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FPÖ Donaustadt: Gegen Straßennamen für Widerstandskämpferinnen

Bei den Frei­heit­li­chen im Wie­ner Bezirk Donau­stadt regiert der Graf. Bezirks­par­tei­ob­mann der FPÖ ist Mar­tin Graf, Drit­ter Prä­si­dent des Natio­nal­rats und Alter Herr der Bur­schen­schaft Olym­pia. Das merkt man auch in den Debat­ten, Anträ­gen und Beschlüs­sen der Bezirks­ver­tre­tung. Stra­ßen­be­nen­nun­gen für Wider­stands­kämp­fe­rin­nen? Nicht mit die­ser FPÖ! In der FPÖ-Frak­­ti­on der Bezirks­ver­tre­tung, die sich bei den Wah­len 2010 […]

6. Jan 2012

In der FPÖ-Frak­ti­on der Bezirks­ver­tre­tung, die sich bei den Wah­len 2010 fast ver­dop­pelt hat (30,2 %), sit­zen die Getreu­en Grafs. Mar­cus Vet­ter, Wer­ner Ham­mer, Melit­ta Boi­g­ner waren bzw. sind auch schon anders­wo sei­ne Mit­ar­bei­te­rIn­nen, Töch­ter­chen Ste­pha­nie sorgt für fami­liä­re Reprä­sen­tanz. 19 von ins­ge­samt 60 Bezirks­rä­ten zählt die FPÖ-Frak­ti­on, und die wehr­te sich mit aller Macht gegen die Benen­nung von neu­en Stra­ßen­zü­gen in den Stadt­er­wei­te­rungs­ge­bie­ten nach Widerstandskämpferinnen.

Schon in der Prä­si­dia­le, also der Vor­be­spre­chung der Klub­ob­leu­te zur eigent­li­chen Sit­zung, ver­lang­te der FPÖ-Klub­ob­mann „bei fast jeder Stra­ßen­be­nen­nung eine Pro­test-Wort­mel­dung“, schreibt die Klub­ob­frau der Grü­nen, Eva Hauk. In der Sit­zung der Bezirks­ver­tre­tung am 7.12. 2011 „erga­ben sich dann hit­zi­ge bis unter­grif­fi­ge, aber bezeich­nen­de Dis­kus­sio­nen, vor allem was den von uns ein­ge­reich­ten Vor­schlag auf Benen­nung einer Ella Lin­gens-Stra­ße (Mut­ter des Pro­fil­jour­na­lis­ten Peter M. Lin­gens) betraf“.

Die FPÖ-Bezirks­rä­te stimm­ten gegen die fol­gen­den Stra­ßen­be­nen­nun­gen, die wir der Web­site der KPÖ für die Donau­stadt, “Kak­tus“, ent­neh­men. Medi­al blieb die FPÖ-Hal­tung mit Aus­nah­me eines Bei­trags in der „Kro­nen Zei­tung“ (14.12.2011) weit­ge­hend unbe­ach­tet. Der kur­ze Hin­weis, dass SP, VP und Grü­ne für die Benen­nun­gen, die FPÖ dage­gen gestimmt hät­ten, ver­an­lass­te den Kul­tur­spre­cher der FPÖ, Hel­mut Til­ler, zwei Tage spä­ter zu der Ergän­zung, die FPÖ habe nicht gegen alle 29 Stra­ßen­be­nen­nun­gen, son­dern „nur“ gegen zwölf davon, „näm­lich dort, wo es kei­nen Bezug zum Bezirk gab“ (Kro­ne, 16.12.2011), gestimmt. Ach so? Der Bezirks­web­site der FPÖ ent­neh­men wir, dass die FPÖ kei­ne Ein­wän­de hat­te, Ver­kehrs­flä­chen nach Kiki Kogel­nik, Miri­am Make­ba oder Leo­nie Rysa­nek mit­zu­be­schlie­ßen, die alle­samt kei­nen direk­ten Bezug zur Donau­stadt haben. Aber wenn es um anti­fa­schis­ti­sche Frau­en geht, dann zucken die Donau­städ­ter Frei­heit­li­chen ver­läss­lich aus. Oder, wie der stell­ver­tre­ten­de Bezirks­vor­ste­her der FPÖ und enge Graf-Ver­trau­te Wer­ner Ham­mer im „Kak­tus“ zitiert wird, ist es so: „Man hat ver­sucht uns [den Frei­heit­li­chen — Anm. der Redak­ti­on] eine Faschis­mus­de­bat­te auf­zu­zwin­gen. Aber dar­auf sind wir natür­lich nicht hereingefallen.”

Die von der FPÖ Donau­stadt abge­lehn­ten, von SPÖ, ÖVP und Grü­nen beschlos­se­nen Straßenbenennungen:

Anne Frank Promenade

Anne Frank (Anne­lies Marie Frank) geb. 12.6.1929 in Frank­furtl­Main, gest. Anfang März 1945 im KZ Ber­gen Bel­sen, war ein jüdisch deut­sches Mäd­chen, das wäh­rend des zwei­ten Welt­krie­ges im nie­der­län­di­schen Exil kurz vor dem Kriegs­en­den­de dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Völ­ker­mord zum Opfer fiel.

Maria Tusch Straße

Maria Tusch geb. 1868 in Kla­gen­furt, gest. 1939 in Kla­gen­furt. Sie war eine der ers­ten Par­la­men­ta­rie­rin­nen der 1. Repu­blik, war Funk­tio­nä­rin der Gewerk­schaft, Vor­sit­zen­de der Kärnt­ner SP-Frau­en und Mit­glied des Kärnt­ner Lan­des­par­tei­vor­stan­des der Sozi­al­de­mo­kra­ten. Im März 1919 wur­de sie als ein­zi­ge Frau aus einem der Bun­des­län­der in die Natio­nal­ver­samm­lung ent­sandt Von 1920 bis 1934 gehör­te sie auch dem Natio­nal­rat an.

Agnes Primocic Gasse

Agnes Pri­mo­sicg, geb. 1905~.2007, Wider­stands­kämp­fe­rin, KPÖ-Stadt­rä­tin für Für­sor­ge in Hal­lein, ihr Enga­ge­ment galt dem Auf­bau von Kin­der­gär­ten und den sozia­len Rech­ten der arbei­ten­den Bevöl­ke­rung, poli­ti­sche Öffent­lich­keits­ar­beit in Schu­len im hohen Alter. Agnes Pri­mo­cic ist 102-jäh­rig verstorben.

Gisela Legath Gasse

Gise­la Legath aus Eber­au im Bur­gen­land hat das Leben von zwei unga­ri­schen Juden auf der Flucht unter Mit­hil­fe ihrer Kin­der geret­tet, indem sie ihnen Unter­schlupf in der Scheu­ne ihres Wohn­hau­ses gewähr­te. Sie wur­de von Yad Vas­hem als Gerech­te unter den Völ­kern ausgezeichnet.

Maria Potesil Gasse

Die Wie­ne­rin Maria Pote­sil war ver­wit­wet. Sie hat­te zwei erwach­se­ne Kin­der und ein Pfle­ge­kind, den 1924 gebo­re­nen Kurt Mar­ti­netz. Nach­dem die Nürn­ber­ger Geset­ze in Wien in Kraft tra­ten, stell­te sich her­aus, dass Kurt ein „Misch­ling” war. Sein Vater war Jude und sei­ne Mut­ter war Christin.
Sie rich­te­te Gesu­che an die Behör­den, um Kurts Depor­ta­ti­on zu ver­hin­dern. 1942 wur­de Kurt in ein von Juden bewohn­tes Haus im zwei­ten Bezirk über­führt. Im Sep­tem­ber 1944 wur­de Kurt in ein Tran­sit­la­ger in der Sperl­gas­se gebrach, um nach The­re­si­en­stadt depor­tiert zu wer­den. Maria kämpf­te wei­ter. Sie lief von Behör­de zu Behör­de. Dies­mal hat­te sie Erfolg. Nach sei­ner Frei­las­sung ver­steck­te Maria Kurt in Woh­nun­gen von Freun­din­nen und Bekann­ten. Kurt konn­te in die­sen Woh­nun­gen bis zum Kriegs­en­de ver­steckt blei­ben und überlebte.

Else Frenkel-Brunswik Gasse

Else Fren­kel-Bruns­wik , geb. 18. August 1908 in Lem­berg; gest. 31. März 1958 in Ber­ke­ley, Kali­for­ni­en, war eine Psy­cho­ana­ly­ti­ke­rin und Psychologin.
Im Alter von sechs Jah­ren über­sie­del­te Else Fren­kel-Bruns­wik 1914 von Gali­zi­en nach Wien; 1926 begann sie mit dem Stu­di­um am Wie­ner Psy­cho­lo­gi­schen Insti­tut bei Karl und Char­lot­te Büh­ler an lebens­psy­cho­lo­gi­schen For­schun­gen. 1938 muss­te sie Öster­reich ver­las­sen. 1943 wur­de sie ame­ri­ka­ni­sche Staats­bür­ge­rin, elf Jah­re spä­ter begann sie gemein­sam mit Theo­dor W. Ador­no, Dani­el J. Levin­son und R. Nevitt San­ford mit den Unter­su­chun­gen über „The Aut­ho­ri­ta­ri­an Per­so­na­li­ty”, deren Ver­öf­fent­li­chung 1950 die Autorin­nen und Autoren zu Berühmt­hei­ten in der US- ame­ri­ka­ni­schen Sozi­al­psy­cho­lo­gie mach­te. Es folg­ten Ein­la­dun­gen zu einer Viel­zahl von Kon­gres­sen, Lehr- und For­schungs­auf­ent­hal­ten an den Uni­ver­si­tä­ten Oslo und Michi­gan, die Ernen­nung zum Fel­low des Cen­ter for Advan­ced Stu­dy in the Beha­vi­oral Sci­en­ces in Stan­ford, Kali­for­ni­en, und die Wahl zur Prä­si­den­tin der Divi­si­on of Per­so­na­li­ty and Social Psy­cho­lo­gy der Ame­ri­can Psy­cho­lo­gi­cal Association.

Sofie Lazarsfeld Straße

Sofie Lazars­feld , geb. 26. Mai 1882 (geb. Munk) in Troppau/Schlesien; gest. 24. Sept. 1976 in New York. Sie war eine Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gin und Frau­en­recht­le­rin. Sophie Lazars­feld war sozi­al enga­giert und setz­te sich vor allem für Frau­en­fra­gen ein, Aus­bil­dung in Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gie. Spä­ter arbei­te­te sie als indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gi­sche Erzie­hungs­be­ra­te­rin und Ehe­be­ra­te­rin und hielt Vor­trä­ge und Semi­na­re, führ­te eine pri­va­te Pra­xis für Ehe‑, Fami­li­en- und Sexu­al­be­ra­tun­gen, 1926/27 wur­de sie Lei­te­rin einer indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gi­schen Ehe- u. Sexu­al­be­ra­tungs­stel­le. Von 1932 ‑bis 1934 lei­te­te sie Aus­bil­dungs- und Ein­füh­rungs­kur­se in Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gie und hielt Vor­trä­ge im In- und Aus­land. 1934 wur­de sie als angeb­li­che poli­ti­sche Akti­vis­tin ver­haf­tet. Mit den in Öster­reich ver­blie­be­nen Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gen grün­de­te sie 1937 den Klub der Freun­de der Indi­vi­du­al­psy­cho­lo­gie. 1938 war sie zur Emi­gra­ti­on nach Frank­reich gezwun­gen. In Paris nahm sie mit der Aus­lands­ver­tre­tung der Sozi­al­de­mo­kra­ten Kon­takt auf. 1941 emi­grier­te sie in die USA. In New York enga­gier­te sie sich in der Indi­vi­du­al Psy­cho­lo­gy Association.

Ella Lingens-Rainer Straße

Ella Lin­gens-Rai­ner, geb. 18. Nov. 1908 in Wien; gest. 30. Dez. 2002 Eben­da. Sie war eine öster­rei­chi­sche Juris­tin sowie Ärz­tin und als Geg­ne­rin des Natio­nal­so­zia­lis­mus von 1943 bis 1945 in KZ-Haft. In den Mona­ten nach dem 12. März 1938 ver­half das Ehe­paar Lin­gens Juden zur Emi­gra­ti­on und gewähr­te in sei­nem Haus am Ran­de Wiens jüdi­schen Fami­li­en Unter­stand. In den Jah­ren nach der Befrei­ung ließ sich Ella Lin­gens nicht davon abhal­ten, an die Ver­bre­chen der Ver­gan­gen­heit zu erin­nern. Sie ging an Schu­len und zu Leh­rer­se­mi­na­ren, um die nach­fol­gen­de Gene­ra­ti­on über die dunk­le Ver­gan­gen­heit von Faschis­mus, Krieg und Ter­ror­herr­schaft zu infor­mie­ren. Yad Vas­hem zeich­ne­te 1980 in Jeru­sa­lem Ella Lin­gens-Rai­ner und Kurt Lin­gens mit der Ehren­me­dail­le Gerech­te unter den Völ­kern aus.

Ada Lovelace Straße

Ada Love­lace , geb. 10. Dezem­ber 1815 in Lon­don; gest. 27. Novem­ber 1852 in Lon­don. Auch Ada Augus­ta Byron oder Ada King, eigent­lich Augus­ta Ada King Byron, Count­ess of Love­lace war eine bri­ti­sche Mathe­ma­ti­ke­rin. Sie war die Toch­ter Lord Byrons und Mit­ar­bei­te­rin von Charles Bab­ba­ge. Wegen ihrer schrift­li­chen Kom­men­ta­re zur mecha­ni­schen Rechen­ma­schi­ne Ana­ly­ti­cal Engi­ne wird Ada Love­lace als ers­te Pro­gram­mie­re­rin — noch vor dem ers­ten männ­li­chen Kol­le­gen bezeich­net. Die Pro­gram­mier­spra­che Ada wur­de nach ihr benannt.

Mina Kuttelwascher Straße

Der Instal­la­teur Otto Kut­tel­wa­scher leb­te zusam­men mit sei­ner Frau Mina (Her­mi­ne) und ihren gemein­sa­men drei Kin­dern in Wien. Sie boten der befreun­de­ten Jüdin Erna Kahn, ihrer Schwes­ter und ihrer Mut­ter an, sich in ihrer klei­nen Woh­nung zu ver­ste­cken. Mut­ter und Schwes­ter woll­ten bei ihren jüdi­schen Lei­dens­ge­nos­sen blei­ben, und wur­den eini­ge Zeit spä­ter in den Osten depor­tiert. Erna Kahn wur­de von Otto und Mina Kut­tel­wa­scher bis zum Kriegs­en­de in deren Woh­nung ver­steckt, wo sie mit Essen und Klei­dung ver­sorgt wurde.

Hannah Arendt Park

Han­nah Are­ndt (geb. 1906, gest. 1975) war poli­ti­sche Phi­lo­so­phin, Publi­zis­tin und Gelehr­te; ver­trat ein Kon­zept von „Plu­ra­li­tät” im poli­ti­schen Raum, zwi­schen Men­schen poten­zi­el­le Frei­heit und Gleich­heit in der Poli­tik. Wich­tig ist es, die Per­spek­ti­ve des ande­ren ein­zu­neh­men. Als bedeu­tends­te Reprä­sen­tan­tin des poli­ti­schen Den­kens im 20.Jahrhundert welt­weit aner­kannt. Für Han­nah Are­ndt bedeu­te­te Frei­heit, dass Bür­gern das Recht auf akti­ve Teil­nah­me an öffent­li­chen Ange­le­gen­hei­ten garan­tiert ist.

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