Bei insgesamt 15 Hausdurchsuchungen in der Hauptstadt und im Großraum Lissabon im Rahmen einer „Entwaffnung 3D“ genannten Operation gegen die Gruppe „Movimento Armilar Lusitano“ (MAL) wurden zunächst sechs Personen festgenommen „und Sprengstoff, Schuss- und weitere Waffen, Munition, IT-Ausrüstung und auch 3D-Drucker zur Waffenherstellung sichergestellt“ (derstandard.at, 18.6.25). Es sei eine für Portugal beispiellose Menge an voll funktionsfähigen 3D-gedruckten Schusswaffen sichergestellt worden.
MAL wurde 2018 gegründet, operierte also schon seit einigen Jahren, ist aber erst jetzt in den Fokus von Ermittlungen durch die portugiesische Kriminalpolizei geraten. In faktisch allen portugiesischen Medienberichten zu den aktuellen Festnahmen wird MAL als neonazistisch eingestuft. Dieser Befund wird auch durch Materialien, die bei der Razzia gefunden wurden, erhärtet: Hitler-Bücher, Aufkleber und Fahnen einer anderen portugiesischen Neonazi-Gruppe und – etwas kryptisch – eine Flagge, die Verbindungen zu einer deutschen Neonazi-Gruppe zeige. (vgl. publico.pt, 17.6.25)
Nach den ersten Festnahmen am Dienstag wurde am Mittwoch, 18.6., gegen vier der sechs Festgenommenen die Untersuchungshaft verhängt, während die restlichen zwei Verdächtigen gegen Auflagen aus der Haft entlassen wurden. Brisant ist vor allem die U‑Haft gegen den führenden Polizeibeamten der PSP (Polícia de Segurança Pública), Bruno Gonçalves.
Die PSP ist so etwas wie die städtische Polizei, während die Guarda Nacional Republicana (GNR) – ähnlich wie früher in Österreich die Gendarmerie – für die ländlichen Regionen zuständig ist. Gonçalves war nicht nur ein nicht näher definierter hoher Polizeibeamter der PSP in Lissabon, sondern auch führender Kader der Neonazi-Gruppe, zuständig für die Rekrutierung und Bewertung neuer Militanter, wobei er nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft solchen mit Waffenkenntnissen den Vorzug gegeben habe. (vgl. sicnoticias.pt, 20.6.25)
Wie die aktuellen Ermittlungen ergaben, versuchte Gonçalves, 2021 für den Gemeinderat von Lissabon auf der Liste der rechtsextremen Kleinpartei „Ergue-te“ zu kandidieren, obwohl die Satzung der PSP und die gesetzlichen Regeln für die Parteien eine derartige Kandidatur ausschließen. 2022 erhielt er eine Silbermedaille der PSP für „vorbildliches Verhalten“.
Aufgefallen war der Polizeibeamte aber schon viel früher. 2013 hat er im Dienst einen mutmaßlichen 18-jährigen Räuber erschossen – die Ermittlungen gegen ihn wurden aber eingestellt, weil „Notwehr“ angenommen wurde. PSP informierte die Zeitung „Publico“ , dass noch weitere drei interne Verfahren gegen Gonçalves geführt wurden, die allesamt schubladisiert worden sein dürften. (sicnoticias.pt, 19.6.25)
Über die Größe der neonazistischen Gruppe MAL, ihre Verankerung in den sensiblen staatlichen Strukturen und ihre Beziehungen zu den parlamentarischen Rechtsextremen von der Partei „Chega“ ist in portugiesischen Medien noch wenig zu finden, aber es gibt Hinweise darauf.
Die Angaben zur Größe der Terrorgruppe reichen von einem Dutzend Mitgliedern bis hin zu Aufnahmegesprächen von mehreren Hundert Personen. Was die Verankerung in der portugiesischen Exekutive betrifft, so ist mittlerweile bekannt, dass jedenfalls ein Offizier der GNR und ein aktiver Marinesoldat bei MAL dabei waren. Der Offizier der Gendarmerie ließ sich einem Bericht von „Jornal de Noticias“ (21.6.25) zufolge beurlauben, um über Polen einen Waffenhandel für MAL einzufädeln.

Über eine zunächst nur kleine politische Tangente zur rechtsextremen Parlamentspartei „Chega“ berichten mehrere Medien. Demnach soll Manuel Matias, Vater der Chega-Abgeordneten Rita Matias und früher selbst Berater der Chega, Mitglied in einer privaten, also geheimen Facebook-Unterstützergruppe von MAL sein. Manuel Matias will nicht wissen, ob er Mitglied dieser Gruppe ist, weil er in Tausenden von FB-Gruppen dabei sei. Ob er in der geheimen Gruppe Beiträge geschrieben habe, wisse er auch nicht, erzählte er dem „Observador“ (17.6.25).
Die Ermittlungen werden vermutlich noch mehr neonazistische Bezugspunkte zu Tage fördern. Sicher ist, dass Portugal, das lange Zeit weitgehend vom Rechtsextremismus verschont geblieben ist, mit dem Aufstieg der Chega – bei der letzten Parlamentswahl im Mai 2025 erhielt sie 22,76 % – und der zunehmenden Militanz außerparlamentarischer rechtsextremer Gruppen mittlerweile ein massives Problem mit Rechtsextremismus hat.

➡️ portugaldecoded.substack.com (20.6.25): Six neo-Nazis arrested, including senior Police Officer