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Der Antisemit Stelzhamer und das Land Oberösterreich

Das Land Ober­ös­ter­reich – vor allem in der Gestalt sei­ner poli­ti­schen Spit­zen – tut sich noch immer schwer im Umgang mit dem Dich­ter und schwe­ren Anti­se­mi­ten Franz Stelz­ha­mer, Ver­fas­ser der ober­ös­ter­rei­chi­schen Lan­des­hym­ne. Dar­auf ver­weist ein Bei­trag aus dem Anti­­fa-Net­z­­werk-Info Nr. 832 des oö. Netz­werks gegen Ras­sis­mus und Rechts­extre­mis­mus. Wir emp­feh­len dazu außer­dem die Lek­tü­re des […]

22. Dez 2022

Vor 220 Jah­ren wur­de der Dia­lekt­dich­ter Franz Stelz­ha­mer (1802 – 1874) gebo­ren. Vor 70 Jah­ren beschloss der OÖ. Land­tag, Stelz­ha­mers Gedicht „Hoamatg­sang“ in der Ver­to­nung von Hans Schnopf­ha­gen (1845 – 1908) zur ober­ös­ter­rei­chi­schen Lan­des­hym­ne zu erklä­ren. Beson­ders rund sind bei­de Jubi­lä­en nicht. Doch das Land ließ es sich nicht neh­men, sei­ne – durch­aus popu­lä­re – Hym­ne durch einen Fest­abend in der Anton-Bruck­ner-Pri­vat­uni­ver­si­tät zu fei­ern. Dass das offi­zi­el­le Ober­ös­ter­reich wenigs­tens kurz mit der eige­nen Dop­pel­bö­dig­keit kon­fron­tiert wur­de, ist den Leh­ren­den und Stu­die­ren­den der Uni­ver­si­tät zu ver­dan­ken. Sie tru­gen unter ande­rem Tei­le von Stelz­ha­mers Essay „Jude“ vor: „Kein Volk der Erde hat nach sei­nem poli­ti­schen Able­ben mit einer sol­chen Zähig­keit, ja völ­li­gen Unum­bring­bar­keit fort­ge­dau­ert, wie der Jude. (…) Besteht in zahl­lo­ser Men­ge und mit unbe­re­chen­ba­rem Ein­fluß auf die Geschi­cke der Völ­ker. (…) In alle Welt zer­streut, schlingt er sich, bald dün­ner, bald brei­ter, ein Rie­sen­band­wurm, um die Ernäh­rungs­or­ga­ne eines jeden kul­ti­vir­ten (sic!) Staats­kör­pers, und wie oft man ihn auch abzu­trei­ben ver­sucht hat, man gewann (…) bis jetzt nur grö­ße­re oder kür­ze­re Stü­cke, nie aber den Kopf selbst.”

Da half kei­ne Ver­drän­gung mehr: Ober­ös­ter­reichs gefei­er­ter Lan­des­hym­nen-Dich­ter, der mit dem „Stelz­ha­mer­bund“ eine rüh­ri­ge Lob­by hat, war ein Ver­nich­tungs­an­ti­se­mit. Mit­te des 19. Jahr­hun­derts ging sein kaum ver­hoh­le­ner Auf­ruf zum Geno­zid über das damals übli­che Maß an juden­feind­li­chen Ein­stel­lun­gen weit hin­aus. Nicht, dass das etwas Neu­es wäre: Vor allem der Schrift­stel­ler Lud­wig Laher – immer­hin Trä­ger des Kul­tur­prei­ses des Lan­des Ober­ös­ter­reich – weist seit vie­len Jah­ren beharr­lich auf die­se Tat­sa­che hin und for­dert Kon­se­quen­zen ein. Doch bis­her igno­rier­te die Lan­des­spit­ze Lahers Auf­klä­rungs­ar­beit nach Kräf­ten. Der Fest­abend in der Pri­vat­uni­ver­si­tät war ein Durch­bruch. ÖVP-Lan­des­haupt­mann Tho­mas Stel­zer sprach plötz­lich von „unent­schuld­ba­ren anti­se­mi­ti­schen Aus­fäl­len“ Stelz­ha­mers. Um dann doch die Kur­ve zu neh­men: Die Lan­des­hym­ne sei ein „ste­ter Anstoß, auch die Erin­ne­rung an die Schat­ten unse­rer Geschich­te leben­dig zu hal­ten“, so Stel­zer. Eine selt­sa­me Logik. Müss­ten dann nicht aus Grün­den des Geden­kens mög­lichst vie­le Wer­ke von Ver­nich­tungs­an­ti­se­mi­ten im öffent­li­chen Leben ver­an­kert und gepflegt wer­den? Wun­dern kann einen die­se Logik frei­lich nicht. Der ÖVP-Lan­des­haupt­mann redet ja auch sei­ne Koali­ti­on mit der rechts­extre­men FPÖ schön …

Zum Juden­hass Stelz­ha­mers soll­te Ober­ös­ter­reichs Regie­rung künf­tig etwas mehr ein­fal­len. Denn durch einen her­vor­ra­gen­den Arti­kel Lud­wig Lahers in der „Süd­deut­schen Zei­tung“ ist jetzt auch inter­na­tio­na­le Auf­merk­sam­keit für das The­ma garan­tiert. (Dan­ke an das oö. Netz­werk gegen Ras­sis­mus und Rechts­extre­mis­mus für die Erlaub­nis zum Abdruck!)

Zitat aus Lahers Bei­trag in der Süd­deut­schen Zei­tung (28.11.22) „Wider die Verharmlosung”

Stelz­ha­mers Wir­kung auf brei­te Bevöl­ke­rungs­krei­se beruht auf schlich­ten Dia­lekt­ge­dich­ten. Sie ver­glei­chen den blü­hen­den Kirsch­baum mit dem in ewi­ger Blü­te ste­hen­den Ich, ver­spot­ten böh­ma­kelnd die aus wirt­schaft­li­chen Grün­den ins deutsch­spra­chi­ge Öster­reich drän­gen­den Tsche­chen, fei­ern den Viel­klang des Vogel­ge­zwit­schers und den kreuz­gu­ten Kai­ser, der auch schön sein muss, denn schön sein und gut sein ist, wie Stelz­ha­mer betont, dasselbe.

Alles schön und gut, aber er konn­te es noch def­ti­ger. 1852 erschien in Mün­chen „Das bun­te Buch”, eine bun­te Mischung, die auch Essays ent­hält. Dar­in wet­tert Stelz­ha­mer etwa gegen „Frei­heit, Gleich­heit, Brü­der­lich­keit” und den „Anti­christ”. „Jude” nennt sich der schlimms­te Text: „Kein Volk der Erde hat nach sei­nem poli­ti­schen Able­ben mit einer sol­chen Zähig­keit, ja völ­li­gen Unum­bring­bar­keit fort­ge­dau­ert, wie der Jude. (…) Besteht in zahl­lo­ser Men­ge und mit unbe­re­chen­ba­rem Ein­fluß auf die Geschi­cke der Völ­ker. (…) In alle Welt zer­streut, schlingt er sich, bald dün­ner, bald brei­ter, ein Rie­sen­band­wurm, um die Ernäh­rungs­or­ga­ne eines jeden kul­ti­vir­ten (sic!) Staats­kör­pers, und wie oft man ihn auch abzu­trei­ben ver­sucht hat, man gewann (…) bis jetzt nur grö­ße­re oder kür­ze­re Stü­cke, nie aber den Kopf selbst.”

 

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