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Italiens Rechtsextreme: Kokain, Geldwäsche und die Impfung

Die Hoff­nun­gen der bei­den rechts­extre­men Par­tei­en, Lega und Fratel­li d’Italia, bei den aktu­el­len ita­lie­ni­schen Kom­mu­nal­wah­len Erfol­ge ein­fah­ren zu kön­nen, haben sich bis­lang nicht erfüllt. Ihre Skan­da­le zie­hen sie in den Sumpf zurück, aus dem sie kom­men. Man­ches erin­nert an öster­rei­chi­sche Skan­da­le. Etwa wenn sich Gior­gia Melo­ni, die Che­fin der Fratel­li, bit­ter dar­über beklagt, dass ein […]

7. Okt 2021

Hat sich nicht Stra­che auch über das angeb­lich mani­pu­la­tiv zusam­men­ge­schnit­te­ne Video aus Ibi­za beklagt? Oder – ganz aktu­ell – Sebas­ti­an Kurz dar­über gejam­mert: „Es wer­den eini­ge SMS-Fet­zen aus dem Zusam­men­hang geris­sen oder in einen ande­ren Kon­text gestellt, und dann wird drum her­um ein straf­recht­li­cher Vor­wurf kre­iert.“ (Ö1 Abend­jour­nal, 6.10.2021)

Strache beklagt sich über "manipulativ" zusammengeschnittenes Video
Stra­che beklagt sich über „mani­pu­la­tiv” zusam­men­ge­schnit­te­nes Video

Im Fal­le der Fratel­li d’Italia ist das belas­ten­de Mate­ri­al, das das Nach­rich­ten­por­tal fanpage.it ver­öf­fent­licht hat, das Ergeb­nis von drei Jah­ren ver­deck­ter Recher­che – teil­neh­men­de Beob­ach­tung sozu­sa­gen. Der Jour­na­list von fan­pagehat­te sich vor drei Jah­ren bei Fidan­za und Jonghi Lava­ri­ni als Unter­neh­mer mit rech­ten Sym­pa­thien vor­ge­stellt und das Ver­trau­en der bei­den gewon­nen. Ganz offen plau­dern sie denn auch über die Mög­lich­keit, mit ille­ga­len Spen­den den Wahl­kampf einer Kan­di­da­tin für den Stadt­rat von Mai­land zu befeu­ern.“ (taz.de, 5.10.21)

fanpage.it veröffentlicht Videomitschnitte zu Fidanza und Jonghi Lavarini
fanpage.it ver­öf­fent­licht Video­mit­schnit­te zu Fidan­za und Jonghi Lavarini

Car­lo Fidan­za ist Mit­glied des Euro­päi­schen Par­la­ments und Lei­ter der Fratel­li-Dele­ga­ti­on dort. Vor allem aber ist der enge Ver­trau­te von Gior­gia Melo­ni, der von Wiki­pe­dia unzu­tref­fend als „rechts­kon­ser­va­tiv“ beschrie­ben wird, bes­tens befreun­det mit Rober­to Jonghi Lava­ri­ni, genannt der „Schwar­ze Baron“ – ein ech­ter Neo­fa­schist. Lava­ri­ni hat auch schon eine zwei­jäh­ri­ge Haft­stra­fe wegen Ver­harm­lo­sung des Faschis­mus ausgefasst.

Corriere della Sierra: Schlagzeile zur Verurteilung von Jonghi Lavarini
Cor­rie­re del­la Sier­ra: Schlag­zei­le zur Ver­ur­tei­lung von Jonghi Lavarini

Der Jour­na­list von fan­page konn­te über sei­ne ver­steck­te Kame­ra doku­men­tie­ren, wie sich die von den bei­den koor­di­nier­te rechts­extre­me Lob­by über die Aus­wahl von rechts­extre­men Kandidat*innen, deren Wahl­kampf­fi­nan­zie­rung über Schwarz­gel­der und Geld­wä­sche beriet und so neben­bei auch über ihre ras­sis­ti­schen, sexis­ti­schen und anti­se­mi­ti­schen „Wit­ze“ lach­te . inklu­si­ve Bewun­de­rung für Hit­ler und Mus­so­li­ni und ein­schlä­gi­ge Grüße.

Die erwart­ba­ren Reak­tio­nen: Fidan­za muss­te sei­ne Par­tei­funk­tio­nen zurück­le­gen, was nicht wirk­lich schmerzt, und Melo­ni stell­te sich und ihre Par­tei als Opfer dar, die kurz vor den Kom­mu­nal­wah­len gemeu­chelt wer­den sollten.

Dabei könn­ten sich Melo­ni und ihre „Brü­der“ ja fast ent­span­nen, denn auch ihre unmit­tel­ba­re rechts­extre­me Kon­kur­ren­tin, die Lega, steckt im Dreck. Da wäre zunächst ein­mal der fast zeit­glei­che Skan­dal um Luca Mori­si, den engs­ten Bera­ter von Par­tei­chef Matteo Sal­vi­ni. Mori­si, des­sen het­ze­ri­sches Wir­ken gera­de in der sehens­wer­ten „Arte“-Doku „Pro­pa­gan­da­ma­schi­ne Social Media“ (online bis 10.12.21) doku­men­tiert ist, trat eine Woche vor den Kom­mu­nal­wah­len „aus pri­va­ten Grün­den“ zurück.

Wie sich dann aber rasch her­aus­stell­te, ermit­tel­te die Staats­an­walt­schaft von Vero­na wegen Dro­gen­han­dels gegen Morisi:

Er habe zwei männ­li­che Pro­sti­tu­ier­te um die Zeche geprellt und sie mit Koka­in und K.-o.-Tropfen ver­sorgt, berich­ten ita­lie­ni­sche Medi­en. Unan­ge­nehm für Sal­vi­ni. Der for­dert seit Jah­ren har­te Stra­fen für den Besitz von Dro­gen auch in klei­nen Men­gen. Vor allem hetzt der Rechts­po­pu­list gegen aus­län­di­sche Dea­ler und Migran­ten. Den­noch hält er an sei­nem Par­tei­freund Mori­si fest. „Auf mich kannst Du immer zäh­len. Immer”, schreibt er öffent­lich an sei­nen ehe­ma­li­gen Medi­en­chef. (blick.ch, 3.10.21)

Schon vor­her hat­te sich Sal­vi­ni selbst ein dickes fau­les Ei gelegt. Weil er die Regie­rungs­ko­ali­ti­on von Mario Draghi und deren Ent­schei­dun­gen mit­trägt, kommt der rabia­te Rechts­po­pu­list immer häu­fi­ger in Erklä­rungs- und Recht­fer­ti­gungs­pro­ble­me. Da die Fratel­li wie ziem­lich alle rechts­extre­mis­ti­schen Par­tei­en in Euro­pa eine pan­de­mie- und impf­geg­ne­ri­sche Posi­ti­on ver­tra­ten, jeden­falls immer wie­der damit spiel­ten und damit der Lega das Was­ser abgra­ben woll­ten, woll­te Sal­vi­ni zumin­dest in Teil­be­rei­chen punk­ten und wech­sel­te häu­fig sei­ne Positionen:

So bringt jeder Tag einen Kurs­wech­sel. Mal gibt er den mode­ra­ten, ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ten Mit­ge­stal­ter an der Sei­te Draghis. Dann stellt er wie­der Ulti­ma­ten, droht mit dem Wider­stand im Par­la­ment. Mal ist er für har­te Maß­nah­men im Kampf gegen Coro­na, dann wie­der für deren tota­le Abschaf­fung. Er tur­telt mit Impf­geg­nern und Kri­ti­kern des Zer­ti­fi­kats, obschon die eine wahl­tech­nisch ver­nach­läs­sig­ba­re Min­der­heit sind. Offen­bar lässt er sich von ihrem schril­len Auf­tritt im Netz blen­den. (sueddeutsche.de, 23.9.21)

Als Mario Draghi im Juli der Gedulds­fa­den riss und er nicht geimpf­te Poli­ti­ker wie Sal­vi­ni wegen ihrer Aus­sa­gen über die Imp­fung hart kri­ti­sier­te („Der Auf­ruf, sich nicht imp­fen zu las­sen, ist ein Auf­ruf zum Ster­ben“), ver­riet ein Twit­ter-Foto, das Sal­vi­ni selbst online gestellt hat­te, dass Sal­vi­ni sich schon heim­lich imp­fen hat­te lassen.

Am Foto zeigt sich der Lega-Chef beim Espres­so in einem Gast­gar­ten. Zu sehen sind auch eini­ge Zet­tel unter Sal­vi­nis Schutz­mas­ke am Tisch lie­gen. Auf einem davon ist ein QR-Code unter der Auf­schrift „Regi­on Lom­bar­dei” abge­bil­det. Vie­le erkann­ten das For­mu­lar sofort als Impf­zer­ti­fi­kat bzw. Grü­nen Pass. (puls24.at, 23.7.21)

Sal­vi­ni muss­te in der Fol­ge unter vie­len Ver­ren­kun­gen sei­ne ers­te Teil­imp­fung zuge­ben. Und prompt zog Melo­ni nach und gestand eben­falls, geimpft zu sein. So sind die rechts­extre­men Zwil­lin­ge nicht nur gemein­sam im Sumpf, son­dern auch bei den Imp­fun­gen vereint.

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