HGM: Ohne Verantwortung, aber mit Anfrage

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Die Debat­te um das Hee­res­ge­schicht­li­che Muse­um geht wei­ter. Im ORF beschäf­tig­te sich der „kul­tur­Mon­tag“ vom 17.2.20 auf ORF 2 mit dem Muse­um, im Natio­nal­rat stell­te Eva Blim­lin­ger eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge an die Bun­des­mi­nis­te­rin für Lan­des­ver­tei­di­gung und auf standard.at erschien im FIPU-Blog ganz aktu­ell ein Bei­trag von Bian­ca Kämpf unter dem Titel „Ein Muse­um ohne Ver­ant­wor­tung?“, der die bis­he­ri­ge Debat­te gut zusammenfasst.

Schon am 10. Febru­ar war im „Stan­dard“ ein Inter­view mit dem eher kon­ser­va­ti­ven Gra­zer His­to­ri­ker Die­ter Bin­der zu lesen, des­sen Kri­tik an der der­zei­ti­gen Muse­ums­ge­stal­tung durch­aus deut­lich aus­fiel – hier ein Auszug:

STANDARD: Der Poli­tik­wis­sen­schaf­ter Wal­ter Mano­schek meint, man müss­te das HGM in sei­ner aktu­el­len Form sofort zusper­ren. Sehen Sie das auch so dramatisch?

Bin­der: Ich hal­te das für über­zo­gen. Aller­dings müs­sen in einer ers­ten Revi­si­on miss­ver­ständ­li­che Aus­stel­lungs­stü­cke ent­fernt und kon­tro­ver­si­el­le Objek­te nach­drück­lich mit Tafeln kon­tex­tua­li­siert werden.

STANDARD: Sie wol­len mehr Ein­ord­nung. Aktu­ell kann sich jeder Muse­ums­be­su­cher sei­ne Geschich­te selbst zusammenreimen?

Bin­der: Selbst­ver­ständ­lich kann es nicht sein, dass man den Ein­druck erweckt, jeder Besu­cher kann sich sei­ne Geschich­te selbst erzäh­len, und die­ser Sub­jek­ti­vis­mus ist Aus­druck der Aus­stel­lungs­ma­cher. Hier hat das Muse­um in sei­ner dop­pel­ten Funk­ti­on als klas­si­sches Muse­um und Ort der Tra­di­ti­ons­pfle­ge des Bun­des­hee­res klar Stel­lung zu nehmen.

Eine Woche spä­ter kam ein sehr infor­ma­ti­ver Bei­trag im „kul­tur­Mon­tag“ auf ORF 2, der lei­der nicht mehr online ver­füg­bar ist. Hier wur­de erst­mals auch der HGM-Direk­tor Chris­ti­an Ort­ner zu den mas­si­ven Vor­wür­fen befragt. Ort­ner räum­te durch­aus Ver­säum­nis­se ein, schob jedoch jeg­li­che Ver­ant­wor­tung dafür von sich.

Das HGM im kulturMontag

Das HGM im kulturMontag

Weni­ge Tage spä­ter rich­te­te Eva Blim­lin­ger, Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te der Grü­nen, eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge zum Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um an die Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin, die sich bis spä­tes­tens 20. April eine Ant­wort über­le­gen muss.

In der Begrün­dung der Anfra­ge wer­den bis­her wenig bekann­te Punk­te wie etwa die Ver­lei­hung eines Muse­ums­gü­te­sie­gels an das HGM durch einen Vor­sit­zen­den jener Kom­mis­si­on ange­führt, die das HGM jetzt über­prü­fen soll.

Wir doku­men­tie­ren hier des­halb die Begrün­dung der Anfrage:

Kurz nach dem Bekannt­wer­den der rechts­extre­men Umtrie­be im Hee­res­ge­schicht­li­chen Muse­um (HGM) rich­te­te der dama­li­ge Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Tho­mas Star­lin­ger zwei Kom­mis­sio­nen ein, die zum einen den zeit­ge­schicht­li­chen Saal – inzwi­schen erwei­tert auf alle Schau­räu­me – prü­fen soll, zum ande­ren den Museumsshop.

Das HGM hat vom Prä­si­den­ten des Muse­ums­bun­des Wolf­gang Muchitsch, der zugleich Lei­ter der erst­ge­nann­ten Kom­mis­si­on ist, ein Muse­ums­gü­te­sie­gel ver­lie­hen bekom­men; Kri­te­ri­en für die Ver­lei­hung des Güte­sie­gels sind u.a., dass die Besu­che­rIn­nen eine qua­li­täts­vol­le Prä­sen­ta­ti­on erwar­ten kön­nen und defi­nier­te „Ethi­sche Richt­li­ni­en für Muse­en“ ein­ge­hal­ten wer­den.

Der Kunst­his­to­ri­ker und Muse­ums­exper­te Gott­fried Fliedl reiht das HGM unter zehn gelis­te­ten „schlech­tes­ten Muse­en Öster­reichs” an ers­ter Stel­le:„Ver­al­tet, schwer ver­al­tet! Hin­sicht­lich der mili­tär­ge­schicht­li­chen For­schung, hin­sicht­lich der Muse­ums­tech­nik- und Gestal­tung, hin­sicht­lich des heu­ti­gen Wis­sens- und For­schungs­stan­des der Geschichts­wis­sen­schaf­ten, hin­sicht­lich der gesell­schaft­li­chen Inter­es­sen und Ansprü­che an ein sol­ches Muse­um, hin­sicht­lich der mili­ta­ris­ti­schen Ideo­lo­gie. Zeit­ge­mäß bloß hin­sicht­lich sei­ner Funk­ti­on als Wär­me­stu­be für Mili­ta­ria-Feti­schis­ten uam. Kann man nur sagen: Sofort schließen!“

Auch in der Ver­an­stal­tung „HGM­neu­den­ken“ am 24.1.20 haben mehr als 30 Fach­leu­te aus Wis­sen­schaft, Kunst und Kul­tur groß­teils so fun­da­men­ta­le Kri­tik an der Gesamt­kon­zep­ti­on des Muse­ums geübt, dass die Fra­ge zu stel­len ist, wie es zur Ver­lei­hung des Güte­sie­gels kom­men konn­te:„Das Muse­um bie­te heu­te mehr denn je eine ‚Pro­jek­ti­ons­flä­che für Mili­ta­ris­ten, Mon­ar­chis­ten und Rechts­extre­me’, so Öllin­ger. Wor­in das grund­sätz­li­che Pro­blem des HGM besteht, dar­in waren sich alle Tagungs­teil­neh­mer einig: Eine rie­si­ge Men­ge an his­to­risch zwei­fel­los hoch­in­ter­es­san­ten Objek­ten wer­de groß­teils völ­lig unkon­tex­tua­li­siert prä­sen­tiert. (…) ‚Die Objek­te wir­ken wie die Requi­si­ten eines Stücks, des­sen Text nicht vor­ge­ge­ben ist’, lau­tet ein viel­zi­tier­ter Befund zum Zustand des Hau­ses. (…) Die frü­he­re Chef­ku­ra­to­rin des Jüdi­schen Muse­ums, Feli­ci­tas Heimann-Jeli­nek, und der Poli­to­lo­ge Wal­ter Mano­schek zeig­ten sich bei der Tagung ‚ent­setzt’ und ‚scho­ckiert’ nach ihren Rund­gän­gen durch das HGM: Es sei ‚eine Par­al­lel­welt’, ‚ein Skan­dal’ – von der For­schung, die in den letz­ten 30 Jah­ren pas­siert ist, fin­de sich ‚null’. ‚In Deutsch­land wür­de so etwas nach ein paar Mona­ten zuge­sperrt’, so Manoschek.“

Eine drit­te Kom­mis­si­on wur­de ein­ge­setzt, nach­dem der Rech­nungs­hof das Muse­ums­de­pot in der Kaser­ne Zwölfa­xing geprüft und fest­ge­stellt hat­te, „dass in einem ver­steck­ten Bun­ker auf dem Gelän­de his­to­ri­sche Ersatz­tei­le, Pan­zer­ket­ten und Werk­zeug­sät­ze von Mit­ar­bei­tern pri­vat gela­gert wor­den waren. Es waren Stü­cke, die in den letz­ten fünf Jah­ren oder sogar län­ger vom Hee­res­lo­gis­tik­zen­trum des Bun­des­hee­res aus­ge­schie­den wor­den waren und, auf wel­chen ver­schlun­ge­nen Wegen auch immer, nach und nach in die Pri­vat­samm­lung der HGM-Pan­zer­lieb­ha­ber gewan­dert waren.”

Eine vier­te Kom­mis­si­on wur­de im Zuge eines §-17-Ver­fah­rens nach dem Aus­schrei­bungs­ge­setz vom der­zei­ti­gen Direk­tor des HGM, Chris­ti­an Ort­ner, ein­be­ru­fen, nach­dem BM a.D. Star­lin­ger an Direk­tor Ort­ner eine Mit­tei­lung über des­sen Nicht­wei­ter­be­stel­lung geschickt haben soll. Ort­ners Ver­trag ist mitt­ler­wei­le aus­ge­lau­fen, über eine etwa­ige Wei­ter­be­stel­lung oder Nach­be­set­zung ist in Bäl­de zu ent­schei­den. Die Wei­ter­be­stel­lungs­kom­mis­si­on soll mit­tels eines Gut­ach­tens fest­stel­len, inwie­weit eine Per­son „ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on, der Fähig­keit zur Men­schen­füh­rung und der orga­ni­sa­to­ri­schen Fähig­kei­ten und die Eig­nung zur wei­te­ren Aus­übung der Funk­ti­on” geeig­net ist.

Die kom­plet­te Anfra­ge ist hier abrufbar.

Den Bei­trag „Ein Muse­um ohne Ver­ant­wor­tung?“ von Bian­ca Kämpf im FIPU-Blog, der am 4. März 20 erschie­nen ist, emp­feh­len wir ohne jede Ein­schrän­kung zur Lektüre.