Ungarn: Umfassender Notstand

In Öster­re­ich ver­mit­tel­ten in den let­zten Tagen Berichte und Reporta­gen von Tausenden in ihren Fahrzeu­gen eingeschlosse­nen Men­schen einen Ein­druck, wie die ungarische Regierung Krisen­man­age­ment betreibt. Die Mel­dung über anti­semi­tis­che Aufk­le­ber an der Budapester Uni­ver­sität schaffte es nicht in die meis­ten öster­re­ichis­chen Medi­en. Allerd­ings ist Außen­min­is­ter Spin­dele­leg­ger munter gewor­den und kri­tisiert endlich auch die ungarische Regierung.

Der Win­tere­in­bruch in Ungarn war gewaltig – das Ver­sagen der Regierung bzw. des Innen­min­is­ters beim Katas­tro­phenein­satz (Bericht dazu im Pester Lloyd) allerd­ings eben­falls. Dur­chaus denkbar, dass dieses Ver­sagen der recht­en Regierung unter Vik­tor Orban innen­poli­tisch mehr schadet als ihr Verfassungsputsch .

Mit ihrer umfassenden Nov­el­le zur neuen Ver­fas­sung, die erst vor einem Jahr in Kraft geset­zt wurde, hat die Regierungsmehrheit nicht nur den Ver­fas­sungs­gericht­shof ent­machtet, son­dern auch zahlre­iche Zugeständ­nisse, die zuvor gegenüber der EU, dem Europarat und auch dem Ver­fas­sungs­gericht­shof gemacht wur­den, wieder zurückgenom­men. Eine umfassende Darstel­lung der Ver­fas­sungsän­derun­gen, die mit­tler­weile vom ungarischen Par­la­ment beschlossen wur­den, und ihrer Auswirkun­gen find­et sich auf dem Blog von Pusz­taranger in der Stel­lung­nahme des ungarischen Helsin­ki- Komitees.


Kampf dem Schneechaos in Ungarn, Bildquelle: orf.at
-

Mit­tler­weile formiert sich allerd­ings auf europäis­ch­er Ebene die Kri­tik an Orban und dem Ver­fas­sungsputsch auch von kon­ser­v­a­tiv­er Seite. Selb­st Außen­min­is­ter und Vizekan­zler Spin­de­leg­ger, der sich noch vor weni­gen Monat­en einen hohen ungarischen Orden umhän­gen ließ und dabei von der “leg­endären Zusam­me­nar­beit“ schwärmte, kri­tisiert mit­tler­weile, dass Orban „am Rande des Erträglichen angekom­men“ sei. Unter­stützung für die autoritäre Entwick­lung kommt vom Front Nation­al. Aus der FPÖ, die zur Zeit in erster Lin­ie mit sich selb­st beschäftigt ist, ist nur Andreas Mölz­er aus­gerückt, um Ungar­ns Regierung eher vor­sichtig zu vertei­di­gen: man könne geteil­ter Mei­n­ung über die Ver­fas­sungsän­derung sein, orakelt Mölz­er, um dann auf die „demokratiepoli­tis­chen Bedenken­träger“ in der EU loszugehen.

Im Trubel um Win­ter­chaos und Ver­fas­sungsän­derung sind allerd­ings andere Mel­dun­gen aus Ungarn weit­ge­hend unterge­gan­gen. An der Budapester Uni­ver­sität sind Aufk­le­ber mit dem Spruch „Juden! Die Uni­ver­sität gehört uns, nicht Euch“ aufge­taucht. Als Absender der Botschaft, die auf Namen­stafeln der Zim­mer von Lehren­den, darunter auch an die Tür der Philosophin Agnes Heller gek­lebt wur­den, beze­ich­nen sich die Anti­semiten als „die ungarischen Stu­den­ten“. Dazu passt lei­der auch eine Mel­dung des „Stan­dard“, wonach die recht­sex­treme und anti­semi­tis­che Partei Job­bik unter den Studieren­den am meis­ten Zus­tim­mung erhält und das rabi­at recht­e­Nachricht­en­por­tal kuruc.info ihre blei­beteste Inter­net-Seite sei.

Die Aufmärsche zum Nation­alfeiertag kon­nten wegen des Schnee- bzw. Katas­tro­phen­chaos zwar nicht stat­tfind­en, wur­den aber von Regierungs­seite jeden­falls dazu genutzt, drei Recht­sex­tremen staatliche Ver­di­en­stkreuze umzuhän­gen, berichtet die „Wiener Zeitung“:

„János Petrás, Sänger der recht­sex­tremen Rock­band „Karpá­tia”, ste­ht auf der Liste der Preisträger, die das Min­is­teri­um für Human­res­sourcen veröf­fentlicht hat. Aus­geze­ich­net wird fern­er der umstrit­tene Archäologe Kornél Bakay, Ver­fechter der abstrusen The­o­rie der Recht­sradikalen, der zufolge Jesus Chris­tus kein Jude, son­dern Parther gewe­sen sei — also im Grunde ein Ungar, wegen ein­er ange­blichen genetis­chen Ver­wandtschaft der Parther und der Ungarn. Bedacht wird auch Fer­enc Szanis­zló, Mod­er­a­tor des recht­sradikalen Pri­vat­senders Ekho TV. Szan­lis­zló, ein notorisch­er ras­sis­tis­ch­er Ein­peitsch­er, bekam vom Human­res­sourcen-Min­is­ter Zoltán Balog den renom­mierten Tánc­sics-Preis für Jour­nal­is­ten“.