Polen: Noch ein Breivik?

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Die pol­ni­schen Sicher­heits­be­hör­den gaben ges­tern bekannt, dass sie am 9. Novem­ber den Uni­ver­si­täts­lek­tor Bru­n­on K. (45) ver­haf­tet haben. Bru­n­on K. wird beschul­digt, gemein­sam mit vier Kom­pli­zen einen Ter­ror­an­schlag auf den Sejm, das pol­ni­sche Unter­haus, vor­be­rei­tet zu haben. Bru­n­on K. hat nach eige­nen Anga­ben das Atten­tat aus „natio­na­lis­ti­schen“, frem­den­feind­li­chen und anti­se­mi­ti­schen Moti­ven geplant.

Noch ist vie­les unklar rund um den geplan­ten Ter­ror­an­schlag, mit dem wäh­rend der Haus­halts­de­bat­te zum Jah­res­en­de Staats­prä­si­dent, Regie­rungs­chef und die im Sejm ver­sam­mel­ten Abge­ord­ne­ten mit­tels einer Auto­bom­be ermor­det wer­den soll­ten. In man­chen Mel­dun­gen ist davon die Rede, dass der Atten­tä­ter vier Kom­pli­zen ange­heu­ert habe, die vor­über­ge­hend fest­ge­nom­men, aber dann wie­der frei­ge­las­sen wur­den. In ande­ren Mel­dun­gen wird nur von zwei wei­te­ren Ver­haf­te­ten gespro­chen. Das alles wür­de dafür spre­chen, dass Bru­n­on K. kein iso­lier­ter Ein­zel­tä­ter a la Brei­vik war. Den Behör­den zufol­ge habe er aber kei­ne Ver­bin­dun­gen zu extre­mis­ti­schen und ter­ro­ris­ti­schen Grup­pie­run­gen gehabt, aller­dings aus natio­na­lis­ti­schen, frem­den­feind­li­chen und anti­se­mi­ti­schen Moti­ven gehan­delt und die poli­ti­sche Füh­rung des Lan­des als „Aus­län­der“ und kei­ne „ech­ten“ Polen gesehen.

Zusätz­li­che Ver­wir­rung brach­te die Aus­sa­ge des pol­ni­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Donald Tusk, der mein­te, dass die Ermitt­lun­gen zum Fall des nor­we­gi­schen Atten­tä­ters Anders Beh­ring Brei­vik „ers­te Spu­ren“ erbracht hät­ten, die nun zur Fest­nah­me von K. geführt hät­ten. Der nor­we­gi­sche Chef­er­mitt­ler in der Cau­sa Brei­vik erklär­te dazu aller­dings, dass ihm der Mann nicht bekannt sei.


Ein mög­li­ches Ziel: Der Sejm, das Unter­haus des pol­ni­schen Parlaments
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Bei lan­des­wei­ten Raz­zi­en durch den pol­ni­schen Inlands­ge­heim­dienst ABW wur­den jeden­falls Spreng­stof­fe, Zün­der, Waf­fen, Muni­ti­on, schuss­si­che­re Wes­ten, Sturm­hau­ben, Mili­tär­aus­rüs­tung sowie pol­ni­sche und deut­sche KFZ-Kenn­zei­chen sichergestellt.

Minis­ter­prä­si­dent Donald Tusk sprach von einer „neu­en und dra­ma­ti­schen Erfah­rung“ , die es bis­her mit „sol­chen Vor­fäl­len“ nicht gege­ben habe und for­der­te dazu auf, auf die Spra­che des Has­ses und der Aggres­si­on zu verzichten.

Letz­te­res kommt der poli­ti­schen Situa­ti­on in Polen schon näher. Zuletzt am 11. Novem­ber, dem pol­ni­schen Unab­hän­gig­keits­tag, zogen pol­ni­sche „Natio­na­lis­ten“ durch die Haupt­stadt und lie­fer­ten sich Stra­ßen­schlach­ten mit der Poli­zei. In der poli­ti­schen Land­schaft Polens, aber auch in der katho­li­schen Kir­che hat der Anti­se­mi­tis­mus eine erschre­ckend hohe Akzep­tanz und Ver­brei­tung. Von der poli­ti­schen Eli­te sind natio­na­lis­ti­sche, ras­sis­ti­sche und anti­se­mi­ti­sche Äuße­run­gen und Aus­schrei­tun­gen bis­her aller­dings weit­ge­hend igno­riert wor­den – jetzt sind „sol­che Vor­fäl­le“ auch in der Staats­spit­ze angekommen.

Angrif­fe auf Syn­ago­gen, Grä­ber von Juden und Roma, offe­ne Atta­cken auf Schwar­ze sind häu­fig. Die anti­ras­sis­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on „Never Again“ spricht davon, dass es seit 1989 mehr als 60 Mor­de aus rechts­extre­men Moti­ven gege­ben hat und die Zahl der doku­men­tier­ten ras­sis­ti­schen Atta­cken in den letz­ten Jah­ren in die Hun­der­te geht.

Im von Never Again her­aus­ge­ge­be­nen „Brown Book 2010“ wer­den rechts­extre­me und ras­sis­ti­sche Vor­fäl­le aus dem Jahr 2010 dokumentiert.