In Sachen Heeresgeschichtliches Museum (HGM) tut sich einiges, Der ausführliche und aktuelle Beitrag „Pulverdampf und heiße Luft“ im „Standard“ (20.12.19) beschäftigt sich mit den Perspektiven für das HGM – nicht zuletzt aufgrund der Recherchen von „Stoppt die Rechten”, die wir im Herbst diesen Jahres veröffentlicht haben.
Für einen Beitrag in der Wiener Stadtzeitung „Augustin“ erörtert die Autorin und Literaturwissenschafterin Elena Messner im Gespräch mit dem Filmemacher Nils Olger Probleme und Perspektiven des HGM. Wir danken für die Erlaubnis zur Verwendung von längeren Zitaten! Der komplette Beitrag ist im „Augustin“ Nr. 496 ‑12/2019 nachzulesen!
Warum das Heeresgeschichtliche Museum kein Museum ist
(…) vieles deute auf den Unwillen der derzeitigen Leitung und der Angestellten hin, ihr Haus als wissens- und geschichtsvermittelnde Institution zu begreifen, die österreichische Heeresgeschichte in ihrer Komplexität darzustellen vermag. Vordergründig wird dort, so Olger, eine angeblich historisch begründbare, pseudowissenschaftliche und in sich geschlossene Kriegsgeschichte von Heldenmut, Ehre und Siegen erzählt. Dieses Vordergründige verstecke mit Absicht seine hässliche Kehrseite: Es soll nicht gezeigt werden, in welchem Zusammenhang die ausgestellten Objekte stehen und wozu sie benutzt wurden.
Kontaminierte Landschaften
Solche geschichtsvermittelnden Strategien hat der Filmemacher in seiner künstlerischen Dokumentation **Eine eiserne Kassette** bloßgelegt, indem er ihnen Faktentreue und Kontextualisierungsarbeit entgegengesetzt. Mittels forensisch anmutender Hintergrundrecherche hat er Fotonegative aus dem Nachlass seines Großvaters Olaf Jürgenssen, eines ehemaligen Offiziers der Waffen-SS, filmisch rekonstruiert, mit der Absicht, zu erzählen, was auf der Oberfläche nicht zu sehen ist: was sich in und hinter den Bildern verbirgt.
«Wenn mein Großvater Fotos von der Landschaft gemacht hat, war das ja eine schon kontaminierte Landschaft, die ihre Gewaltgeschichte mit sich bringt. Aber erst, wenn ich die Fotos soweit interpretieren kann, dass ich weiß, wann und wo sie aufgenommen worden sind, kann ich das offenbaren. Vordergründig ist also nur eine Landschaft zu sehen.» erklärt Nils Olger. Und das, sagt er, könne man durchaus analog zu den Ausstellungsmethoden des HGM sehen.
Vor allem in der zeitgeschichtlichen Ausstellung wird die Strategie erkennbar, Objektivität zu suggerieren, indem Militärobjekte scheinbar neutral, jedoch ohne jeden Kontext, gezeigt werden. «Es wird nicht erzählt, wer, wo, was, wie getan hat und dadurch wird eine geschönte Version österreichischer Heeresgeschichte mit vielen Auslassungen etabliert.»
(…) Ein zeitgemäßer Zugang zur Vermittlung zeitgeschichtlicher Aspekte müsse in einem Museum des 21. Jahrhunderts bedeuten, in den Ausstellungen sowohl erinnerungspolitische Fragen zu integrieren als auch die Instrumente des Ausstellens offenzulegen. Das HGM bedient sich dagegen zumeist veralteter Mittel der Museumspädagogik: Objekte werden nostalgisch betrachtet, romantisch verklärt und auratisch aufgeladen, was zu Fetischisierung und Mythologisierung einlädt. Dass hinter der glorifizierenden Darstellung ein bewusst gewähltes Deutungsmuster steht, sieht man auch anhand einer Aussage des Vizedirektors Christoph Hatschekin der ORF-Sendung **Aus dem Rahmen**: «Die Niederlagen halten wir eher klein, die Siege natürlich eher größer». Die Dauerausstellungen in den zeitgeschichtlichen Sälen strotzen vor plumper Ästhetisierung von Waffen, Heeresfahrzeugen und Uniformen. Dass solch eine überholte Geschichtsdeutung und veraltete Ausstellungsdidaktik im Museum zur Verklärung von Monarchie, Verharmlosung von Faschismus und Nazismus sowie Offenheit für Rechtsextremismus führt, liegt nahe. Dass dies gewollt, und kein Interpretationsfehler seitens eines ideologisch vorgeprägten Museumspublikums ist, ebenfalls. «Die Kritik am HGM ist dem HGM ja bewusst, sie wird nur ignoriert», meint Nils Olger……
Revisionistische Träumereien
Es gibt also substanzielle Gründe, das HGM als einen Schauraum für Waffennarren, eine Imagekampagne für das Militär und einen Ort für geschichtsrevisionistische Träumereien zu beschreiben. Um als Ort der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ernstgenommen zu werden, müsste es aufhören, Heerestrivia als eine immanent militärische Nabelschau zu vermitteln. Dafür müsste es aber zuallererst institutionell umstrukturiert, das heißt, aus dem Verteidigungsministerium zu den Kulturagenden übersiedelt werden. Dann erst wäre es möglich, aus einer zwielichtigen Rumpelkammer endlich ein Museum zu machen.