Am Abend des 10. Juli 2009 wurde vom Plenum des Nationalrats ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, der diesen „größten Spitzelskandal“ untersuchen sollte. Ein beispielloser Vorgang in der Geschichte des Parlaments der Zweiten Republik. Wenn es um Grasser und Co. oder irgendeinen anderen Skandal der Machteliten geht, dann werden die abstrusesten Ausreden benutzt, um einen Untersuchungsausschuss zu verhindern.
Die FPÖ erstattete Strafanzeige gegen Karl Öllinger und den Kriminalbeamten Uwe S., der mit Öllinger im Mailkontakt gestanden hatte, wegen des Verdachtes des Amtsmissbrauchs, der Verletzung des Amtsgeheimnisses und der Anstiftung dazu.
FPÖ: Grüne Netzwerke und die Handtasche von Fekter
Strache sprach in einer Pressekonferenz am 10.7.2009 von „organisierten grünen Netzwerken eines rechtswidrigen Spitzel- und Vernaderungswesens” und erinnerte dabei an den Handtaschendiebstahl bei Innenministerin Fekter, an Laptop-Diebstähle bei Ministermitarbeitern, an Einbrüche in Büros von politischen Parteien, an Wanzen im Verteidigungsministerium und an die Strasser E‑Mails, die dann bei Peter Pilz aufgetaucht sind. (OTS 10.7.2009)
Untersuchungsausschuss: Kontakte zwischen Freiheitlichen und Neonazis
Drei Seiten in der Anfrage zu Alpen-Donau, die sich mit den Kontakt von NaziuserInnen mit der FPÖ beschäftigen
Der Untersuchungsausschuss, der im August 2009 seine Arbeit aufgenommen hatte und am 11. Dezember 2009 ohne einen abschließenden Bericht im Plenum des Nationalrats vorzeitig beendet wurde, brachte tatsächlich Erstaunliches zutage:
- Das BIA (Büro für interne Angelegenheiten) hatte seine Ermittlungen noch am 10.7.2009 aufgenommen, ohne eine Entscheidung des Parlaments über die „Auslieferung” (Zustimmung des Parlaments zu Ermittlungen der Behörden) von Karl Öllinger abzuwarten.
- Es gab tatsächlich Jugendfunktionäre des Rings Freiheitlicher Jugend, die zeitgleich auch Mitglieder einer neonazistisch orientierten Gruppe (Bund Freier Jugend) waren.
Im Herbst 2009 setzten die Abgeordneten Graf, Rosenkranz und Neubauer mit einer Anzeige wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage durch Karl Öllinger bzw. den Kriminalbeamten Uwe S. nach.
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde mit den Ermittlungen in der Causa Öllinger beauftragt. Am 17.2.2011 gab sie bekannt, dass das gesamte Verfahren gegen Karl Öllinger eingestellt wurde:
„Die Einstellung erfolgte gemäß § 190 Z 1 StPO, weil die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig wäre. Die Einstellung erfolgte gemäß § 190 Z 2 StPO, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht.
Beisatz: „Betrifft Vorwurf der Anstiftung zum Missbrauch der Amtsgewalt bzw der Verletzung des Amtsgeheimnisses (E−Mail−Korrespondenz mit dem Beamten Uwe S. sowie Vorwurf der falschen Beweisaussage im Verfahren vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, kein Nachweis strafrechtsrelevanten Fehlverhaltens (Gesamteinstellung des Verfahrens)”
Öllinger: Der Versuch, mich zu kriminalisieren, weil ich mich im Rahmen meiner Arbeit auch mit Rechtsextremismus und Neonazismus in Österreich und seinen Verbindungen der FPÖ beschäftige, ist wieder einmal gescheitert. Eigentlich ist eine Entschuldigung durch Herrn Strache und Co. fällig, die mir ja Ungeheuerliches vorgeworfen haben.
Interessant ist der Zeitpunkt der FPÖ-Attacke und auch die Begründung, wie die FPÖ zu den Mails gekommen sein will.
Öllinger: Ich habe damals intensiv zu den Beziehungen zwischen der Neonazi-Seite alpen-donau.info und Freiheitlichen recherchiert. Damals ist z.B. ein Brief, den der FPÖ-Abgeordnete Fichtenbauer an einen T.A. in Serbien geschrieben hat, auf alpen-donau faksimiliert aufgetaucht. Weil das nicht der einzige Vorfall war, wo sehr direkte Kontakte sichtbar wurden, hat mich interessiert, wie kommt der Fichtenbauer-Brief zu alpen-donau? Ich habe dann herausgefunden, dass er von einem privaten Fax des Herrn Gudenus verschickt wurde. Wie kam der Brief zum Fax von Gudenus?
Der „Kurier“ hat die Geschichte weiter recherchiert und die FPÖ dazu befragt. Das war den Befragten sehr unangenehm und hat viel Staub aufgewirbelt in der FPÖ. Der „Kurier“ hatte die Geschichte komplett fertig, sie aber über eine Woche immer wieder geschoben. Genau in dieser Zeitspanne sind sie dann mit der Attacke gegen mich an die Öffentlichkeit gegangen – eine geradezu klassische Reaktion. Strache hat damals auch behauptet, ein Mitarbeiter habe ihnen die Mails zugespielt. Das ist geradezu lächerlich! Sie haben bis heute nicht erklärt, wie sie die Mails an sich gebracht haben.
Ein Brief des FPÖ-Abgeordneten Peter Fichtenbauer wird an Alpen-Donau und an eine deutsche Neonaziseite weitergeleitet. Im Bild erkennt man als Faxnummer den Anschluss der Familie Gudenus.
Fichtenbauer und Markus Gudenus im „Kurier“ vom 12.7.2009 (Auszug):
Der stellvertretende Klubchef der Blauen, Peter Fichtenbauer, verfasste eine Einladung zu Gedenkfeiern an eine Gruppe serbischer Holocaustüberlebender. Schon bald fand sich der Brief im Netz — mit Fichtenbauer- und FPÖ-Schelte wegen der Einladung. „Eine gewisse Krypto-Gesellschaft hat hier eine Debatte losgetreten”, sagt Fichtenbauer zum KURIER. Auf einem Brief-Faksimile ist der Fax-Absender „Gudenus” zu lesen — und eine Nummer, die auf John Gudenus gemeldet ist. Ein Sohn des Ex-Bundesrats, Markus, ist Mitarbeiter von FP-Chef Strache. Gudenus Junior „hat in meinem Brief offensichtlich ein Gesprächsthema erblickt”, sagt Fichtenbauer. Ob er glaube, dass Gudenus den Brief den rechten Seiten zuspielte, will er nicht sagen. Auf Anfrage des KURIER sagte Markus Gudenus, er wisse nichts vom Brief. Auch die genannte Telefonnummer bzw. die zugehörige Adresse seines Vaters seien ihm gänzlich unbekannt. „Es ist beunruhigend, dasses direkte Beziehungen vom FPÖ-Klub gibt”, sagt Öllinger. ” Und zwar offenbar in beide Richtungen.” Nach Aufregung im FP-Klub verschwand der Brief mit der Fax-Kennung nämlich aus dem Netz.
Dokumente
Auszug Sitzungsprotokoll Nationalrat
Heinz-Christian Strache: Es steht fest – dokumentiert und mit Unterlagen belegbar –, dass ein Beamter des Innenministeriums, der für den Verfassungsdienst als EDV- und IT-Spezialist tätig war und der heute für das Stadtpolizeikommando in Linz tätig ist, mit dem Herrn Abgeordneten Öllinger in Kontakt steht (Ah-Rufe bei der FPÖ), und dass der Herr Abgeordnete Öllinger bei dem Beamten Uwe Sailer in Auftrag gegeben hat, Personen zu kontrollieren, zu recherchieren (Rufe bei der FPÖ: Unglaublich!), dass Abgeordnete dieses Hauses auch in einem dokumentierten Bereich von Unterlagen vorkommen, der uns vorliegt. Da kommt meine Person vor, und es finden auch Herr Abgeordneter Fichtenbauer oder Herr Präsident Graf Erwähnung, bis zum Abgeordneten Weinzinger. – Das ist ein Skandal! Sie haben einen Spitzelskandal zu verantworten, den größten Spitzelskandal der Zweiten Republik! (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und Grünen.) Vor diesem Hintergrund muss man schon einmal gewisse Fragen stellen und auch die Laptop-Diebstähle und Einbrüche in Ministerbüros in einem völlig anderen Licht sehen. (Abg. Dr. Moser: Sie haben so viel Butter auf dem Kopf!) Das sollte man da auch durchaus einmal erwähnen. (Abg. Dr. Moser: Es tropft und tropft!) (Quelle: 32. Sitzung des Nationalrates, 10.7.2009)
Strache in der ZIB: Bezahlte Spitzel …
HC Strache: Ein bisschen hat man schon den Eindruck, dass der Herr Öllinger der Erich Mielke des österreichischen Parlaments sein könnte. Mit den Stasi-Methoden. Ich kenne keinen Nationalratsabgeordneten, der jemals so gehandelt hätte wie Sie Herr Öllinger, Sie sind rücktrittsreif. (Quelle: ZIB 24 vom 10.07.2009)
HC Strache: Wir wissen, dass es einiges zuzudecken gibt offenbar in dieser Republik. Und genau das gilt es jetzt in diesem Untersuchungsausschüssen zu klären. Wir wissen, dass es Belege gibt dafür, dass grüne Abgeordnete Polizisten beauftragt haben auch andere politische Mitbewerber auszuspionieren beziehungsweise hier auch Aufträge der Fall gewesen sind ‚konkreter Bezahlung — das ist Fakt. (Quelle: ZIB 24 vom 22.07.2009)
Wie kommt ein nicht veröffentlichtes Dokument auf die Homepage von Alpen-Donau?
- Parlamentarische Anfrage Öllinger vom 10.6.2009 an die Präsidentin des NR
- Antwort der Präsidentin des NR
Eine nichtöffentliche Korrespondenz des Landesgerichtes Wien mit der Präsidentin des Nationalrats wird auf Alpen-Donau veröffentlicht. Laut Anfrage zu Alpen-Donau weitergegeben von S.P. (bzw. dessen Rechtsvertreter).