Ferenc Szaniszló, Moderator des rechtsradikalen Privatsenders Ekho TV. Szanliszló, ein notorischer rassistischer Einpeitscher, bekam vom Humanressourcen-Minister Zoltán Balog den renommierten Táncsics-Preis für Journalisten.