Die weinerlichen freiheitlichen Opfer
Die österreichischen Freiheitlichen (FPÖ) sind übergangslos von der einen in die andere Lieblingsrolle gekippt – vom Part der Selbstüberschätzung in die Rolle der weinerlichen Opfer. Der Parteichef Heinz-Christian Strache, frisch aus den Ferien zurück, während deren sich in Wien die Ereignisse überschlagen hatten, präsentierte am Dienstag an einer Pressekonferenz einen Opfer-Katalog: Der umstrittene dritte Nationalratspräsident, Martin Graf sei ein Opfer der Medien, der kürzlich vom Landesgericht Klagenfurt zu einer Haftstrafe verurteilte Chef der Kärntner Freiheitlichen (FPK), Uwe Scheuch, ein Opfer der Justiz und der wegen extremistischer Äußerungen und rassistischer Beleidigungen aus der FPÖ ausgeschlossene Nationalratsabgeordnete Werner Königshofer ein Opfer – seiner selbst. Über der FPÖ werde, so Strache im Brustton der Überzeugung, „der braune Jauchekübel“ ausgeschüttet.
Charles E. Ritterband in Neue Zürcher Zeitung (NZZ) , 12.8.2011
Martin Graf vor dem Rückpfiff
Für den Dritten Nationalratspräsidenten, Martin Graf (F), ist das letzte Wort in der Causa Königshofer noch nicht gesprochen. „Die Entscheidung ist zu respektieren und auf der anderen Seite in weiterer Folge zu diskutieren”, sagte er im Interview mit der APA. Abgeschlossen sein dürfte das Prozedere laut Graf im September sein. Für die Aussagen des vorerst aus der FPÖ ausgeschlossenen Abgeordneten Werner Königshofer zeigt Graf gewisses Verständnis: Aufgrund eines „Wahnsinns-Verbrechen” dürfe man nicht „andere Bedrohungsfelder” ausblenden. Von den Anti-Terror-Plänen der ÖVP hält Graf nichts. Der Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreter Uwe Scheuch (FPK) ist für ihn ein „Opfer einer politisierenden Justiz”, die in den letzten Jahren „immer mehr in Schieflage” geraten sei.
„Ich bin jetzt schon so lange in der Partei und habe schon einige Ausschlüsse wegen Gefahr in Verzug erlebt, die zurückgenommen wurden”, meint Graf in Bezug auf Königshofer, der mit Wortmeldungen zu den Attentaten von Oslo und Utöya für Aufregung gesorgt hatte. „Es liegt auf der Hand, dass man eine derartige Entscheidung einmal bespricht. Dass wir die behandeln und dass wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen, das möglichst alle mittragen können.” Graf geht davon aus, „dass wir auch innerparteilich und auch innerhalb der Fraktion einen Diskussionsbedarf haben”. Nun seien Parteigremien und Parteigericht am Zug.
Die genauen Inhalte der umstrittenen Aussagen Königshofers auf dessen Webauftritten kennt Graf zwar nicht, kann die Aufregung aber trotzdem nicht ganz teilen. Zum einen genießt für den Dritten Nationalratspräsidenten jeder Fraktionskollege einen „Vertrauensvorschuss”, zum anderen ist er sich sicher, dass sehr vieles aufgebauscht worden sei. „Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht einer linken Hetze gegenüber einzelnen Abgeordneten der Freiheitlichen Partei Vorschub leisten, denn die Angriffe reißen ja nach dem Königshofer-Ausschluss nicht ab”, meint er über den Parteiausschluss aufgrund von Gefahr in Verzug.
Martin Graf im APA-Interview, 7.8.2011
Strache beim Rückpfiff
Strache: „Doktor Martin Graf hat mir heute gegenüber sehr klar gesagt, er verwehrt sich dagegen, wenn in den Medien dargestellt wird, er hätte da Kritik an mir oder an der FPÖ-Parteispitze geübt.“
Strache: „Es war mit Sicherheit auch so, dass der Martin Graf, der ja auch im Urlaub war, nicht auf dem letzten Stand auch war.“
Strache im Interview m it Florian Katzinger, Ö1 Journal um 17h, 8.8.2011
Graf nach dem Rückpfiff
„Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) erteilt medialen Interpretationen und Spekulationen nach seinem gestrigen APA-Interview eine deutliche Absage: „Ich habe lediglich das Prozedere erläutert, das auf den gegen Werner Königshofer ausgesprochenen Ausschluss wegen Gefahr in Verzug jetzt folgen wird”, erklärt Graf. Auch Parteiobmann HC Strache habe dies nicht anders aufgefasst, wie dieser heute selbst im Rahmen einer Pressekonferenz festgestellt habe.“
Martin Graf im APA-Interview, 8.8.2011
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